Produktentwicklung setzt auf Evolution

Datengetrieben

Beim Design von Produkten und Dienstleistungen für den Endverbraucher verfolgen Unternehmen generell einen von zwei Ansätzen: Sie betreiben die Entwicklung entweder datensparsam oder datengetrieben.
Product Liefecycle Management
Product Lifecycle Management (PLM): Verkürzte Entwicklungszeiten, reduzierte Entstehungskosten und ein erweiterter gemanagter Lebenszyklus führen zu profitableren Produkten.
(Quelle: EY Deutschland)
Als Paradebeispiel für die datengetriebene Produktindividualisierung gilt Google. Eine breite Palette kostenfreier Dienste – von Gmail über Google Plus bis hin zu Websuche und Maps – soll Verbraucher dazu verleiten, im Zuge ihrer täglichen Aktivitäten digitale Spuren bei Google zu hinterlassen. Das Unternehmen wertet diese Daten laufend aus, um die Individualisierung der Dienste voranzutreiben und das Angebot zu verbessern – zuletzt mit dem KI-gesteuerten digitalen Assistenten Duplex.
Auf der Google-Entwicklerkonferenz „I/O 2018“ ließ CEO Sundar Pichai keinen Zweifel daran, dass das Unternehmen bereits viel über jeden einzelnen Nutzer weiß. Die KI-Engine könne sich aus den vorliegenden Daten hinreichend viel Kontext eigenständig zusammenreimen, um mit nur minimalen Anweisungen auszukommen.
Auch die individuelle Ausrichtung von Werbekampagnen in Google AdWords und AdSense zieht vielfachen Nutzen aus dieser intensiven „Marktforschung“. Die Anzeigeneinblendungen verändern sich im Lauf der Zeit als Reaktion auf das Klickverhalten der Besucher und den redaktionellen Inhalt der betreffenden Webseite.

Datensparsamkeit und DSGVO

Eyetracking bei der Kaffeemaschine
Verhaltensforschung: Im Rahmen der Produktentwicklung wertet Ergoneers Sensordaten aus – im Bild zum Beispiel per Eye-Tracking am Kaffee-Automaten.
(Quelle: Ergoneers GmbH)
Apple dagegen vertritt einen „Datenminimalismus“. Das Unternehmen habe einen anderen Weg als Google und Facebook gewählt, nämlich „so wenig Daten wie möglich zu sammeln“, so Apple-CEO Tim Cook. „Wir haben nie die Überzeugung vertreten, dass detaillierte Profile von Menschen, in denen unvorstellbar tief gehende persönliche Informationen aus verschiedenen Quellen zusammengeführt sind, eine Existenzberechtigung hätten“, betonte Cook gegenüber CNBC. Solche Profile seien technisch möglich, es sollte sie aber nicht geben.
Kritiker wenden ein, dass Apples Siri in ihren Fähigkeiten beschnitten sei, weil der Dienst mangels Einblicken in das Benutzerverhalten nicht dieselbe Fortentwicklung durchlaufen konnte wie Google Duplex oder Amazon Echo. Digitale Vorreiter haben die Kunst gemeistert, aus Daten wertvolle Erkenntnisse über Kunden zu destillieren, beobachtet etwa PwC in der Studie „Digital Champions: Global Digital Operations Study 2018“. Ob sich diese Fähigkeit allerdings mit Datensparsamkeit vereinbaren lässt, wird sich erst noch erweisen müssen.
Im Kontext des agilen Wettbewerbs und der volatilen Nachfrage halten viele Unternehmen eine risikoarme Strategie der Produktentwicklung zwar für richtig, doch welcher der beiden Ansätze – datengetrieben oder datensparsam – das erstrebenswertere Risikoprofil reflektiert, hat sich im Licht der DSGVO deutlich geändert. Das datensparsame Unternehmensmodell dürfte zwar nicht das Maximum an Profit bringen, birgt aber die geringeren regulatorischen Risiken. Apple finanziert sein Geschäftsmodell durch eine geschickte horizontale und vertikale Integration und scheint mit der Datensparsamkeit bei den Verbrauchern bestens anzukommen. Davon zeugt nicht zuletzt eine dreistellige Milliardenreserve.
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