Augmented Reality - Die Welt ist nicht genug

Im Gespräch mit Jan-Erik Vinje Mitgründer von Open AR Cloud

von - 24.02.2020
Jan-Erik Vinje
Jan-Erik Vinje: Mitgründer Opne AR Cloud
(Quelle: Vinje )
Jan-Erik Vinje, ist Mitgründer und Managing Director der Open AR Cloud Association OARC. Deren Vision ist ein offenes, interoperables Spatial Web, ein 3D-Modell der ganzen Welt, das es ermöglicht, die echte Welt mit virtuellen Services anzureichern.
Im Interview erklärt Vinje, warum die Open AR Cloud eine ähnliche technische Revolution werden könnte wie vor 30 Jahren das World Wide Web.
com! professional: Herr Vinje, wo steht die Open AR Cloud?
Jan-Erik Vinje: Anlässlich unseres einjährigen Jubiläums im Oktober hat die Open AR Cloud Association OARC ihre Pläne bekannt gegeben, eine erste Referenzimplementierung einer Open Spatial Computing Platform (OSCP) bis Ende 2020 zu konzipieren und zu bauen. Diese erste Version der Plattform wird aus den erforderlichen Standards, Protokollen, Referenzdiensten und Client-Implementierungen bestehen. Sie ist von der offenen WWW-Plattform inspiriert, die Timothy Berners-Lee vor 30 Jahren erfunden hat.
Open AR Cloud beabsichtigt nicht, weltweit die nötige Infrastruktur aufzubauen und die Plattform zu betreiben. Wir konzentrieren uns auf die Standards und Open-Source-Implementierungen und überlassen es den kommerziellen Akteuren, die Services bereitzustellen und Anbieter der Clients zu sein. Wir
gehen davon aus, dass die Menschen in Zukunft räumliche Services genauso selbstverständlich beziehen werden, wie sie heute Energie, Strom und Breitbandverbindungen kaufen.
com! professional: Welche Vorteile bietet der offene Ansatz?
Vinje: Der Ansatz einer auf offenen Standards basierenden Plattform hat sich in der IT-Welt bewährt. Er bietet eine skalierbare, dezentralisierte, interoperable und reibungslose Mög­lichkeit, die Zukunft der räumlichen Datenverarbeitung zu gestalten. 
Das ist etwas gänzlich anderes als die fragmentierten und verwirrenden geschlossenen Systeme, die derzeit einige der Technologiegiganten entwickeln. Es gab bereits Interesse von einer Reihe großer Unternehmen - interessanterweise auch von Branchenvertikalen außerhalb der XR-Branche -, die uns gesagt haben, dass sie genau nach etwas wie der OSCP suchen.
com! professional: Was steht auf der Agenda 2020?
Vinje: Damit die OSCP-Plattform aufgebaut werden kann, müssen wir mindestens 1 bis 2 Millionen Euro aufbringen, um einige der besten Köpfe der Branche für die harte Arbeit der Umsetzung einstellen zu können. Wir haben bereits ein Team von fachkundigen Freiwilligen, die an der ersten Konzeption arbeiten. 
Zusätzlich zur Einstellung von Mitarbeitern planen wir auch drei bis vier öffentliche Hackathons, die die Entwicklergemeinschaft einbeziehen, damit die mit den frühen Phasen der Plattform interagieren kann. OARC plant außerdem, für Kreative und Künstler eine Gelegenheit zu bieten, ihre digitalen Projekte und Erfahrungen auf der ersten Präsentation der OSCP-Plattform zu zeigen. Diese Inhalte sind praktisch so etwas wie die ersten Webseiten.
com! professional: Gibt es schon erste Anwendungen für die Open AR Cloud?
Vinje: Noch nicht, aber wir werden hoffentlich die ersten echten Anwendungen der Open Spatial Computing Platform nicht lange nach der geplanten Demons­trationsveranstaltung Ende 2020 sehen.
com! professional: Besteht die Gefahr, dass die großen Player mit eigenen AR Clouds die Open AR Cloud ausstechen?
Vinje: Nein, die Gefahr ist vielmehr, dass es sich um fragmentierte Ökosysteme handeln wird, die nur mit den Produkten des jeweiligen Herstellers funktionieren. Google, Facebook, Magic Leap und viele andere streben genau in diese Richtung. Je mehr sich diese geschlossenen Systeme verwurzeln, desto länger wird es dauern, bis wir die Branche aus diesem traurigen Zustand befreien und uns auf eine offene, widerstandsfähige Plattform zubewegen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt mit dem Aufbau der Open Spatial Computing Platform beginnen. Vielleicht können wir die mit den geschlossenen Plattformen inspirieren, zu uns zu kommen und ihr Geschäft auf einer offenen Plattform zu betreiben - so wie sie es bereits im Internet tun können. Der offene Ansatz macht den Kuchen für alle größer.
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