KI-Agenten personalisieren die Kundenbeziehungen

Übergabe von Leads

von - 29.07.2019
KI im Marketing
Überwältigende Zustimmung: Fast 90 Prozent der Marketing-Manager befürworten den stärkeren Einsatz von KI.
(Quelle: "KI - die Zukunft des Marketing SRH Hochschule Berlin", n = 208 )
„Die Entkoppelung von Marketing- und Verkaufsteam bei der Übergabe von Leads ist ein Klassiker“, stellt Gloria Lee Ochman, Senior Marketing Programs Manager bei Conversica, kritisch fest.
Ihr Team setzt die hauseigenen Verkaufsagenten für die Vorab-Qualifizierung von Leads zur Weitergabe an menschliche Verkäufer ein. Vor Inbetriebnahme der KI-Plattform war Lead-Generierung bei Conversica ein mühsamer manueller Prozess mit einer hohen Fehlerrate. „Wir nutzten eine ganze Reihe prädiktiver Werkzeuge (…), um unsere Zielgruppe zu identifizieren“, verrät Ochman. Ein solides regelbasiertes Marketing-Automatisierungssystem sollte dann die Leads in den Verkaufstrichter einfließen lassen. Stattdessen landeten sie in einem „schwarzen Loch“. Denn die Verkaufsmitarbeiter folgten lieber eigenen Anhaltspunkten.
Durch diese Rosinenpickerei rann dem Unternehmen das Wachstum durch die Finger. Die interne KI-Verkaufsassistentin von Conversica, Spitzname Rachel, konnte auf Anhieb sagenhafte 63 Prozent neu geschaffener Leads und 54 Prozent der Bestandskunden im Rahmen von personalisierten Marketing-Kampagnen zu Interaktionen mit dem Unternehmen animieren.
Der europäische Sicherheitsanbieter ESET nutzt Conversica in seinen englisch- und französischsprachigen Verkaufstrichtern in Nordamerika - und konnte eigenen Angaben zufolge in den ersten zwölf Monaten nach Inbetriebnahme der KI über 23.000 Leads binden und 236.000 Dollar zusätzliche Einnahmen verbuchen. Andere Nutzer KI-gestützter Vertriebsassistenten berichten von ähnlichen Resultaten. CenturyLink, ein globales Telekommunikationsunternehmen mit Niederlassung in Frankfurt am Main, berichtet von einem 20-fachen RoI (2.000 Prozent pro Monat) in seinen englischsprachigen Kanälen. Das Unternehmen schreibt dies der „massiv personalisierten“ Ansprache geeigneter Zielgruppensegmente zu. Angie und Ashley, zwei Personas des KI-Agenten von Conversica, gewinnen für CenturyLink bis zu 400 qualifizierte Leads pro Monat und betreuen diese „strategisch“.
Gloria Lee Ochman
Gloria Lee Ochman
Senior Marketing Progamms Manager bei Conversica
www.conversica.com
Foto: Conversica
„Die Entkoppelung von Marketing- und Verkaufsteam bei der Über­gabe von Leads ist ein Klassiker.“
Anders als virtuelle Assistenten der Consumer-Klasse wie Alexa oder Google Assistant ist Conversica der deutschen Sprache noch nicht mächtig. Gegenüber com! professional wollte sich der Anbieter diesbezüglich nicht festlegen. In den kommenden Monaten möchte das Unternehmen in Europa zunächst noch das Terrain sondieren. Hierzu hat der kalifornische Anbieter im April 2019 einen Coworking-Space in London eingeweiht.

Touchpoints der Kundenreise

Die KI-Agenten von Conversica kommunizieren digital, jedoch nur schriftlich. „Sprechfähige“ KI-Engines führender virtueller Assistenten wie Google Assistant/Duplex, Microsoft Cortana und Amazon Alexa könnten diesen Markt durchaus aufmischen. Die plauderfreudigen KI-Systeme meistern inzwi­schen sogar die nicht lineare Gesprächsführung auf menschenähnlichem Niveau; ihre Leistung nähert sich allmählich den Fähigkeiten eines geschulten Vertriebsmitarbeiters an.
Die Technologieführerschaft beansprucht die chinesische Alibaba Group für sich. Das Unternehmen hat mehrere KI-Agenten auf Basis seiner AliMe-Engine aktiv im Feldeinsatz. Eine dieser Lösungen verhandelt bei der chinesischen Cainiao Smart Logistics Network Limited in „persönlichen“ Telefongesprächen mit einzelnen Empfängern über die bevorzugten Liefermodalitäten für ihre Pakete. Ein KI-Assistent der E-Commerce-Plattform Xian Yu von Taobao (einem Alibaba-Ableger) wiederum führt autark Preisverhandlungen für Gebrauchtwaren. Tmall Smart Selection von Alibaba liefert intelligente Kaufempfehlungen (auch) im stationären Einzelhandel. Die Gestaltung personalisierter Kundenerlebnisse stützt sich hierbei auf ausgefeilte Sensorik: Die Interaktionen eines Verbrauchers mit Ausstellungsstücken, Displays und Ladenregalen erbringen den Unternehmen wertvolle Daten.
KI-gestützte Agenten in Europa entwickelt etwa das französische KI-Start-up Yseop in Zusammenarbeit mit dem Fintech Addventa für Unternehmen wie Allianz und Société Générale. Dafür heimste es jüngst den begehrten Digital Finance Award 2019 ein.
Der Trend ist klar: Dank KI können kontextgetriebene, hochpersonalisierte Kundenerfahrungen erstmals im großen Maßstab skalieren. Marketing-Verantwortliche haben diese Goldgrube bereits fest im Visier. So lässt BMW das Markt­potenzial der KI-Technologie von Alibaba schon bald für sich arbeiten. Auf der diesjährigen „Consumer Electronics Show“ in Las Vegas führten die Unternehmen die neuesten Früchte ihrer strategischen Partnerschaft medienwirksam vor. Die Voice-Assistant-Technologie der A.I. Labs von Alibaba, Tmall Genie, soll Ende dieses Jahres in BMW-Fahrzeugen für den chinesischen Markt Einzug halten. So wird das Auto dank KI zum neuen Touchpoint der digitalen Kundenreise.
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