Was 2023 wichtig wird

KI & Low Code

von - 20.03.2023
Auch der Mega-Trend Künstliche Intelligenz wird bei vielen Prognosen von IT-Experten für 2023 weit vorne platziert. Laut Srikumar Ramanathan, Senior Vice President bei Mphasis, ist „Künstliche Intelligenz im Alltag angekommen. Allerdings sieht Ramanathan auch eine wachsende Notwendigkeit, die Skepsis gegenüber dem Einsatz von KI abzubauen: „Um Transparenz, Vertrauen und Nachhaltigkeit von KI zu garantieren, werden Unternehmen ethische Richtlinien bei der Erstellung von KI-Modellen berücksichtigen müssen. Lösungen dafür gibt es bereits.“
Ins gleiche Horn bläst Bryan Harris, Executive Vice President und CTO bei SAS, im „SAS Trendbarometer“: „Wenn Unternehmen immer häufiger KI implementieren, sind Vertrauen und Erklärbarkeit die am meisten geforderten Eigenschaften.“ Entscheidungen, die auf KI basieren, müssten begründbar und nachvollziehbar sein, vor allem bei existenziellen Themen wie im Gesundheitswesen oder bei Kreditvergaben. Das gelte umso mehr, wenn die Empfehlungen der KI nicht der menschlichen Erwartung entsprächen. „Vertrauen ist die Basis für die Akzeptanz von KI bei Anwendern und Verbrauchern – und damit für Geschäftsmodelle, die sich auf die Technologie stützen“, so Harris.
Sicherheitsbedenken äußert Boris Cipot, Senior Security Engineer bei Synopsys SIG, einem Spezialisten für Application-Security: „KI-Technologien bergen (…) gewisse Gefahren, wenn auch weniger, dass die die Weltherrschaft übernehmen. Ich mache mir mehr Sorgen um die Daten, die genutzt werden, um eine KI zu trainieren und intelligenter zu machen. Solange Unternehmen, die KI entwickeln, die Informationen, die sie für ihre Datensätze verwenden – also in der Regel unsere privaten Daten –, ordnungsgemäß handhaben und schützen, ist das okay. Aber diese Handhabung ist oft wenig transparent und kaum verständlich. Kurz gesagt: Wir werden auch im Jahr 2023 mit Sicherheit etwas über Datenschutzverletzungen in diesem Bereich zu hören bekommen.“

Mehr KI fast überall

Trotz solcher Bedenken gehen alle Experten davon aus, dass sich der Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf vielen Gebieten manifestieren wird. Gartner erklärt „Adaptive AI“ zu einem der zehn wichtigsten strategischen Tech­nologietrends für 2023 und definiert diese Technik so: „Adaptive KI-Systeme zielen darauf ab, Modelle kontinuierlich neu zu trainieren und innerhalb von Laufzeit- und Entwicklungsumgebungen auf der Grundlage neuer Daten zu lernen, um sich schnell an Veränderungen in der realen Welt anzupassen, die bei der ursprünglichen Entwicklung nicht vorhergesehen wurden oder nicht verfügbar waren. Sie nutzen Echtzeit-Feedback, um ihr Lernen dynamisch zu verändern und ihre Ziele anzupassen.“
Bryan Harris
EVP und CTO bei SAS
Foto: SAS
„Vertrauen ist die Basis für die Akzeptanz von KI bei Anwendern und Verbrauchern – und damit auch für Geschäftsmodelle, die sich auf die Technologie stützen.“
Srikumar Ramanathan wiederum verspricht sich für 2023 viel von der „generativen KI“. Bereits jetzt werde KI überall im Internet genutzt, um Texte, Bilder oder Videos dynamisch mit wenigen Eingaben generieren zu lassen. Große Fortschritte erwartet er zudem bei der Nutzung synthetischer Daten. Das werde die KI-Modelle effizienter machen im Umgang mit komplexen Aufgaben ohne ausreichende Datengrundlage, wovon die Pharma-Industrie sowie der Automobil- und Finanzsektor profitieren dürften.
Bryan Harris erwartet viel Dynamik durch das Aufkommen branchenspezifischer Marktplätze für KI-Modelle. Firmen könnten so Modelle schnell und einfach integrieren, ohne selbst einen Lebenszyklus managen zu müssen. Die „Deloitte TMT Predictions“ rechnen damit, dass die KI-gestützte „Electronic Design Automation“ Chips besser und günstiger macht. Und AITAD, deutscher Embedded-KI-Anbieter, sieht einen Boom bei Forschung und Entwicklung auf seinem Gebiet vo­raus. „Was bisher nur auf größeren Systemen möglich war, wird mit günstigen Systemen im zwei- bis dreistelligen Eurobereich umsetzbar.“ Konkrete Folgen seien Technologiesprünge bei inkrementellem Lernen und der Sprachtrennung.

Automatisierung Der Arbeit

Jörg Hartmann, Geschäftsführer Konica Minolta Business Solutions Deutschland und Österreich, führt bei den Trends für 2023 aus: „Die explosionsartige Zunahme der Datenverfügbarkeit sorgt dafür, dass KI einen stärkeren Anteil an der Automatisierung der Arbeit einnehmen wird. Auf diesem Feld ist im kommenden Jahr mit deutlichen Entwicklungsschritten zu rechnen. Wachsende Fähigkeiten, Prozesse und Muster zu erlernen, schaffen neue Möglichkeiten für die Automatisierung von Arbeitsabläufen und damit für Kosteneinsparungen und eine bessere Nutzung der Zeit von Fachkräften.“
Hartmann rechnet zudem mit mehr robotergestützter Prozess­automatisierung (Robotic Process Automation, RPA). Dabei übernehmen KI-gestützte Automaten sich wiederholende und arbeitsintensive Arbeitsschritte. Zudem sollen Low-Code-/No-Code-Technologien in Zusammenarbeit mit KI-gestützten Systemen die individualisierte Zusammenstellung und Auswertung von Unternehmensdaten verbessern.
Jörg Hartmann
Geschäftsführer von Konica Minolta Business Solutions Deutschland und Österreich
Foto: Konica Minolta
„Die explosionsartige Zunahme der Datenverfügbarkeit sorgt dafür, dass KI einen stärkeren Anteil an der Automatisierung der Arbeit einnehmen wird.“
Auch für Valentina Brebenaru, CIO des digitalen Versicherers Nexible, führt an mehr Low-Code-Implementierungen kein Weg vorbei. Sie ließen sich von einzelnen Nutzern einfach modifizieren und um individuelle Funktionen erweitern. So werde gewährleistet, dass schnell im gesamten Unternehmen skaliert werden könne und auch Nutzer, die in Sachen IT weniger versiert seien, ohne großes Coding-Wissen schnell genau die Software-Unterstützung erhielten, die sie für ihren täglichen Job brauchten. No-Code-Plattformen wie Visual LANSA und Zoho Creator verfügten zudem über eine grafische Bedienoberfläche sowie ein einfaches Baukastenprinzip. „Aus diesem Grund werden Low-Code- und No-Code-Plattformen weiter an Bedeutung gewinnen“, konstatiert Brebenaru.
Das bekräftigt eine Gartner-Prognose, wonach der Markt für Low-Code-Entwicklungstechnologien 2023 um 19,6 Prozent auf rund 26,9 Milliarden Dollar ansteigen soll. „Unternehmen wenden sich zunehmend Low-Code-Entwicklungstechnologien zu, um den wachsenden Anforderungen an eine schnelle Anwendungsbereitstellung und hochgradig angepasste Automatisierungs-Workflows gerecht zu werden“, erklärt Varsha Mehta, Senior Market Research Specialist bei Gartner. Auch Cosima von Kries, Director Solution Engineering EMEA bei Nintex, einem Anbieter von Lösungen zur Prozessautomatisierung, betont diesen Aspekt, wenn sie schreibt: „Die Wahl der richtigen Produktivitätswerkzeuge, die für das gesamte Unternehmen von Nutzen sind, wird sich als entscheidend erweisen, wenn es darum geht, aus Investitionen einen Nutzen zu ziehen. In diesem Sinn ist Low-Code-Tech die Lösung, die sowohl nicht technische als auch technische Mitarbeiter befähigt, Innovationen voranzutreiben.“

Umsätze mit Low-Code-Entwicklungstechnik (in Mio. Dollar)

2021

2022

2023

2024

Low-Code Application Platforms (LCAP)

6,324

7,968

9,960

12,351

Business Process Automation (BPA)

2,416

2,585

2,761

2,940

Multiexperience Development Platforms (MDXP)

2,081

2,508

2,999

3,563

Robotic Process Automation (RPA)

2,350

2,892

3,401

3,879

Integration Platform as a Service (iPaaS)

4,680

5,668

6,668

7,838

Citizen Automation and Development Platforms (CADP)

554

732

953

1,232

Other Low-Code Development (LCD) Technologies

92

109

126

146

Total

18,497

22,462

26,869

31,949

Quelle: Gartner (Dezember 2022)
Doch hat der Low-Code-/No-Code-Trend auch eine Schattenseite, auf die Multicloud-Management-Anbieter Veritas aufmerksam macht. In den „Tech-Trends 2023“ erklärt Deutschland-Chef Ralf Baumann, Low-Code- und No-Code-Anwendungen hätten zwar maßgeblich zur Demokratisierung der Anwendungsentwicklung beigetragen und würden auch 2023 zu einer weiteren Entlastung der IT-Teams führen. Aber: „Da Citizen-Developer über weniger Erfahrung in der Implementierung von Sicherheits- und Datenschutzsystemen verfügen, dürften viele der von ihnen entwickelten Programme nicht angemessen geschützt und die Compliance-Richtlinien ungenau angewendet werden. Hinzu kommt, dass neue Schwachstellen entstehen, die von Cyberkriminellen ausgenutzt werden können.“
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