Handel im Wandel

Digitale Techniken erfassen den Point of Sale

von - 08.03.2019
PoS mit Smartphone-AR
Foto: Montri Nipitvittaya / shutterstock.com
Die Verzahnung von Offline und Online steht für viele Händler ganz oben auf der Agenda. Ausgetestet wird derzeit, welche Anwendungen von den Kunden akzeptiert werden.
Was im stationären Laden nervt
Hauptärgernis: Lange Warteschlangen stören Kunden im Ladengeschäft eindeutig am meisten.
(Quelle: Adyen Retail Report 2018 (n = 1.500) )
Auch wenn in der Vorweihnachtszeit die Läden in den Innenstädten wieder übergequollen sind, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer mehr Kunden lieber im Internet bestellen als im stationären Einzelhandel einzukaufen. Viele Verbraucher empfinden das Shoppen mit Maus oder Smartphone als einfacher, bequemer und schneller. Deswegen bemühen sich die Einzelhändler seit Jahren darum, ihren Kunden im Laden ein ähnlich ansprechendes Shopping-Erlebnis zu bescheren.
Services wie Click & Collect, Click & Reserve und Click & ­Return gehören schon fast zum Standard, betont etwa Jan Kegelberg, Chief Digital Officer beim Sport-Händler Sport Scheck. Tatsächlich wünschen sich etwa ein Viertel der Käufer Services wie das Abholen oder die Rückgabe online bestellter Ware in der Filiale, wie der „Adyen Retail Report 2018“ belegt.
Doch um Kunden zu begeistern, braucht es ein bisschen mehr. Zu den Hauptärgernissen im stationären Laden zählen lange Warteschlangen an den Kassen, nicht verfügbare Ware ­sowie wenig hilfreiches und schlecht ­informiertes Verkaufspersonal (siehe Grafik auf Seite 46). Entsprechend wünschen sich die Verbraucher, dass sie direkt beim Verkäufer bezahlen oder den Check-out gleich selbst abwickeln können. Auch Instore-Bestellungen nicht verfügbarer Produkte und weitergehende Produkt­informationen sorgen für mehr Zufriedenheit bei den Kunden.

Beispiel Sport Scheck

Neue Wege bei der Beratung
Neue Wege bei der Beratung: Bei Sport Scheck ist jeder Verkäufer mit einem Tablet ausgestattet.
(Quelle: Sport Scheck)
Der Sport-Händler Sport Scheck ist einer, der diesen Weg geht. 2015 hat die Otto-Tochter angefangen, ihre Verkäufer in den Filialen mit Tablets zur Verkaufsunterstützung auszustatten. Seit Anfang 2017 trägt jeder Verkäufer ein Tablet bei sich. ­Anfängliche Kinderkrankheiten wie schlechte WLAN-Verbindungen, mangelnde Akzeptanz beim Verkaufsper­sonal oder hakende Funktionen in der App sind mittlerweile behoben.
Wichtigste Funktion der Tablets: die ­Regalverlängerung in die Online-Welt, ­sodass nicht verfügbare Produkte direkt in der ­Filiale bestellt werden können. 2017 ­bescherten die über diese Tablets generierten Instore-Bestellungen dem Einzelhändler nach eigenen Angaben einen Mehrumsatz von knapp zehn Millionen Euro. „Wenn der Kunde wahrnimmt, dass die Kanäle wirklich vernetzt sind, ist er begeistert“, ­begründet Jan Kegelberg den Anstieg.
Jan Kegelberg
Jan Kegelberg
CDO bei Sport Scheck
www.sportscheck.com
Foto: Sport Scheck
„Es gilt, den Warenfluss so zu verzahnen, dass es völlig egal ist, wo etwas gekauft oder
zurückgegeben wird.“
Für ihn ist daher die Verknüpfung der Online- und der Offline-Welt das Kern­thema im Handel. „Es gilt, den kompletten Warenfluss so zu verzahnen, dass es völlig egal ist, wo etwas gekauft oder zurück­gegeben wird. Gleichzeitig ist es wichtig, das Customer Relationship Management zu verzahnen, so dass online eingegebene Daten auch offline verfügbar sind.“
Hier liegt seiner Meinung nach oft der größte Stolperstein, insbesondere für Händler mit stationären Wurzeln: Mit Online-Shop und Stationärgeschäft stehen oft zwei getrennte Geschäftsmodelle nebeneinander, deren Daten nicht zentral nutzbar sind. „Hier müssen Prozesse zusammengetragen und zentrale Datentöpfe generiert werden“, meint Kegelberg. Das erfordere auch viel Verständnis untereinander, denn „der Verkäufer als Nutzer eines Systems sieht vieles ganz anders als der IT-Entwickler, der die Anwendung programmiert.“ 
Bei Sport Scheck greift die Verkaufs-App auf dieselbe SAP-Warenwirtschaft und CRM-Lösung zu wie der Online-Shop. Der Webshop - er läuft auf dem Shop-System von Intershop - dient zudem als Basis für die mobile App. Rund 700.000 Euro hat das Unternehmen bisher in sein Instore-Projekt investiert, angefangen von der App-Entwicklung über die WLAN-Ausstattung bis hin zu den Tablets.
Der zusätzliche Umsatz stammt zum Teil von den gut 30 Marktplatz-Händlern, deren Angebot Sport Scheck über die ­Instore-App auch in seinen Filialen verfügbar macht. Die meisten von ihnen sind Markenhersteller wie Adidas oder Reebok sowie Nischenanbieter wie Schmuddelwedda und Dreimaster. Auf diese Weise kann der Händler sein Filialsortiment ­zusätzlich erweitern.
Darüber hinaus vertreibt Sport Scheck über die Instore-App seine Club-Karten für den Kundenclub und nimmt Service-Aufträge etwa zum Skiwachsen an. Für die Zukunft plant der Händler den Einsatz mobiler Kassenterminals, damit die Kunden gleich beim Verkäufer bezahlen können. Die Einführung soll noch im ersten Quartal 2019 erfolgen.

Beispiel Vivobarefoot

Vivabarefoot Schaufenster
Vivobarefoot: Das interaktive Schaufenster des Barfußschuh-Herstellers soll Kunden ins Ladengeschäft locken.
(Quelle: EOD)
Einen anderen Weg geht das Unternehmen European Online Distribution EOD, das unter anderem den Online-Shop und 13 Filialen für den Barfußschuh-Hersteller Vivobarefoot betreibt. „Da wir aus der Online-Welt kommen, sind unsere Prozesse schon stark online geprägt“, erklärt EOD-Marketingleiter Steffen Hausch, „Wir bemühen uns daher, Multichannel zu leben, indem wir mit Hilfe neuer Technologien aus einer klassischen One-Way-Kommunikation in einen echten Dialog mit dem Kunden gehen.“
Das Mittel dazu: ein interaktives Schaufenster. Seit September ziert es den Vivobarefoot-Store in der Kölner Innenstadt, seit Kurzem auch die Filiale in Freiburg. Das Ziel ist, eben nicht nur Schuhe im Schaufenster auszustellen, sondern mit potenziellen Kunden zu interagieren, sie neugierig zu machen und auch in die Filiale zu locken. „Für manche Kunden ist die Hemmschwelle, in den Laden zu kommen, recht hoch“, so Hausch. „Daher ­geben wir ihnen die Möglichkeit, sich vor Ort, aber unabhängig von Verkäufern, erst einmal unverbindlich zu informieren.“
In Köln ist das interaktive Schaufenster bis auf die frühen Morgenstunden immer in Betrieb, in Freiburg nur nach Ladenschluss. Zu sehen sind verschiedene Themenwelten, die im Magazincharakter die einzelnen Kollektionen der Barfußschuhe präsentieren. Dazu kommen Infos zur Herstellung der Schuhe, zur Lauftechnik und zu den Vorteilen des Schuhwerks. In Köln verzeichnet EOD seit dem Start des Schaufensters rund 9000 Seitenaufrufe pro Monat. Verkauft wurde über den Screen bisher „nicht viel“, wie Hausch einräumt, „auch wenn das Bestellen völlig problemlos funktioniert“.
In den beiden Filialen kommen unterschiedliche Technologien zum Einsatz: In Köln ist es ein Lasergitter, das auf die Scheibe projiziert wird und sie zu einem Touch-Display macht. In Freiburg erfüllt eine Hologramm-Folie diesen Zweck. Grund für die verschiedenen Vorgehensweisen sind unterschiedliche Lichtverhältnisse und Größen der Scheiben.
Technologische Basis für das interaktive Schaufenster ist die Lösung „Poseidon ­Digital“ der Talihu GmbH. Sie ist über ­eine vorgefertigte Schnittstelle mit dem Shop-System Oxid eSales verknüpft, auf dem der Vivobarefoot-Webshop läuft.
Zu den genauen Kosten will Hausch nichts verraten - nur so viel: Für das Komplettpaket, bestehend aus der gemieteten Hardware, der Software-Lizenz und der individuellen Einrichtung vor Ort, wird eine pauschale Monatsgebühr fällig.
Zu den größten Herausforderungen bei der Einrichtung und dem Betrieb des Fenster-Screens gehörten laut Hausch die Bereitstellung von hochaufgelöstem Bildmaterial und die Konzeption der Themenwelten. „Wir nutzen das Schaufenster ­gezielt als Kampagnen-Screen, das Verkaufen selbst steht gar nicht so sehr im Mittelpunkt“, betont Hausch. Daher spielt er auch gezielte Aufforderungen wie „Jetzt einen Beratungstermin ausmachen“ auf dem Screen aus.
Von Services wie Click & Collect oder Click & Return hält Hausch übrigens nicht viel. Tests hätten ergeben, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen stehe.
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