Augmented Reality - Die Welt ist nicht genug

Vision AR Cloud

von - 24.02.2020
Umsarz mit AR 2021
(Quelle: IDC )
Trotz vieler Fortschritte im Detail: Echte disruptive Innovationen sind im Bereich Augmented Reality eher noch Mangelware. Seit gut einem Jahr elektrisiert allerdings ein Schlagwort die IT-Branche: AR Cloud. Gemeint ist eine dreidimensionale virtuelle Weltkarte, die in Echtzeit dargestellt wird. So entsteht ein digitales Abbild der physischen Realität, das für alle Benutzer einheitlich aussieht. Im virtuellen Gitternetz der AR Cloud können Anwendungen millimetergenau digitale Objekte platzieren, die dann für alle Anwender der AR Cloud sichtbar sind. Die AR Cloud ist somit eine Art digitaler Zwilling der Welt. Geprägt hat den Begriff 2017 der AR-Pionier Ori Inbar. Er ist der Ansicht, dass die AR Cloud künftig die wichtigste Software-Infrastruktur im Computing-Umfeld sein wird.
Doch noch steckt die AR Cloud in ihren Anfängen, es mangelt vor allem an einheitlichen Standards. Um der Gefahr entgegenzuwirken, dass eine AR Cloud von einigen wenigen Big Playern kontrolliert werden könnte, wurde die Initiative Open AR Cloud (OARC) ins Leben gerufen. „Wir beginnen mit dem historischen Versuch, die XR-Industrie zusammenzubringen, um an einer Open AR Cloud mitzuarbeiten, die als standardisierte, interoperable, frei zugängliche Grundlage für alle Entwickler dient“, erklärte Inbar bei der Gründung. 
Die Open-AR-Cloud-Organisation plant, ein detailliertes 3D-Modell der realen Welt zu entwickeln und diese Daten gratis zur Verfügung zu stellen. Das AR-Cloud-Ökosystem muss nach Ansicht der OARC von Anwendern, Organisationen und vielen dezentralen Einheiten kontrolliert werden anstatt zentralisiert und monopolisiert zu sein. Rund 40 Unternehmen sind bereits an Bord - die Big Five allerdings nicht.
Ein wichtiger Faktor, der häufig über Erfolg oder Miss­erfolg einer neuen Technologieplattform entscheidet, heißt Transparenz. Das Internet hätte niemals auch nur annähernd seine heutige Bedeutung erlangt, wenn es nur auf bestimmten Rechnern oder nur im Netzwerk einiger weniger Telekommunikationsanbieter funktioniert hätte. Stattdessen lebt es von offenen, frei verfügbaren Standards und der kostenlosen Nutzung von Patenten.
Jan-Erik Vinje, Managing Director der Open AR Cloud sowie AR-Architekt und Entwickler bei Norkart, einem Spezialisten für geografische Informationssysteme, will zusammen mit den Partner-Unternehmen eine ähnliche offene Plattform für Augmented Reality erschaffen. Es ist ein weiter Weg: „Der Schwerpunkt für 2020 wird auf dem Versuch liegen, die erste Referenzimplementierung einer Open Spatial Computing Platform zu erstellen. Wir denken, dass es sich lohnen wird, da wir hoffen, dass diese Plattform - wie das Internet - zu einem Motor des Wirtschaftswachstums sowie der technologischen und kulturellen Entwicklung wird“, so Vinje. (Siehe auch Interview auf Seite 24.)
Ein grundlegender Baustein für ein offenes und interoperables Spatial Web heißt Geopose. Der Standard referenziert die Position und Ausrichtung eines Objekts in einer realen oder virtuellen Welt mit sechs Freiheitsgraden - Position in drei Dimensionen plus Drehung um drei verschiedene Achsen. „Das braucht man, wenn man sich mit der Realität verbinden will“, erklärt Vinje. „Geopose ist für das räumliche Computing genauso wichtig wie die URL im Web. So wie URLs eine standardisierte Möglichkeit sind, mit anderen Informationen zu verlinken, wird Geopose eine universelle Möglichkeit bieten, die digitale Welt mit der physischen Welt zu verbinden und umgekehrt.“

Fazit & Ausblick

Für 2020 sind keine revolutionären Veränderungen in der AR-Technologie zu erwarten. Stattdessen kommen eher evolutionäre Verbesserungen der AR-Soft- und Hardware wie Apples ARKit 3.0 und sein A13-Chip im iPhone 11 zum Tragen. Microsoft-Manager Zawrel resümiert: „Der Markt für Mixed Reality ist noch immer recht jung und befindet sich spürbar im Aufbruch. Insbesondere die enge Verknüpfung mit Künstlicher Intelligenz spielt in diesem Kontext eine große Rolle. Einer der spannendsten Trends für unsere Firmenkunden ist derzeit das Thema Holoportation - also holografische Abbilder, über die Anwender unabhängig von Ort, Zeit oder Sprache zusammenarbeiten können. Gerade bei der immersiven Kommunikation und im Bereich der Collaboration sind in Zukunft sehr spannende Lösungen zu erwarten.“
Für Oliver Köth von NTT Data muss der Fokus vor allem auf der Alltagstauglichkeit der AR-Anwendungen und -Devices liegen. Als eine Art Brückentechnologie könnten seiner Meinung nach Augmented-Reality-Funktionen auf Smartphones genutzt werden.
Laut Andreas Haizmann hängt für die Entwicklung im kommenden Jahr viel davon ab, was Apple macht: „Hinsichtlich möglicher Trends im Bereich AR-Technik ist die spannendste Frage, ob Apple nächstes Jahr eigene AR-Glasses auf den Markt bringt. Es gibt viele Indizien dafür, dass Apple bereits an spezieller AR-Hardware arbeitet - meine Einschätzung ist jedoch, dass es bis zur Markteinführung noch etwas länger dauert. Mit Sicherheit werden wir aber von Apple und Goo­gle Funktionserweiterungen in deren AR-Frameworks sehen, die ganz neue Anwendungsszenarien ermöglichen.“ 
Simon Bender
Simon Bender
Research Professional am AWS-Institut für digitale
Produkte und Prozesse
www.aws-institut.de
Foto: AWSi
„Gerüchten zufolge plant Apple eine AR-Brille, die perspektivisch das iPhone ablösen soll.“
„Die AR-Technologie hat in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte gemacht und die Frameworks von Apple und Google ermöglichen Entwicklern die einfache Um­setzung von AR-basierten Apps“, konstatiert AR-Forscher Simon Bender. „Das führt dazu, dass sich immer mehr Unternehmen mit den Möglichkeiten auseinandersetzen und neue Software-Lösungen auf den Markt bringen, wodurch man auch von einer zunehmenden Anzahl von Nutzern ausgehen kann.“ Neben neuer Software werde auch der Hardware-Markt durch neue Mitspieler aufgemischt. „Gerüchten zufolge plant Apple eine AR-Brille, die perspektivisch das iPhone ablösen soll.“ Analysten erwarten jedoch, dass als Erstes ein AR-Headset von Apple auf den Markt kommt. 
Und Wolfgang Stelzle, CEO und Gründer des AR-Start-ups Re’flekt, prophezeit: „In zwei Jahren werden wir Augmented Reality in fast jedem Unternehmen und in unterschiedlichen Anwendungsfällen erleben. In zehn Jahren werden wir sehen, wie Smart Glasses das Ökosystem der mobilen Geräte erweitern. In 25 Jahren werden traditionelle mobile Geräte durch ausgefeilte AR-Geräte wie Brillen, Kontaktlinsen oder Hologramme ersetzt.“
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