Digitale Techniken erfassen den Point of Sale

Digitalisierung im Laden

von - 08.03.2019
Wünsche an stationäre Läden
Erwartungen: Verfügbarkeits-Check und Bezahlung ohne Warten steht bei Ladenbesuchern oben auf der Wunschliste.
(Quelle: Adyen Retail Report 2018 (n = 1.500) )
Vieles, was Verbraucher vom Online-Shopping kennen, kommt nun auch in die stationären Geschäfte. Wir nehmen Sie mit auf einen imaginären Rundgang und beschreiben, wo und wie Läden digitalisiert werden können.
In der Nähe des Ladens: Noch bevor ein Kunde den Laden überhaupt sieht, können Händler per Push-Nachricht auf ihn aufmerksam machen. Dazu wird mit der Geofence-Technologie eine bestimmte Zone um das eigene Geschäft bestimmt. Als Technologie kommt entweder das Satelliten-Naviga­tionssystem GPS (Global Positioning System) zum Einsatz oder die Position wird über das Mobilfunknetz bestimmt. Tritt der ­Kunde - oder genauer gesagt sein Smartphone - in diese Zone ein, erhält er eine Nachricht, zum Beispiel per SMS oder innerhalb einer App. Voraussetzung ist, dass der Kunde zugestimmt hat, dass er solche Push-Nachrichten erhalten möchte. Die App muss hierzu nicht geöffnet sein. Sie benötigt aber die Berechtigung, entsprechende Nachrichten anzuzeigen. Erfolgt die Ortung via GPS, müssen zudem die Standortdienste des Handys aktiviert sein.
Vor dem Laden: Unmittelbar vor dem Laden können Händler ebenfalls Push-Nachrichten versenden, um die Passanten in das Geschäft zu locken. Meistens kommt in so einem Fall nicht GPS, sondern Bluetooth zum Einsatz. Hierzu werden am Ladeneingang sogenannte Bluetooth-Beacons angebracht. Wie ein Leuchtfeuer senden sie ein Signal aus, das von den Smartphones der Passanten wahrgenommen wird. Hat der User auf seinem Handy die Bluetooth-Funktion aktiviert und eine passende App installiert - etwa die des Händlers oder eines Bonusprogramms - zeigt diese Push-Nachrichten an.
Steffen Hausch
Steffen Hausch
Marketingleiter EOD
www.vivobarefoot.de
Foto: Vivobarefoot
„Wir nutzen das interaktive Schaufenster gezielt als Kampagnen-Screen.“
Eine weitere Möglichkeit, Passanten vor dem Laden zum Interagieren einzuladen, sind interaktive Bildschirme im Schaufenster. Bedient werden sie per Gestensteuerung.  Hierzu sind Kameras mit dem Bildschirm verbunden, die die Bewegungen des Passanten registrieren. Eine Software interpretiert diese, sodass es möglich ist, durch die Inhalte zu navigieren.
Interaktiver Bildschirm Lego
Lego Ninjago: Auf dem interaktiven Bildschirm können Betrachter die Spiele ausprobieren.
(Quelle: Lego)
Im Laden: Im Geschäft haben die Händler zahlreiche Möglichkeiten, das Einkaufserlebnis ­modern und individuell zu gestalten. Auch hier können interaktive Bildschirme eingesetzt werden, zum Beispiel im Eingangsbereich. Der finnische Spezialist für Tierbedarf Musti ja Mirri bietet RFID-Anhänger als Hundehalsband an. Mit Radio Frequency Identification (RFID) werden Objekte über Radiowellen identifiziert. Das Tier wird dank des Halsbands erkannt, wenn es das Geschäft betritt, und auf ­einem großen Bildschirm begrüßt - inklusive Foto. Hat der Händler Daten über den Hund, werden dem Herrchen individuelle Angebote präsentiert. Diese Digital Signage genannten Lösungen zeigen wechselnde Inhalte und sollen statische, ­gedruckte Werbeplakate ersetzen.
Ein Beispiel für Instore-Promotion (Sonderangebote im Laden) erprobte die Supermarktkette Real gemeinsam mit der Mondelez-Marke Milka. Paletten mit Sonderangeboten wurden mit Bluetooth-Beacons ausgestattet. War ein Nutzer in der Nähe, der die Payback-App auf seinem Smartphone installiert hatte, erhielt er von der Anwendung einen Hinweis auf die ­Aktion und einen Coupon.
Virtual Reality: Kunden der US-­Kaufhauskette Macy’s können Möbel in der virtuellen ­Realität auswählen. Macy’s verwendet ­dazu die „3D Cloud“- und Virtual-Reality-Lösung von Marxent. Zuerst geben die Kunden Größe und Grundriss des Raums auf einem Tablet ein. Der Raum erscheint dann als 3D-Modell. Anschließend stellen sie dort virtuell Möbel hi­nein, die ihnen gefallen. Ausgerüstet mit einer VR-Brille können sie den virtuellen Raum selbst betreten, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie die Möbel in ihre Wohnräume passen.
Am Regal: Warengruppen wie Möbel ­belegen im Geschäft viel Ausstellungsfläche. Ein digitaler Screen, der den Kunden Produktvarianten zeigt, erweitert diese Fläche. Diese virtuelle Regalverlängerung kann direkt auf der Ausstellungsfläche oder am Regal installiert werden. Mit Tablets ausgestattete Verkäufer können auf individuelle Farb- oder Materialwünsche der Kunden eingehen. Kunden der ­Möbelmarke Livique etwa können ein Sofamodell auf viele Arten zusammenstellen und Form, Größe, Material, Farbe, Armlehne, Sitzkomfort, Fußbereich und Zusatzfunktionen anpassen.
In Store Promotion Milka
Payback: Über die App erhalten Kunden eine Nachricht, sobald sie sich dem Sonderangebot nähern.
(Quelle: Paypack)
Am Regal können sich Kunden über Produkte informieren, etwa indem sie ­diese unter einen Scanner halten, der die Barcodes der Waren liest. In Lebensmittelmärkten erhalten Verbraucher Informationen über Inhaltsstoffe, Herkunft oder Allergene. In der Mailänder Filiale des Fashion-Händlers Zara erkennen interaktive Spiegel per RFID einzelne Produkte und machen darauf basierend Vorschläge zu Accessoires und weiteren Kleidungsstücken.
In der Umkleidekabine: Für Modehändler besonders interessant ist eine vernetzte Umkleidekabine, wie sie Karstadt im Düsseldorfer Flagship-Store testet. Karstadt setzt auf spiegelnde Touchscreens in den Kabinen, die Styling-Vorschläge bieten, Zusatz-Infos zu Produkten und ­einen Zugang zum Online-Shop bereitstellen. Auch der Modehändler Adler stellt Kundinnen und Kunden in der ­digitalen Umkleidekabine ein Selfservice-System zur Verfügung. Über ein 23 Zoll großes Touch-Display können sie Artikelinformationen wie Produktbilder, Farben, Größen, Cross-Selling-Artikel und Verfügbarkeiten einsehen. Zudem kann ein Verkäufer gerufen werden. Auch kom­plette Outfitvorschläge werden dem Kunden angezeigt. Im Ruhezustand spielt das System Werbung aus.
Bezahlen ohne Kasse: Kunden warten nicht gern an der Kasse, und die Schlange kann manchmal ganz schön lang sein. Deshalb könnten technik­affine Kunden den mobilen Self-Check-out schätzen, den der Elektronikmarkt ­Saturn gerade im Saturn Hamburg Altstadt einführt. Mit „Saturn Smart Pay“ bezahlen die Kunden Produkte direkt am Regal, vorausgesetzt sie haben die Saturn-Smart-Pay-App auf ihrem Smartphone installiert und sich registriert. Dann scannen sie den Barcode am Produkt mit der Smartphone-­Kamera oder berühren das digitale Preisschild des Produkts mit einem NFC-fähigen Smartphone, um den Artikel aufzurufen. Sind alle Produkte gewählt, wird per Kreditkarte, Paypal oder Google Pay bezahlt. 
Technologischer Vorreiter bei der Digitalisierung ist der Supermarkt Amazon Go in den USA. Dort muss der Kunde nicht einmal mehr etwas einscannen. Er nimmt einfach die Produkte mit und verlässt den Laden. Damit dies funktioniert, muss er die Amazon-Go-App auf seinem Smartphone installieren und sich mit seinem Amazon-Konto anmelden. Am Eingang checkt er mit Hilfe eines QR-Codes ein, so wie man es vom Flughafen kennt. Im ­Laden selbst überwachen Kameras die ­Bewegungen der Kunden. Sie registrieren, wenn ein Verbraucher Ware aus dem ­Regal nimmt. Über die Ortung des Handys wird das Produkt seinem Warenkorb hinzugefügt. Wie dies genau funktioniert, verrät Amazon nicht. Verlässt der Kunde den ­Laden, bucht die App den Betrag ab.

Fazit & Ausbilck

Schaut man sich die vielfältigen konkreten Anstrengungen des Handels an, Online und Offline zu verbinden, bleibt nur ein Schluss: Digitale Technologien erobern den Point of Sale und werden im stationären Handel bald selbstverständlich sein. Eine offene Frage ist noch, welche Anwendungen die Kunden akzeptieren und welche nicht. Das testen viele Händler gerade aus.
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