Erfolgsgeschichten der Digitalisierung

Im Gespräch mit Dr. Reiner Fageth, CTO bei CEWE

von - 09.04.2018
Der Fotodienstleister CEWE hat früh verstanden, dass die Zukunft des Unternehmens von der
Digitalisierung abhängt. com! professional spricht darüber mit Reiner Fageth, Vorstandsmitglied bei CEWE und zuständig für Technik, Forschung und Entwicklung.
com! professional: Herr Dr. Fageth, Ihr Unternehmen hat bereits vor rund 25 Jahren erkannt, dass es sich wandeln muss. Was hat den Ausschlag gegeben?
Reiner Fageth: Den Ausschlag gab das damalige Top-Management. Der CTO Wulf Schmidt-Sacht
Reiner Fageth
Dr. Reiner Fageth: CTO bei CEWE
(Quelle: CEWE )
erkannte früh, dass das Thema Digitalisierung in der Fotobranche nicht aufzuhalten war. Im sogenannten analogen Finishing musste sich der Kunde zur Nachbestellung die Negative an­sehen. Um dies zu ändern, hatte Wulf Schmidt-Sacht die Idee zum Foto-Index.
Mittels industrieller Kameras wurde das Bild bei der Belichtung auf das Fotopapier elektronisch invertiert und alle Negative eines Films als Positiv als Erstes auf ein Zusatzbild montiert. Da er für seine Idee keine Unterstützung durch die Maschinenhersteller bekam, implementierte CEWE dies in Eigenregie an vorhandenen Maschinen. Geholfen hat dabei, dass die Produktionssteuerung schon eine eigene Implementierung war und die Stückzahl 1 sicher produziert werden konnte. Dieses erste digitale Produkt schuf einen Wettbewerbsvorteil und die Offenheit für Neues wurde intern gefördert.
com! professional: Wie sind Sie bei der weiteren Digitalisierung vorgegangen?
Fageth: Die digitalen Aktivitäten wurden ausgegründet in die Cewe digital GmbH. Heute würde man dieses Gebilde einen internen Inkubator nennen. Dort wurden die neuen Bestellapplikationen für das Internet und die Kioske in den Läden der Handelspartner entwickelt, die digitalen Bilder produziert und der Kundendienst geleistet. Es wurden also fertige Lösungen entwickelt und an die Mutter übergeben.
com! professional: Und wie haben Ihre Mitarbeiter auf den für die damalige Zeit recht mutigen Schritt reagiert? Oftmals scheitert die Digitalisierung an deren fehlender Flexibilität.
Fageth: Weil wir die Kolleginnen und Kollegen im Fokus hatten, die uns die Entwicklungen durch ihren Einsatz im klassischen Filmbereich ermöglichten, haben wir nach der Transformation eine gute Akzeptanz gehabt. Natürlich musste zu Beginn das kleine Pflänzchen Cewe digital durch den Vorstand geschützt werden. Cewe digital bestand etwa zur Hälfte aus neuen Kollegen mit speziellen IT-Kenntnissen, aber auch zur Hälfte aus innovativen und wissensdurstigen Kolleginnen und Kollegen aus dem klassischen Fotofinishing.
com! professional: Den Durchbruch brachte Ihnen Ihr Produkt Fotobuch. Hat es das Überleben von CEWE gesichert?
Fageth: Der damalige CEO Rolf Hollander hat erkannt, dass das Fotobuch eine Möglichkeit ist, ein Produkt außerhalb der Commodity Bild anzubieten. Wir haben dieses Produkt federführend vermarktet und den Nutzen transportiert. Dies hat zu der erfolgreichen Transformation vom White-Label-Anbieter für Bilder zum Markenunternehmen im Bereich Foto geführt und damit maßgeblich zum Überleben beigetragen.
com! professional: Aber sind Sie andererseits heute nicht zu sehr vom Fotobuch abhängig?
Fageth: Das CEWE Fotobuch ist das erfolgreichste Einzelprodukt, allerdings sind viele andere Produkte wie der Kalender, Wandbilder oder unsere Handyhüllen ebenfalls wichtige und wachsende Kategorien. Aber auch das Bild hat noch einen entscheidenden Anteil am Erfolg, speziell vor Ort in den Läden unserer Handelspartner.
com! professional: Welche weiteren Veränderungen treiben Sie bei CEWE derzeit voran?
Fageth: CEWE wird immer kundenorientierter. Das Feedback und die Ideen unserer Kunden sind wichtig und Bestandteil unserer Produkt- und Feature-Roadmap.
Crowdsourcing ist für uns ein wichtiges Thema, aber auch die guten Ideen, die im Unternehmen generiert werden, sprengen die Kapazitäten der Entwicklung. Es ist also wichtig, agil zu arbeiten, mit MVPs (Minimum Viable Products) zu testen und die Motivation der Ideengeber hoch zu halten.
Smartphones ersetzen immer mehr klassische Kameras. CEWE muss also Methoden liefern, die wichtigen Bilder auf diesen Geräten zu identifizieren, die gedruckt werden können. Dazu beschäftigen wir uns mit Künstlicher Intelligenz.
Nach der frühzeitigen Digitalisierung der Produktion und der Bestellwege müssen wir nun auch noch den Rest des Unternehmens hier auf das gleiche Niveau bekommen.
com! professional: Wenn Sie sich andere Unternehmen in Deutschland anschauen – wo stehen wir Ihrer Einschätzung nach in Sachen Digitalisierung?
Fageth: Wir mussten digitalisieren, um zu bestehen, es war eine Notwendigkeit, keine Option. Auch hatten wir keine Möglichkeit, einen Zeitplan mit verschiebbaren Milestones zu definieren. Es half nur eines – je schneller, desto besser. Ich glaube, dass in vielen Unternehmen, wo es nicht so unerlässlich erscheint, Zeit verschenkt wird und damit die Projekte länger dauern, teurer werden und folglich die Akzeptanz sinkt.
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