Wenn die digitale Aufholjagd stockt

„Last Call: Germany“

von - 09.07.2023
Der Digitalverband Bitkom selbst hat seine eigene Digitalstrategie 2025 mit dem Titel „Last Call: Germany – Letzter Aufruf: Deutschland!“ vorgelegt, um in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat digital voranzukommen. Das Papier soll ein Weckruf sein, liefert aber auch konkrete Handlungsempfehlungen, um zügig in die Umsetzung zu kommen. Kernpunkte sind unter anderem mehr Bildungskompetenz für den Bund, um die Digitalisierung der Schulen und die digitale Bildung der Schüler zu verbessern, sowie eine bessere Anerkennung und Förderung der Weiterbildung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Weitere Schlüsselfaktoren sind erstklassige digitale Infrastrukturen mit schnellen Glasfaser- und mobilen Datennetzen, intelligenten Verkehrs- und Energienetzen sowie leistungsfähigen digitalen Netze in Städten, Gemeinden und Behörden, eine funktionierende digitale Verwaltung („Unser Staat – digital by design“) sowie einen neuen, ganzheitlichen Ansatz in der Datenpolitik, um den Schutz persönlicher Daten und den Einsatz von Daten in eine funktionierende Balance zu bringen.
„Bei der Technologie- und Forschungsförderung müssen wir weg vom Gießkannenprinzip und Maßnahmen zielgenau fördern, um digitale Souveränität zu erreichen“, fordert Fabian Zacharias. „Wir haben beispielsweise in Bereichen wie dem autonomen Fahren oder in der Medizintechnologie gute Voraussetzungen für eine führende Position in der digitalen Weltwirtschaft. Wir sollten diese Technologien und Industrien weiterentwickeln und so unsere digitale Wettbewerbsfähigkeit stärken.“ Zudem rät er dazu, mehr auszuprobieren und nicht immer gleich eine 100prozentige Lösung liefern zu wollen: „Besser eine gute Lösung jetzt als eine perfekte Lösung in fünf Jahren.“

Zentrales Digitalministerium?

Grundsätzlich wäre laut Bitkom ein dediziertes Digitalministerium des Bundes sinnvoll, das alle Zuständigkeiten bündelt, sowie mit den notwendigen Rechten und Ressourcen ausgestattet ist, am besten mit einem Digitalvorbehalt bei neuen Gesetzesvorhaben. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Die Chance hätte am Anfang der Legislaturperiode bestanden. Aber möglicherweise richtet eine neue Bundesregierung ab 2025 ein entsprechendes umsetzungsstarkes Digitalministerium ein.
Laut Lynn-Kristin Thorenz von IDC müsste ein derartiges Ministerium alle digitalen Initiativen zusammenführen und orchestrieren. „Aktuell ist Digitalisierung im Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr leider nur ein Thema von vielen neben Bahn, Verkehrswende, Tempolimit. Das sind komplexe und umfangreiche Themen, hier fehlt der Fokus auf digitale Themen.“
IDC hat die Organisationsformen von Unternehmen untersucht, die bei der digitalen Transformation sehr erfolgreich waren beziehungsweise sind. Das Rezept war in den meisten Fällen der Start mit einer eigenen, neuen Abteilung beziehungsweise einer parallelen Geschäftseinheit, die viele Dinge rund um die Digitalisierung plante und in Einzelprojekten relativ schnell in die Tat umsetzte. „Diese zentrale Einheit gab dann Impulse für die Umsetzung von digitalen Projekten in den einzelnen Fachabteilungen und sorgte für die Koordination und strategische Planung dieser Vorhaben“, berichtet Lynn Thorenz. „Übertragen auf die Politik würde diese zentrale Geschäftseinheit dem Digitalministerium entsprechen, das dann Digitalisierungsprojekte in den einzelnen Ressorts anstoßen würde. Ein zentrales Digitalministerium könnte anschieben und für die notwendige Aufmerksamkeit sorgen. Aber der Zug ist für diese Legislaturperiode bereits abgefahren“, bedauert Thorenz.
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