Was 2023 wichtig wird

Green IT & Rechenzentrum

von - 20.03.2023
Rechenzentren verbrauchen derzeit bis zu 3 Prozent der weltweiten Energie – und es wird noch mehr werden.
(Quelle: Shutterstock / Gorodenkoff )
Ein absoluter Top-Trend wird 2023 „Green IT“ sein.  Nachhaltigkeit und Effizienz werden ohne Zweifel angesichts der Energiekostenexplosion und des sich immer stärker manifestierenden Klimawandels eine sehr hohe Relevanz haben. Schätzungen zufolge sind Rechenzentren heute für bis zu 3 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich, bis 2030 sollen es 4 Prozent sein. Für die IT-Branche in Deutschland rechnet der IT-Verband Bitkom mit einem jährlichen Zuwachs an Energiebedarf von 3,5 bis 5 Prozent bis 2030. Nicht zuletzt, weil die Fortschritte im Chipdesign und in der Fertigung, die den Stromverbrauch von Servern nach der Jahrtausendwende begrenzten, an ihr Limit gestoßen seien. Im Bericht „Silicon heatwave: the looming change in data center cli­mates“ beziffert das Uptime Institute das Wachstum des Stromverbrauchs von Servern seit 2017 auf 266 Prozent. Eine durchschnittliche Hyperscale-Anlage verbraucht demnach jährlich 20 bis 50 Megawatt –  theoretisch genug Strom für bis zu 37.000 Haushalte.
Hinzu kommt: Auch der Wasserverbrauch der IT-Branche dürfte verstärkt in den Fokus geraten. Kein Wunder: Der Infrastrukturanbieter Vertiv schreibt unter Berufung auf das US-Energieministerium, dass ein durchschnitt­liches Rechenzen­trum, das Verdunstungskühlsysteme einsetzt, 11 bis 18 Millionen Liter Wasser pro Tag verbrauche, was dem Bedarf einer Stadt mit 30.000 bis 50.000 Einwohnern entspricht.

2023 – das Jahr der Regulierung

Vor diesem Hintergrund rechnet man im Data-Center-Sektor mit einer stärkeren Regulierung. Laut Giordano Albertazzi, CEO von Vertiv, hat die Rechenzentrumsbranche auch selbst bereits erkannt, worauf es jetzt ankommt: „Die Branche hat verstanden, dass eine deutliche Steigerung der Energie- und Wassereffizienz der Schlüssel für zukünftigen Erfolg und langfristiges Fortbestehen ist. Zunehmende Regulierung ist unvermeidlich und wird zu wichtigen Innovationen in unserer Branche führen.“
Peter Wüst
VP und Geschäftsführer bei NetApp Deutschland
Foto: NetApp Deutschland
„Für unseren Planeten ist es wichtig, Datenmüll zu reduzieren oder ihn zumindest mit minimalem Energieverbrauch abzulegen.“
Karsten Winther, President von Vertiv für EMEA, sekundiert: „In den letzten Jahren war das Thema Nachhaltigkeit der größte Schwerpunkt für die Rechenzentrumsbranche. Dies entspricht dem Fokus für 2023 auf eine stärkere Regulierung durch die Regierungen und das Interesse an alternativen Energiequellen.“
Strengere Vorschriften bringt etwa eine kürzlich von der EU verabschiedete Richtlinie, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Statt bisher 12.000 Firmen müssen künftig knapp 50.000 jedes Jahr über die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Governance-, Sozial- und Umweltauswirkungen berichten. Und im Entwurf der  deutschen Bundesregierung für ein Energieeffizienzgesetz steht, dass alle deutschen Rechenzentren ab 2024 zu 50 Prozent und ab 2025 komplett mit Ökostrom betrieben werden müssen.

Druck der Kunden und Verbraucher

Peter Wüst, VP & Geschäftsführer beim Cloud- und Software-Anbieter NetApp Deutschland, bringt den wachsenden Druck durch die Verbraucher und Kunden mit ins Spiel: „IT-Käufer achten immer mehr auf Nachhaltigkeit und verlangen von ihren Zulieferern entsprechende belastbare Nachweise. Diese müssen zeigen, dass sie in ihrer Wertschöpfungskette nicht nur auf eine bessere Nachhaltigkeit hinarbeiten, sondern diese auch erreichen.“
Als Vertreter eines Speicher-Anbieters macht er noch auf einen besonderen Aspekt aufmerksam: „68 Prozent der Daten werden einmal und dann nie wieder verwendet.“ Daraus folgert Wüst: Unternehmen müssten sich stärker um die Steigerung der Energieeffizienz ihrer Anlagen und On-Premises-Lösungen bemühen sowie bessere Methoden zur Datenkategorisierung bereitstellen. „Für unseren Planeten ist es wichtig, Datenmüll zu reduzieren oder ihn zumindest mit minimalem Energieverbrauch abzulegen, etwa in einem, kalten‘ Cloud-Speicher.“
David Groombridge, Distinguished VP Analyst bei Gartner, wiederum betont: „Im Jahr 2023 wird es nicht mehr ausreichen, nur Technologien zu liefern. Diese Themen werden durch Erwartungen und Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) beeinflusst. Jede Technologieinvestition muss gegen ihre Auswirkungen auf die Umwelt abgewogen werden. Das Ziel, Nachhaltigkeit als Standard‘ erfordert nachhaltige Technologien.“

Innovationen für Storage und Data-Center

Für Speicher-Spezialist Western Digital steht „Nachhaltigkeit als Innovationsmotor“ ganz oben bei seinen fünf „Technologietrends für 2023“. Manfred Berger, Senior Manager, Business Development bei Western Digital, erklärt: „Speicherlösungen sind ein wesentlicher Energieaspekt im Rechenzentrum. Gefragt sind daher moderne Technologien, die kosten- und energieeffizient zugleich sind.“ Als Beispiel nennt er Helium-Festplatten, von denen es erste Modelle gibt. Die technische Begründung liest sich bei Berger so: „Das Edelgas Helium (...) hat nur ein Siebtel der Dichte von Luft. Dadurch werden Strömungseffekte, die beim Drehen der Scheiben in der Festplatte auftreten, sowie der Energiebedarf reduziert. Im Gehäuse können dünnere und damit mehr Platten untergebracht werden.“ Zudem seien Helium-HDDs kühler im Betrieb als ihre luftgefüllten Pendants.
Giordano Albertazzi
CEO von Vertiv
Foto: Vertiv
„Zunehmende Regulierung ist unvermeidlich und wird zu wichtigen Innovationen in unserer Branche führen.“
Die Experten von Vertiv sehen 2023 „echte Konkurrenz“ für Dieselgeneratoren aufkommen. Die seien seit Langem ein unumgänglicher Bestandteil des Rechenzentrums. Sie würden Energie speichern, die größtenteils ungenutzt bleibe, und wenn man sie in Betrieb nehme, würden sie Kohlenstoffemissionen erzeugen, die alle Betreiber unbedingt vermeiden wollten. Vertiv geht deshalb davon aus, dass sich 2023 eine bevorzugte Alternative herauskristallisiert – die Wasserstoff-Brennstoffzelle.
Für Ciarán Forde, Marketing Segment Leader Data Centre & IT beim Energiemanagement-Anbieter Eaton, können Rechenzentren sogar einen Beitrag zur Energiesicherheit leisten. Dazu verweist er auf einen Ansatz von Microsoft: „Dessen Rechenzentrum in Dublin verfügt über Lithium-Ionen-Batterien, die für den Anschluss an das Stromnetz zugelassen sind, um die Netzbetreiber zu unterstützen, falls erneuerbare Energiequellen den aktuellen Bedarf nicht decken können.“
Einen Green-IT-Aspekt, der noch nicht so sehr ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist wie andere, hebt Patrick Möller, Business Analyst beim Beratungs- und Software-Haus Dr. Eckhardt + Partner, hervor: „Ein effizienter Code reduziert die erforderliche Rechenleistung und das Ausmaß an Datenübertragung – heißt weniger Stromverbrauch, schlankere Systeme und optimierte Performance.“ Unternehmen würden auf überflüssige Features zugunsten einer besseren Leistung verzichten – im Dienst der Nachhaltigkeit und vor allem, um Zeit und Geld zu sparen. Denn der schnellste Code sei der, der nicht geschrieben ist.
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