Plattform-Ökonomie

Der Netzwerkeffekt bringt den Erfolg

von - 29.07.2020
Netzwerk
Foto: PopTika / shutterstock.com
Digitale Plattformen als das Geschäftsmodell der digitalen Ökonomie gewinnen auch im B2B an Bedeutung.
Amazon, Apple, Alibaba, Facebook oder Google - die Technologie-Riesen dominieren mit ihren digitalen Plattformen ihre Branche. Streaming-Plattformen wie Netflix, Fahrdienstleister wie Uber oder Unterkunftsvermittler wie Airbnb fordern das traditionelle Geschäftsmodell von TV-Anstalten, Taxiunternehmen und Hotels heraus - mit großem Erfolg.
Die Bedeutung der Plattform-Ökonomie spiegelt sich auch an der Börse wider. Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt arbeiten inzwischen mit dem Plattform-Modell. Auch der von Holger Schmidt erfundene Plattform-Index.com erreichte Anfang Mai ein neues Allzeithoch von 2.682 Punkten. Damit erweisen sich diese Aktien auch in der Corona-Krise als Zugpferde. Der Index umfasst die 15 besten Plattformen weltweit und hat seit seiner Einführung im Jahr 2016 mehr als 160 Prozent an Wert zugelegt.
Digitale Plattformen entstehen in allen Märkten und Branchen. Neben den genannten B2C-Plattformen für Endkunden entwickeln sich auch im B2B-Segement der Geschäftskunden bestehende Strukturen hin zu einer Plattform-Ökonomie. Beispiele dafür sind Mercateo, Conrad, die Industrie 4.0-Plattform AXOOM, IoT-Plattformen etwa von Bosch oder Siemens sowie die Angebote von ERP-Anbietern wie SAP oder Microsoft.  Was aber sind digitale Plattformen genau?

Mittler mit Netzwerkeffekt

Gleichgültig, ob Handel, Social Media oder Streaming  - Plattformen funktionieren auf den ersten Blick alle nach demselben Prinzip: Sie sind eine Art Marktplatz, auf denen Anbieter von Produkten, Dienstleistungen oder Informationen mit Interessenten zusammenkommen. Dennoch ist laut Marie Anne Nietan, Referentin für Medienpolitik beim Branchenverband Bitkom schwierig, „eine allgemeingültige Definition für Plattformen herauszuarbeiten, die nichts außen vor lässt." Der Begriff umfasse eine große Bandbreite an verschiedensten Geschäftsmodellen, die im öffentlichen Diskurs häufig nicht differenziert wahrgenommen werden“, erklärt Nietan.
Marie Anne Nietan
Marie Anne Nietan
Referentin für Medienpolitik beim Bitkom
www.bitkom.org,
Foto: Bitkom
„Der Betreiber einer Plattform erzielt Skaleneffekte, da er die Kernkomponenten der
digitalen Plattform mehrfach verwendet.“
Zu den konstitutiven Merkmalen digitaler Plattformen gehören ihrzufolge zwei oder mehr Akteure/Parteien, die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur, ein Intermediär, die Fähigkeit zur Interaktion sowie Netzwerkeffekte. Digitale Plattformen fungieren dabei laut Nietan als Schnittstellen in allen Märkten und Branchen. Digitale Produkte, Dienstleistungen und (indust­rielle) Produktion wachsen zusammen und werden über Intermediäre (technisch durch Plattformen) zugänglich gemacht. „Diese Intermediäre, zum Beispiel Marktplätze, gab es in verschie­denen Formen auch in der Vergangenheit. Doch seit einigen Jahren entstehen neue, ortsungebundene Marktformen mit enormen Skalierungspotentialen und großen Mehrwerten für ihre Teilnehmer“, so Maie Anne Nietan weiter.
Skalen- und Netzwerkeffekte sind ein zentraler Vorteil von Plattformen. Je mehr Teilnehmer die Plattform nutzen, desto mehr weitere Teilnehmer zieht sie an, desto größer ist der Nutzen für jeden Einzelnen. Und je größer das Angebot und die Nachfrage, umso attraktiver wird die Plattform.
„Der Betreiber selbst erzielt Skaleneffekte, da er die Kernkomponenten der digitalen Plattform mehrfach verwendet. Je mehr Nutzer, desto mehr profitiert auch der Plattformbetreiber“, ergänzt Nietan. Bei B2B-Handels-Plattformen beispielsweise fallen Grundgebühren und Transaktionsgebühren von etwa 15 Prozent an, abhängig vom angebotenen Warenkorb.
Tipps zum Aufbau einer Plattform
Aus unseren Gesprächen mit Experten kristallisierten sich folgende Ratschläge an Firmen heraus, die den Aufbau einer Plattform überlegen oder planen:
  • Kern-Zweck: Jede Plattform braucht zunächst einen Kern-Zweck, zum Beispiel Mobility, Einkauf, Entertainment, Finanzen und Versicherung. Im Laufe der Zeit lässt sich das Geschäftsmodell um weitere Business-Segmente erweitern.
  • Klare Nutzergruppe: An wen richtet sich das Angebot? Für wen lohnt sich das? Gibt es genügend Transaktionen auf dem Markt? Je mehr Player und Interaktionspartner, desto besser.
  • Gute Vorbereitung: Es empfiehlt sich im Vorfeld ein Dialog und eine Vorakquise mit potenziellen Anbietern/Verkäufern und potenziellen Einkäufern/Kunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass kleinere Unternehmen keine eigene Einkaufsabteilung haben.    
  • Schrittweise weiterentwickeln: Anbieter von Plattformen brauchen nicht gleich zu Beginn alle geplanten Funktionen vorzuhalten, sondern sollten schrittweise neue Funktionen ergänzen, testen und diejenigen Funktionen weiterentwickeln, die stark nachgefragt werden. Features, die nur selten genutzt werden, können wegfallen.   
  • Aktuelle Standards: Beim Aufbau der Plattform ist auf Interoperabilität sowie offene Schnittstellen (APIs) zu achten
  • Zusatzdienste: Die Betreiber sollten ihre (datengetriebenen) Services bündeln, um für Kunden der Plattform einen zusätzlichen Mehrwert zu schaffen.
  • Langer Atem: Die Betreiber von Plattformen müssen damit rechnen, dass ihr Geschäftsmodell erst nach drei bis vier Jahren Anlaufzeit Gewinne abwirft. Sie können eventuell nach weiteren Partnern suchen, um die nächste Stufe zu zünden.
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