Produktentwicklung setzt auf Evolution

Beispiele von MTU Aero Engines, GE und JCB

Unternehmen die eine Digital Factory planen
Quelle: PwC Deutschland
Angesichts der neuen Volatilität fordern die Unternehmensberater neue Wachstumsstrategien. Unternehmen müssten ihre Produktentwicklungs- und Innovationsprozesse mit der gesamten Wertschöpfungskette integrieren. In vielen Unternehmen sei dies noch längst nicht der Fall, moniert EY. Oft würden Produktentwickler ihre Arbeit an einem Produkt nicht hinreichend koordinieren, um später eine reibungslose Montage zu gewährleisten. Das Feedback von Kunden, Vertrieb und Service fließe nicht strukturiert genug in die Entwicklungsabteilung ein. In vielen Firmen bestünden „Prozess- und Informationsbrüche in allen Wertschöpfungsstufen“, so die Kritik von EY. Zur Ermittlung von Optimierungspotenzial, zur Identifikation konkreter Handlungsfelder und zur Vorbereitung einer PLM-Implementierung sei ein systematischer Ansatz vonnöten.

Beispiel MTU Aero Engines

Fortlaufende Produktänderungen in kleinen Schritten folgen der agilen Produktdesign-Methodik. Sensordaten sind hier von zentraler Bedeutung. Ein Beispiel dafür ist der Triebwerkehersteller MTU Aero En­gines in München. Er hat dank seiner Digital-Factory-Fertigung im Münchener Exzellenzzen­trum Fähigkeiten zur iterativen Produktentwicklung aufgebaut. Die Produktionsanlage verbindet die Wachstumsstrategie des Unternehmens mit seinen Digitalisierungs- und Innovationsinitiativen.
Jede Komponente der Produktionsanlage verfügt über eine Routing-Karte, eine Bestellnummer und einen RFID-Chip, mit deren Hilfe sie über das intelligente MES-System (Manufacturing Execution System) durch die vollständig automatisierten Produktionsprozesse gesteuert wird.
Dieses Verfahren gewährleistet ein besonders hohes Maß an Flexibilität: Es ermöglicht nicht nur die Fertigung kleiner Serien, sondern auch maßgeschneidert individualisierter Produkte. In diesem Szenario sind iterative Verbesserungen im Rahmen eines evolutionären Produktdesigns nur wenige Klicks entfernt.

Beispiel General Electric (GE)

Auch General Electric (GE) ist zu der Überzeugung gelangt, dass Innovationssprünge auch in Kleinarbeit entstehen können. GE rüstet seine wichtigsten Industrieprodukte, darunter Jet-Motoren, Gasturbinen und CT/PET-Scanner, mit Sensorik aus. Fortgeschrittene Analytik gewährt GE rund um die Uhr Echtzeiteinblicke in den Zustand der Geräte bei den Kunden. Das Unternehmen verfügt so über wertvolle Informationen, aus denen sich Handlungsanweisungen zur Effizienzverbesserung und Erhöhung der Produktivität über die gesamte Produktlebensdauer hinweg ableiten lassen.
So kann GE unter anderem erforderliche Reparaturen von Langzeitgütern bedarfsgerecht veranlassen. Die Vermeidung von Betriebsstörungen reduziert Garantie- und Service­ansprüche, erhöht die Zufriedenheit der Kunden und liefert wertvolle Anstöße für evolutionäre Produktverbesserungen.
Als positiver Nebeneffekt eröffnet sich dadurch nicht zuletzt die Möglichkeit neuer Geschäftsmodelle. Zusätzlich zum Verkauf von Maschinen und Serviceverträgen entwickelt sich das Geschäftsmodell dank Analytik in Richtung stundenweiser Vermietung von Langzeitgütern.

Beispiel Maschinenhersteller JCB

JCB Siemens
Kontinuierliche Innovationen: JCB verwaltet sämtliche Produktdaten von Konzept über Konstruktion bis Fertigung mit Teamcenter und NX von Siemens PLM Software.
(Quelle: Siemens PLM Software)
Mit integriertem Product Engineering & Lifecyle Management können Unternehmen Produktentwicklungs- und Innovationsprozesse von hoher Komplexität besser in den Griff bekommen, postuliert EY Deutschland. Die Time-to-Market ließe sich damit generell um 30 bis 50 Prozent reduzieren, die Produktivität um bis zu 50 Prozent steigern und die Fehler­rate der Fertigung um bis zu 50 Prozent verringern.
PLM-Systeme hätten sich als zentrale Drehscheibe für Produktdaten in den operativen Prozessketten bewährt. Bei der Optimierung des Product Engineering & Lifecycle Managements spielen IT-Lösungen eine entscheidende Rolle. Beispiele dafür sind etwa Autodesk Fusion Lifecycle, Oracle Agile und die Produktfamilie von Siemens PLM Software. Letztere kommt beim Schwermaschinenhersteller JCB zum Einsatz, dessen Deutschland-Einheit ihren Sitz in Köln hat.
„Wir führen jedes Jahr über 50 Verbesserungen an unseren Produkte durch“, erklärt Stuart Hughes, Group CIO bei JCB. Die Produktpalette von JCB umfasst rund 300 Maschinen in insgesamt 200.000 individuellen Varianten – entsprechend komplex ist die Produktkonfiguration. „Bei 12 Prozent der Teile, die wir in einem Jahr herstellen, handelt es sich um komplett neue Entwürfe; wir wollen diesen Anteil auf 5 Prozent reduzieren, indem wir eine größere Zahl unserer Designs mehrmals verwenden“, berichtet Andrew Lodge, Head of Engineering Systems bei JCB. „Unser Ziel besteht darin, nicht wertschöpfende Aufgaben zu minimieren.“
Den kontinuierlichen Fluss von Produktinnovationen – vom Konzept über die Konstruktion bis hin zur Fertigung – verwaltet JCB mit Teamcenter und NX von Siemens PLM Software. „Teamcenter ist das Rückgrat unserer Produktentwicklung; es verbindet unser Innovationsstudio mit dem Ingenieur­wesen, der Fertigung, dem Vertrieb und der Wartung“, erklärt Phil Layton, General Manager von Engineering-Programmen bei JCB.
Änderungen in späteren Phasen der Produktentwicklung, die sogenannten Loopbacks, sind für Unternehmen in der Regel extrem teuer. Ob es sich um einen unerwarteten Fehler beim Prototypentest oder um ein Problem der Herstellbarkeit handelt, das beim Produktionsanlauf auftritt oder einen Garantiefall beim Kunden auslöst, wann immer Design- oder Konstruktionsänderungen spät im Workflow stattfinden, entsteht eine enorme Belastung. Die Herausforderung für jeden Hersteller bestehe deshalb darin, „vor Konstruktionsbeginn volles Vertrauen in das Produktdesign zu haben“, betont Ben Watson, Group Head of Industrial Design, und fügt hinzu: „Wir untersuchen ständig diverse neue Möglichkeiten, wie wir dieses Vertrauen stärken könnten.“
Das Unternehmen befasst sich dazu seit einiger Zeit auch mit virtueller Realität (VR). Die Digitalisierung habe es JCB bereits erlaubt, etwaige Fehler früher im Entwicklungsprozess zu erkennen und die Produktdesigns schneller zu evaluieren. Die PLM-Plattform von Siemens schaffe hierzu langfristig geeignete Voraussetzungen. Sollte es JCB gelingen, Konstruktionsdaten in VR zu modellieren, ließe sich die Produktentwicklung auf ein neues Niveau heben, freut sich Richard Biddulph, Studio-Ingenieur bei JCB.
Verwandte Themen