KI-Agenten personalisieren die Kundenbeziehungen

Kluft zwischen Idee und Realität

von - 29.07.2019
Gartners Magic Quadrant für Vertriebsautomatisierung
Zufall ausgeschlossen: Zum zwölften Mal in Folge kürte Gartner Salesforce zum Leader bei der Vertriebsautomatisierung.
(Quelle: Gartner)
Während sich Software-Anbieter wie Salesforce gute Geschäfte von der KI-Euphorie erhoffen, scheint die Realität in den Marketing-Abteilungen noch nicht ganz so weit zu sein. Die erste Welle der Studie „KI - die Zukunft des Marketings“ unter der Leitung von Claudia Bünte, Professorin an der SRH Hochschule Berlin, konnte zwar einen „signifikanten Zusammenhang“ zwischen der Verwendung von KI und dem Marketingerfolg eines Unternehmens bestätigen. Doch insgesamt ist deren Einsatz im Marketing noch sehr überschaubar, beobachtet Claudia Bünte. Nur 7 Prozent aller Marketing-Manager nutzen demnach KI bereits intensiv. Bei diesen besonders aktiven Anwendern handelt es sich tendenziell entweder um die ganz großen Marktführer oder um eher kleine Firmen.
Bei Entscheidungsträgern in großen Organisationen, so Bünte, liege der Fokus „vermutlich mehr auf der datengetriebenen, langfristigen Nutzung“ der Technologie. Die kleineren Firmen wiesen tendenziell mehr Pragmatiker in den Marketingabteilungen auf, weshalb dort Künstliche Intelligenz vermutlich vor allem eingesetzt werde, um die Routine zu reduzieren, damit sich die Marketing-Köpfe verstärkt um die inhaltlichen Themen kümmern könnten.
Prof. Dr. Claudia Bünte
Dr. Claudia Bünte
Professorin an der SRH Hochschule Berlin
www.srh-hochschule-berlin.de
Foto: SRH Hochschule Berlin
„KI im Marketing ist noch in den Kinderschuhen.“
Doch von diesen Vorreitern abgesehen: Drei von vier (76 Prozent) Marketern setzen KI der Studie zufolge bislang entweder gar nicht oder nur wenig ein. Ob sich das gerade ändert, ver­suchen Claudia Bünte und ihr Team mit einer weiteren Er­hebung herauszufinden (Teilnahme bis Ende 2019). Erste Ergebnisse der zweiten Welle zeigen, dass die Implementierung von KI-Systemen länger dauern wird, als die Forscher ursprünglich vermutet hatten. „Weder Wissen noch Skills sind nach eigener Aussage [der Teilnehmer] deutlich gestiegen“, verrät Professorin Bünte. Die Unterstützung im Unternehmen nehme nicht wirklich zu - und die Implementierung stagniere „auf niedrigem Niveau“.
Von ähnlichen Problemen bei der Umsetzung von KI im Marketing berichtet eine im April 2019 veröffentlichte Studie von Forrester Consulting im Auftrag von Albert.ai, Anbieter eine KI-gestützten Marketing-Plattform. Bei den 156 Teilnehmern dieser Umfrage handelt es sich zu 88 Prozent um An­wender von KI-gestütztem Marketing. Diese berichten, dass „transformative“ Resultate in den betreffenden Organisationen bislang größtenteils ausgeblieben sind.
Eine mögliche Trendwende deutet sich in der zweite Welle der Studie von Claudia Bünte an: Die Skeptiker unter den Marketing-Managern gleichen sich demnach in ihren Einschätzungen zu den Vor- und Nachteilen von KI den anderen Managern immer mehr an. Es bestünden „bessere Chancen als noch im vergangenen Jahr, dass die Implementierung Fahrt aufnehmen“ wird, urteilt Bünte. KI böte Marketing-Managern tatsächlich „eine Vielzahl an Vorteilen“, bringt es die Forscherin auf den Punkt. Auf der anderen Seite hätten sich jedoch bisher keine Standards herausgebildet.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt die Forrester-Studie. Die befragten Marketer schieben den Schwarzen Peter „den zu komplizierten MarTech-Stacks“ zu.  Jeder Vierte (26 Prozent) beschwert sich über unliebsame Überraschungen bei der Integration verschiedener Technologien. Ebenfalls 26 Prozent hatten Probleme damit, die gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Geschäftsergebnisse umzuwandeln.
Professorin Bünte beobachtet einen Markt im Werden. Die großen Anbieter wie Adobe würden noch an der Inte­gration von KI in ihre Standardprodukte arbeiten. Start-ups wie Albert.ai mit einer selbstlernenden Plattform für autonomes Targeting und kanalübergreifendes Kampagnen-Management, seien in der Entstehung begriffen. Über mangelnde Angebotsvielfalt könnten sich Marketer also nicht beschweren, resümiert Claudia Bünte.
Dass sich der KI-Einsatz tatsächlich lohnen könnte,  beobachtet auch IDC-Analyst Andrea Minonne. In einem hart umkämpften Umfeld könne KI der entscheidende Erfolgsfaktor sein, insbesondere in Branchen mit direktem Kundenkontakt, allen voran Einzelhandel und Finanzwesen. KI böte hier den Unternehmen eine Möglichkeit, die Kundenerfahrung mit virtuellen Assistenten, Produktempfehlungen oder visuellen Suchen anzureichern und so auf ein höheres Niveau zu heben, so der Analyst. Viele europäische Einzelhändler wie Sephora, ASOS und Zara oder Banken wie NatWest und HSBC hätten sich bereits Vorteile von Künstlicher Intelligenz zunutze gemacht und profitierten von höheren Umsätzen, mehr Besuchern in den Ladengeschäften, niedrigeren Kosten und personalisierten Customer Journeys.
Doch obwohl das Erfolgspotenzial bei KI „enorm“ sei, ließen die geschäftlichen Auswirkungen von KI-Initiativen viel länger auf sich warten als man annehmen könnte, stellt Chirag Dekate fest, Senior Director Analyst beim Beratungshaus Gartner. Die Verantwortlichen müssten daher „frühzeitig anfangen“, rät ihnen der Experte.
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