Augmented Reality - Die Welt ist nicht genug
Anwendungen für AR
von Andreas Dumont - 24.02.2020

AR-Cloud-Projekt: Erste Ansätze demonstrieren, wie eine 3D-Karte der virtuellen Welt aussehen könnte.
(Quelle: 6D.ai)
Fast schon etabliert ist die Optimierung von Abläufen für Lager- und Logistikarbeiter durch Vision-Picking. Dabei sind Papier oder Handheld-Devices überflüssig. Eine Datenbrille blendet den Mitarbeitern alle Arbeitsanweisungen und Hinweise ein, zum Beispiel wo sich ein bestimmter Artikel befindet oder wo er abgelegt werden soll. Der Kommissionierer hat dabei beide Hände frei und kann so leichter und effizienter arbeiten. Wichtige Informationen zur Ware lassen sich dem Lieferanten auf der letzten Meile via AR-App übermitteln - etwa eine Darstellung des Wegs zur Lieferadresse, von Eingängen und Briefkästen oder von individuellen Lieferwünschen der Empfänger.
Für AWSi-Forscher Simon Bender sind die spannendsten Einsatzgebiete virtuelle Collaboration-Umgebungen, Engineering-Anwendungen und Digital-Twin-Ansätze für industrielle Anlagen. „Darüber hinaus gibt es vielversprechende Prototypen für die Telepräsenz an entfernten Orten sowie visionäre Themen wie die AR Cloud.“ (Siehe dazu „Vision AR Cloud“ auf Seite 25.)
Ähnliches verspricht Microsoft-Mann Zawrel: „Über die Kombination aus Künstlicher Intelligenz und Cloud-Computing ermöglicht die HoloLens 2 eine instinktive Zusammenarbeit in der digitalen Welt und einen Wissensaustausch über Hologramme - unabhängig von Raum und Zeit“. Im Bereich der plattformübergreifenden Dienste gebe es neben Dynamics 365 Remote Assist auch Anwendungen wie Azure Spatial Anchors. „Damit erstellen die Kunden Mixed-Reality-Anwendungen mit einem räumlichen Bezug. So können etwa Industriekunden in einer Fabrik Wartungsinformationen in Form von Hologrammen neben Maschinen an einer Produktionslinie platzieren und diese Informationen dann gezielt für berechtigte Mitarbeiter sichtbar machen.“
Ein Schwerpunkt der Forschung des AWS-Instituts ist die Frage, wie sich Arbeitsumgebungen und Kommunikationsformen mit dem digitalen Wandel ändern. „Dazu entwickeln wir in einem Forschungsprojekt eine XR-Anwendung zur digitalen Zusammenarbeit in virtuellen Arbeitsumgebungen“, erklärt Simon Bender. „In einem weiteren Projekt möchten wir die Aus- und Weiterbildung durch digitale Assistenzsysteme verbessern und ein drittes Projekt untersucht die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile von AR-Technologie im Einzelhandel.“
Auch Unternehmen wie Teamviewer, bei denen man es nicht unbedingt erwartet, setzen inzwischen AR-Technik ein. Andreas Haizmann erläutert: „Bei Teamviewer ging es schon immer darum, Menschen dabei zu helfen, andere bei ihren Problemen zu unterstützen - das reicht vom technikversierten Enkel, der den Großeltern bei PC-Problemen unter die Arme greift, bis hin zum professionellen IT-Administrator. Mit Teamviewer Pilot ermöglichen wir unseren Kunden nun, jegliche Probleme zu lösen - nicht nur Probleme am Bildschirm. Mit der AR-basierten Lösung kann mir ein Experte virtuell über die Schulter schauen und dabei helfen, ein Problem zu beheben.“ Teamviewer Pilot baue auf der Teamviewer-Infrastruktur auf und erlaube es dem Experten zu sehen, was die Person sieht, die vor Ort Hilfe benötigt. Der Experte könne dann mit Hilfe von AR-Annotationen im dreidimensionalen Raum Markierungen setzen, Gegenstände und Bereiche hervorheben und Hilfestellungen einblenden, um die Person zu unterstützen. Haizmann nennt ein Beispiel: „Als auf einem Frachter im Arabischen Meer im Hafen von Karatschi in Pakistan bei der Löschung der Ladung plötzlich Probleme mit dem bordeigenen Kran auftraten, konnten die Experten von TTS, einem der führenden Kran-Hersteller, den Techniker vor Ort mit Teamviewer Pilot bei der Fehlerdiagnose und -behebung unterstützen.“
Weitere Anwendungen im Bereich Service und Training nennt Microsoft-Manager Zawrel: „Über Digital Twins beschleunigen holografische Technologien die Produktentwicklung und reduzieren Kosten. Oder nehmen Sie das Collaborative Training 4.0 von Bosch als spannendes Beispiel aus der Automobilindustrie: ein interaktives Training mit holografischen Schritt-für-Schritt-Anleitungen, die Auszubildenden helfen, neue Produkte und Technologien zu verstehen und Servicetechniker befähigen, Reparatur- und Wartungsarbeiten effizienter durchzuführen. Oder Airbus, das nach einer vierjährigen Testphase mehr als 300 Anwendungsbereiche identifiziert hat, in denen Mixed-Reality-Lösungen einen Mehrwert bieten können. Mixed Reality ermöglicht den Auszubildenden von Airbus in der Luft- und Raumfahrt, in einer virtuellen Umgebung zu lernen, ohne dass ein tatsächliches Flugzeug oder physische Teile davon vor Ort sind.“
Für Chirurgen habe das Unternehmen apoQlar die Software Virtual Surgery Intelligence entwickelt, berichtet Zawrel. Die Software sei in der Lage, Patientenbilder aus dem MRT- und CT-Scan auf der HoloLens holografisch darzustellen. „Ärzte können die Anwendung vor einer anstehenden Operation nutzen, um das Krankheitsbild der Patienten zu analysieren und den Verlauf der Operation im Vorfeld zu planen.“
Verstärkt zum Einsatz kommt AR auch im Bereich Fast Prototyping.„Das Beispiel von Volvo zeigt, wie Fahrerassistenzsysteme und andere Komponenten als in Software definierte Prototypen schnell in realistischen Szenarien getestet werden können. Ein weiteres interessantes Beispiel ist das Münchner Start-up Re‘flekt, das Enterprise-AR-Lösungen entwickelt, etwa für Wartungs- oder Schulungsbedarf in der Industrie“, berichtet Oliver Köth von NTT Data Deutschland. Dessen Reflekt One ist eine skalierbare Augmented-Reality-Plattform, die es Unternehmen ermöglichen soll, einfach hausinterne AR-Anwendungen zu erstellen.