Der E-Commerce sucht dringend Azubis

Gemeinsame Beschulung

von - 04.12.2019
Madlen Schaller-Bock
Madlen Schaller-Bock: Marketing-Leiterin der Online-Apotheke Mycare
(Quelle: Mycare )
Allerdings muss dann doch auch HDE-Frau Katharina Weinert zugeben, dass es nicht überall an den Berufsschulen wirklich perfekt läuft. Denn während die Inhalte des neuen Ausbildungsberufs Bundessache gewesen sind, ist alles, was Berufsschulen angeht, Sache der Bundesländer. Und die gingen sehr unterschiedlich damit um, wann und wie sie die Beschulungsstandorte festlegten. „Was ich kritisiere, sind Bundesländer wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die in eine gemeinsame Beschulung gehen und im Unterricht keine Binnendifferenzierung vornehmen“, sagt Weinert.
Weniger verklausuliert heißt das: Es gibt Berufsschulen, da werden nur Kaufleute in sogenannten Fachklassen unterrichtet. Und es gibt Berufsschulen, die verschie­dene Ausbildungsberufe gemeinsam beschulen. Und das ist aus Sicht von Weinert suboptimal. Denn sicherlich gebe es zwar inhaltliche Überschneidungen bei den Berufen, aber es gebe auch spezielle Lerninhalte. „Und die müssen gesondert unterrichtet werden, sonst bräuchte man ja keinen ­neuen Beruf“, sagt sie. Hier hofft die „Mutter des Berufs“ darauf, dass die Länder zeitnah umsteuern. „Das macht es für alle ­Beteiligten leichter. Die Lehrkräfte können sich gezielt für den neuen Beruf qualifizieren und die Auszubildenden bekommen ­eine fachspezifische Beschulung.“
Zugute kommt ihr dabei vermutlich auch die Steigerung der Auszubildendenzahlen - zumindest in einigen Regionen. In Bocholt, dem Standort des Omnichannel-Fahrradhändlers Rose Bikes, ist die Zahl der E-Commerce-Kaufleute binnen eines Jahres jedenfalls schon enorm gestiegen. Musste der erste Auszubildende im vergangenen Jahr noch nach Münster fahren, um die Berufsschule zu besuchen, gibt es inzwischen in Bocholt selbst schon eine dezidierte Klasse für E-Commerce-Kaufleute mit 20 Schülern. Dem ersten Auszubildenden nützt das allerdings wenig. Er muss weiter nach Münster - weil die Lerninhalte in Bocholt ja im ersten Ausbildungsjahr starten.
Zudem ist die Nachfrage nach dem ­neuen Beruf offenbar regional auch sehr unterschiedlich. Während es allein am Erich-Gutenberg-Berufskolleg in Köln zwei E-Commerce-Klassen mit jeweils 25 Schülern gibt, meldet die Industrie- und Handelskammer Siegen für das Jahr 2019 gerade einmal zwei vor­liegende Ausbildungsverträge. Die IHK Dessau-Halle kommt auf drei Verträge.
Um eine eigene Berufsschulklasse einzurichten, braucht Karl-Heinz Bremer, Leiter des Berufskollegs Wirtschaft und Verwaltung in Siegen, aber mindestens 22 Schüler. Solange die Mindestgröße nicht erreicht ist, bleibt der Schulstandort für E-Commerce-Kaufleute in Hagen. Und das ist für junge Leute und Betriebe aus der Region nicht sonderlich attraktiv. Ein Teufelskreis.
Qualitätsunterschiede in der Ausbildung gibt es aber nicht nur hinsichtlich der Berufsschulen. Auch die Betriebe werden drei Jahre nach Ausbildungsbeginn sehr unterschiedlich qualifizierte ­Leute ins Berufsleben entlassen. Denn auch hier hört man die Branche unken, dass nicht jeder IHK-Vertreter, der vor Ort prüft, ob ein Unternehmen E-Com­merce-Kaufleute ausbilden darf oder nicht, die gleichen Maßstäbe anlegt.

Kooperationen als Alternative

Eine Möglichkeit für kleinere Händler, die im Online-Handel nicht die volle Palette abdecken, aber trotzdem gern fundiert ausbilden würden, sind Bildungskooperationen mit anderen Online-Händlern. Bei ­Rose Bikes in Bocholt beispielsweise ist HR-Manager Holger Wüpping solchen Modellen gegenüber sehr aufgeschlossen und unterstützt bei Bedarf kleinere Unternehmen gern.
Und auch bei Gödde geht Ausbildungsleiter Alexander Schmitz mit einem partnerschaftlichen Ansatz an das Thema Ausbildung heran. Weil in der Hoffmann Group, zu der Gödde gehört, einiges zentral organisiert wird, kann Gödde im Alleingang gar nicht sämtliche Lernbereiche abdecken. „Hier tauschen wir uns in der Group sinnvoll aus und holen uns zudem auch Hoffmann-Group-übergreifend Impulse“, berichtet Alexander Schmitz.
„Ich denke, dies ist die Zukunft, denn so kann man Im­pulse, die ich der Luft schwirren, auffangen. In unserem Bereich passiert ja viel Neues und das in rasender Geschwindigkeit.“
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