Zufriedene Kunden auf allen Kanälen

Im Gespräch mit Benjamin Barnack, Vorstand Mitglied & Neue Medien beim Call Center Verband Deutschland

von - 17.07.2018
Benjamin Barnack
Benjamin Barnack: Vorstand Mitglied & Neue Medien beim Call Center Verband Deutschland
Benjamin Barnack ist Vorstand Mitglieder & Neue Medien beim Call Center Verband Deutschland e. V. (CCV). Im Interview mit com! professional erklärt er, wie die optimale Lösung für Contact-Center aussieht und welche Rolle Künstliche Intelligenz dabei spielt.
com! professional: Herr Barnack, aus dem Call-Center wird das Contact-Center. Verändern sich mit dieser Entwicklung auch die Anforderungen an die Mitarbeiter?
Benjamin Barnack: Ja, die Anforderungen an unsere Mitarbeiter sind deutlich gestiegen. Zum einen müssen die Agenten jetzt viel mehr Kanäle im Auge haben und im 360-Grad-Prinzip mit dem Endkunden über mehrere Kanäle gleichzeitig kommunizieren. Neben dem Telefon sind das E-Mail, Chats, Social Media, SMS, Fax oder Brief. Zum anderen sind die Kunden heute viel informierter. Früher riefen sie etwa wegen der Abflugzeiten im Call-Center des Reiseanbieters an. Diese Informationen sind jetzt im Internet verfügbar. Heute rufen sie an, weil sie etwa auf einem Bewertungsportal zu einem Hotel eine Kritik am Spa-Bereich gelesen haben.
com! professional: Was heißt das konkret für die Mitarbeiter?
Barnack: Der Agent muss eigenverantwortlicher handeln, mitdenken, besser qualifiziert sein und ein besseres IT-Setup haben. Seine Rolle entwickelt sich in Richtung Concierge. Dazu benötigt er aber umfassende Informationen aus unterschiedlichen Systemen, vom Hotel-Buchungssystem über CRM und Produktmanagement bis hin zur Finanzbuchhaltung.
com! professional: Stehen diese hohen Anforderungen nicht im Widerspruch zu den Bedingungen in Ihrer Branche? Stichworte sind schlechte Bezahlung, hohe Zielvorgaben und Druck.
Barnack: Die Zeiten des Lohndumpings sind längst vorbei in unserer Branche. Zum Thema Druck: Es gibt natürlich gewisse Vorgaben für bestimmte Vorgänge; ein Beispiel ist die Average Handling Time für einen Anruf inklusive Dokumentation im System. Sie liegt je nach Branche und Support-Level zwischen vier und mehr als zehn Minuten. Hier unterstützen aber technische Lösungen. Die Mitarbeiter fordern
eine intuitive Benutzeroberfläche und Usability.
com! professional: Sie sprechen die Lösungen für Contact-Center an. Welche Funktionen sollte ein gutes Produkt umfassen?
Barnack: Die Lösung sollte natürlich alle Kanäle integrieren, vom Telefon über E-Mail und Social Media bis hin zum klassischen Brief. Ziel ist, dass der Kunde auf allen Kanälen die gleiche Antwort erhält, in einer angemessenen Zeit. Unverzichtbar sind ferner eine Wissensdatenbank, Inbound/Outbound sowie der Zugriff auf unterschiedliche Datenquellen wie CRM-Systeme, Warenwirtschaft oder Finanzbuchhaltung.
com! professional: Wie sieht es mit Analyse-Tools aus?
Barnack: Die gehören natürlich auch zu einer guten Contact-Center-Lösung. Nehmen wir das Beispiel eines Verkaufskanals im TV. Wenn ein aktueller Verkaufsschlager wie ein Kronleuchter nur noch begrenzt vorrätig ist, kann der TV-Sender nach einer Ana­lyse den Bestellkanal priorisieren und beispielsweise Kundin A vorziehen, weil diese eine niedrige Retourenquote hat. Kunde B mit vielen Retouren kommt dann auf die Warteliste.
Oder bei einem Energieversorger erhalten Platin-Kunden, die auch höhere Rechnungen pünktlich bezahlen und sich nie beschweren, Vorfahrt in der Hotline, während ein Bronze-Kunde, der sich oft beschwert, in der Warteschlange nach hinten rutscht.
com! professional: Also Privilegien für gute Kunden. Hilft Künst­liche Intelligenz bei diesem Auswahlverfahren weiter?
Barnack: Im Prinzip ja. KI soll den Agenten grundsätzlich intelligent unterstützen. Viele Lösungen für Contact-Center integrieren KI-Elemente. Sie sollen den Mitarbeiter durch einzelne Prozesse führen und ihm in Echtzeit die beste, nächste Aktion (Next Best Action) vorschlagen, um die Kunden optimal zu beraten
com! professional: Wie sieht es mit Chatbots aus?  
Barnack: Chatbots werden immer wichtiger und sind für rund 20 Prozent der Fälle im Contact-Center relevant, etwa bei einfachen Anfragen zum Status einer Lieferung, wenn die Bestell- oder Rechnungsnummer bekannt ist. KI wird sich weiterentwickeln und zum festen Bestandteil von IT-Lösungen im Contact-Center werden.
Klare Grenzen sehe ich aber bei Beratung, Vertrieb, Nachhaltigkeit und Emotion. Hier ist der Mensch nicht ersetzbar. KI scheitert, wenn kein Prozess dokumentiert ist. KI wird daher auch den Menschen am Telefon nicht ersetzen.
com! professional: Welche Trends außer KI sehen Sie noch im Contact-Center?
Barnack: WhatsApp für die Kundeninteraktion und auch die Cloud werden weiter an Bedeutung gewinnen. Bis 2020 werden rund 70 Prozent der Lösungen für Contact-Center cloudbasiert sein, aktuell sind es etwa die Hälfte. Dank der Cloud kann auch ein Mittelständler mit zehn Service-Mitarbeitern ein professionelles Contact-Center aufziehen. Er spart sich die Investition in Server und die Administration, noch dazu erhält er ein sicheres System. Selbst Banken und Versicherungen denken mittlerweile über Contact-Center aus der Cloud nach. Und eine Lösung muss künftig unbedingt das Homeoffice unterstützen, da viele Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass wir im Kundenservice die Grundlagen der Digitalisierung abgeschlossen und umgesetzt haben. Jetzt geht es an das Feintuning und die zunehmende Professionalisierung.
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