Die prekäre Zukunft der digitalen Identität

Im Gespräch mit Florian Riedl von der EnBW

von - 16.03.2021
Florian Ried
Florian Ried: Leiter Digitalisierung im Vertrieb der EnBW
(Quelle: EnBW )
Florian Riedl, Leiter Digitalisierung im Vertrieb des Energiever­sorgers EnBW, erklärt im Interview mit com! professional, wo bei der Einführung eines einheitlichen Identitätsmanagements die größten Schwierigkeiten liegen und welche Rolle Identitäts-Provider dabei spielen.
com! professional: Herr Riedl, Sie haben vergangenes Jahr eine neue Lösung für das Identitätsmanagement eingeführt. Warum?
Florian Riedl: Wir wollen unseren Kunden ein einheitliches Nutzererlebnis über alle unsere digitalen Services ermöglichen, die sich in den vergangenen Jahren deutlich erweitert und diversi­fiziert haben. Neben der Energieversorgung unter den Marken EnBW und Yello bieten wir beispielsweise mit EnBW mobility+ einen E-Mobilitätsservice und mit der Tochter Senec Heimspeicherlösungen und Solarmodule. Ziel ist es, dass Kunden alle diese Dienste mit einem einheitlichen Account nutzen können.
com! professional: Wie weit sind Sie in der Umsetzung?
Riedl: Aktuell ist die Lösung nur in unserer E-Mobilitäts-App verfügbar. Wenn sich Kunden dort einloggen, wird ein „myEnergyKey“ generiert. Mit ihm werden sich die Nutzer künftig auch bei anderen Angeboten aus unserem Portfolio anmelden können.
com! professional: Was sind die Vorteile einer einheitlichen, produktüberspannenden Identitätslösung?
Riedl: Wenn Sie in einem Produkt eine exzellente Customer Experience bieten, ist die Chance groß, dass Kunden auch Ihre anderen Angebote nutzen möchten. Das wollen wir unseren Kunden so einfach wie möglich machen.
com! professional: Worin liegt für Sie die größte Herausforderung bei der Integration der Identitätslösung in bestehende Services?
Riedl: Die eigentliche Problematik ist, Bestandskunden in die neue Lösung zu überführen. Das ist durchaus ein komplexer Vorgang, bei dem wir auf die Mitarbeit der Anwender angewiesen sind.
com! professional: Wäre es nicht kundenfreundlicher, die Accounts automatisch in die neue Lösung zu überführen?
Riedl: So eine nahtlose Migration ist nicht möglich. Der Kunde muss aktiv ein neues Konto mit einem neuen Passwort anlegen.
com! professional: Warum ist das nötig?
Riedl: Das hat technische und rechtliche Gründe. Wenn etwa ein Yello-Kunde den EnBW-Dienst myEnergyKey nutzt, muss ihm genau erklärt werden, welche Änderungen sich daraus ergeben, wer seine Vertragspartner sind und wer seine Daten verarbeitet. Darüber hinaus können Sie nicht einfach Passwörter von einem Account zum anderen übertragen, da diese gehasht gespeichert werden. Der Kunde muss also mindestens ein neues Passwort vergeben. Natürlich spielt auch die Customer Experience eine Rolle. Wir wollen den Kunden ja für die neue Lösung gewinnen und von den Vorteilen überzeugen. Schließlich vertraut er uns seine Daten an und dieser Verantwortung sind wir uns bewusst.
com! professional: Stichwort Daten: Was machen Sie mit den konsolidierten Nutzerinformationen? Werten Sie diese aus, um Kunden personalisierte Angebote zu machen, oder neue Geschäftsmodelle, etwa individuelle Stromtarife, zu entwickeln?
Riedl: Uns geht es in erster Linie nicht darum, möglichst viel über unsere Kunden zu erfahren, sondern ihnen die Nutzung unserer Produkte so einfach wie möglich zu machen.
com! professional: Wird der myEnergyKey auch außerhalb des EnBW-Universums für die Registrierung genutzt werden können?
Riedl: Nein, das ist bisher nicht geplant. Das Login-Angebot wird auf unsere eigene Produkt- und Markenwelt begrenzt sein, die aber in den kommenden Jahren durch weitere digitale Services deutlich wachsen wird.
com! professional: Aber dann ist der myEnergyKey doch auch wieder nur einer von vielen Accounts, für die sich der Nutzer anmelden muss. Wäre es nicht viel besser, auf eine universelle digitale Identität hinzuarbeiten, mit der man sich überall anmelden kann?
Riedl: Als Unternehmen müssen wir uns erst um unsere eigenen Touchpoints kümmern. In einem zweiten Schritt werden wir uns sicher auch in die gebräuchlichen digitalen Identitäten wie die von Google und Apple integrieren. Facebook sehen wir eher kritisch.
com! professional: Der Umgang der genannten US-Konzerne mit Nutzerdaten hat schon mehrfach für Skandale gesorgt; zudem sind sie per Gesetz verpflichtet, alle Daten, auch die europäischer Kunden, an US-Behörden herauszugeben. Sollen wir unsere Informationen wirklich diesen „Datenkraken“ anvertrauen?
Riedl: Wir würden auf jeden Fall eine europäische Lösung bevorzugen, aber auch dafür müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen und unsere eigenen Touchpoints zusammenführen.
com! professional: Wer würde sich dafür am besten eignen?
Riedl: Ich finde, die Telekommunikationsunternehmen hätten dafür die besten Voraussetzungen. Sie kennen die Identität ihrer Kunden und könnten diese in Form eines Zertifikats auf dem Smartphone sehr einfach zur Verfügung stellen. Leider habe ich aber noch keine Initiativen in diese Richtung gesehen.
com! professional: Bei der Diskussion um einheitliche digitale Identitäten wird auch immer wieder der Einsatz von Blockchain-Technologien diskutiert. Haben Sie diesbezüglich Pläne?
Riedl: Wir haben uns bewusst für eine kommerzielle Lösung und gegen eine Eigenentwicklung entschieden, weil wir solche Fragen nicht selbst beantworten können und wollen. Es braucht Expertenwissen, um die wichtigsten Trends identifizieren und inte­grieren zu können. Das ist auch ein Grund, warum wir uns für die Lösung von Auth0 entschieden haben. Wir haben gesehen, dass sich das Unternehmen aktiv und langfristig mit den wichtigsten Trends auseinandersetzt. Sollte sich also ein Blockchain-basiertes Identitätsmanagement als sicher und gut nutzbar heraus­stellen, dann wird Auth0 das wohl auch anbieten und wir könnten es nutzen.
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