Die ITK-Branche wächst weiter

Bremsklotz Unternehmenskultur

von - 24.01.2024
Doch es sind nicht immer nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die als Bremsklotz wirken. „Zudem wird die Digitalisierung durch komplexe und langwierige Entscheidungsprozesse in Unternehmen erschwert, die der dynamischen Entwicklung nicht gerecht werden“, berichtet Tobias Regenfuss.
Vielen Unternehmen fällt es ihm zufolge schwer, Innovationen schnell zu adaptieren. „Das liegt zum einen an einer Kultur, die keine Fehler erlaubt, zum anderen aber auch an der starren Unternehmens-Anatomie inklusive vielen Hierarchie-Ebenen. Die Bereiche Kommunikation und Training werden als Begleitinstrumente zu technischen Transformations-Projekten oft unterbelichtet.“
Michael Guschlbauer
Vorstand IT-Systemhaus & Managed Services bei Bechtle
Foto: Bechtle
„Die IT-Budgets sind da und werden beispielsweise verstärkt in rechen­zentrums­nahe Netzwerkprojekte investiert.“
Hinzu komme, dass zuletzt regulatorische Rahmenbedingungen und fehlende Dynamik in der Anpassung dieser Vorschriften die Adoption von Technologien bremse – insbesondere bei Banken, Versicherungen, im Gesundheitswesen und im öffentlichen Sektor.

Fünf Jahre DSGVO

Apropos regulatorische Rahmenbedingungen: Neben den ohnehin schon vielen Herausforderungen gibt es noch ein Thema, dass die Unternehmen in Deutschland seit fünf Jahren umtreibt: Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die für Verbraucher eigentlich ganz gute Regelung „hemmt in großen Teilen der deutschen Wirtschaft Innovationen und wird als Hindernis für Wachstum und Wohlstand in der digitalen Welt wahrgenommen“, wie der Digitalverband Bitkom anlässlich des fünften Jahrestags der DSGVO zusammenfasst.
Konkret heißt das: Sechs von zehn Unternehmen hierzulande zögern bei der Datennutzung, weil sie Angst haben, gegen den Datenschutz zu verstoßen. Fast ebenso viele haben schon einmal Pläne für Innovationen gestoppt, weil datenschutzrechtliche Vorgaben oder Un­sicherheiten sie dazu gezwungen haben. Dabei geben 22 Prozent der Unternehmen an, dass dies schon häufig der Fall war, bei 24 Prozent mehrfach und bei 14 Prozent bislang einmal. So die Zahlen einer Umfrage von Bitkom Research.
Der frühere Bitkom-Präsident Achim Berg äußerte sich daher bezüglich der Datenschutz-Grundverordnung auch eher verhalten: Zwar sei ein einheitliches Datenschutzrecht für die ganze EU ein großartiges Projekt für die Bürger ebenso wie für die EU als Wirtschaftsraum. Nach fünf Jahren Datenschutz-Grundverordnung müsse man allerdings festhalten: „Die DSGVO hat ihr Versprechen, für europaweit einheitliche, verständliche und praxistaugliche Datenschutz-Regeln zu sorgen, nicht eingelöst.“ Stattdessen führe die eigenständige Interpretation durch jede nationale und regionale Aufsicht zu Rechtsunsicherheit. Die Folge: Viele Unternehmen würden deshalb auf die Entwicklung neuer Technologien und Dienste verzichten – „oder verlagern ihre Projekte ins Ausland. Das zeigt sich nicht zuletzt an Verboten für innovative Technologien wie ChatGPT in einzelnen EU-Mitgliedstaaten, die für massive Verunsicherung sorgen“, so Achim Berg weiter.
Datenschutz bremst innovative Projekte
(Quelle: Bitkom Research )
Ähnlich sehen es die Unternehmenslenker in Deutschland: 58 Prozent der Unternehmen glauben, dass Deutschland Chancen für Wachstum und Wohlstand verschenke, weil zu oft auf Datennutzung verzichtet wird. 63 Prozent sagen, dass durch strenge Regeln innovative datengetriebene Geschäftsmodelle in Deutschland erstickt oder aus dem Land vertrieben würden.

Schwere Zeiten für Start-ups

Die aktuelle wirtschaftliche Zurückhaltung bekommen nicht nur die großen Unternehmen zu spüren, sie betrifft auch Start-ups. Die Mehrheit der jungen Unternehmen in Deutschland ist aktuell auf der Suche nach frischem Kapital – und erlebt eine stärkere Zurückhaltung von Investoren aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung. Acht von zehn Start-ups (79 Prozent) geben laut dem Bitkom an, dass durch die konjunkturelle Entwicklung Investoren deutlich zurückhaltender geworden seien, sieben von zehn (71 Prozent) haben in den kommenden 24 Monaten Kapitalbedarf – im Durchschnitt geht es dabei um 2,3 Millionen Euro. Das ist zwar im Vergleich zum Vorjahr mit 3,3 Millionen Euro ein Rückgang um fast ein Drittel – aber: 14 Prozent der Start-ups halten es derzeit für unwahrscheinlich, dass sie das benötigte Geld auftreiben können. Der Rückgang des Kapitalbedarfs lässt sich wohl damit erklären, dass viele Jungunternehmen in den vergangenen Monaten auf die Kostenbremse traten und ihre Profitabilität erhöhten. So liegt aktuell die durchschnittliche Zahl der Mitarbeiter bei 14. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 20.
Als Folge überlegen daher viele Start-ups Deutschland den Rücken zu kehren. Aktuell ist nach Angaben des Digitalverbands Bitkom nur rund ein Drittel der Gründer der Meinung, dass es in Deutschland ausreichend Venture Capital gibt. Ebenfalls rund ein Drittel überlegt, mit dem eigenen Start-up ins Ausland zu gehen, weil es in hierzulande zu wenig Kapital gibt. Ein Börsengang ist dabei für die Mehrheit der Start-ups aktuell keine Option. Nur 31 Prozent halten den Gang aufs Parkett bei einer deutschen Börse in der Zukunft für eine Option, 25 Prozent können sich das jedoch im Ausland vorstellen.
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