So werden IT-Führungskräfte zum Digital Leader

Mühsame Aufholjagd

von - 10.03.2020
Christian Russ
Christian Russ: Leiter des Studiengangs IT-Leadership an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
(Quelle: Russ )
Was im Diskurs in den Medien inzwischen als Konsens gilt, spiegelt sich in der Realität noch nicht wirklich wider - dann nämlich, wenn es darum geht, digitale Kompetenzen als Individuum und als Organisation aufzubauen. Einerseits heben in der erwähnten Studie der Uni Frankfurt bis zu 80 Prozent der Befragten die Bedeutung der Digital Leadership hervor, andererseits wird die Reife der eigenen Organisation zugleich als eher gering eingeschätzt.
Oft werden der Einsatz neuer Instrumente wie agile Entwicklung, Design Thinking oder die Einführung neuer IT-Systeme wie Enterprise Social Networks und die Vernetzung über die Unternehmensgrenzen hinaus als Prioritäten angesehen. Dabei handelt es sich allerdings eher um begrenzte Maßnahmen von oft experimenteller Natur, wohingegen strategische Ansätze wie etwa der Aufbau neuer Führungsstrukturen und innovativer Führungsprinzipien am Ende der Prioritätenliste angesiedelt sind.
Besonders auffällig ist, dass externe Schulungen und Trainings ganz am Ende stehen. Es stellt sich daher die Frage, ob Organisationen parallel zu ihrem laufenden Tagesgeschäft überhaupt die organisatorische und kulturelle Transformation ohne externe Unterstützung nachhaltig entwickeln können.
Doch was sind die Gründe für den großen Nachholbedarf bei den Digitalkompetenzen? Einerseits ist es die fehlende Eigeninitiative des Top-Managements: Laut der „Digital Leadership“-Studie des Personalberaters Rochus-Mummert befassen sich mit 51 Prozent nur etwas mehr als die Hälfte der befragten Top-Führungskräfte maximal zwei Stunden in der Woche mit dem Erwerb neuer Kenntnisse zur Digitalisierung. 
Andererseits sind Weiterbildungsangebote zum Thema Digital Leadership noch nicht so bekannt oder akzeptiert. Ein ähnliches Fazit zieht die „Scil-Trendstudie 2019“ der Universität St. Gallen (HSG). Demnach wissen 44 Prozent der Unternehmensentscheider nicht, welche Kompetenzen im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung benötigt werden. Und 57 Prozent sagen, es fehle ein klares Konzept zur Entwicklung digitaler Kompetenzen für Mitarbeiter.

Gute IT-Leadership …

… ist die konsequente Fortsetzung der Digital Leadership in der IT-Organisation und deren Wertschöpfungskette. Reichte es früher aus­, der Chief Inventory Officer der Software und Hardware zu sein, muss heute der CIO den Anforderungen eines Chief Innovation Officers und des Chief Digital Officers gerecht werden, wenn er nicht eines Tages in der Bedeutungslosigkeit verschwinden möchte. Der CIO muss zudem nicht nur kreativ sein und gute Ideen für das Kerngeschäft des Unternehmens generieren, sondern er und sein Team müssen die damit verbundenen IT-Applikationen und IT-Services entwerfen und ausliefern. Diese IT-Lösungen sollten dem Unternehmen helfen, neue Kundenerlebnisse und Geschäftsbeziehungen zu schaffen und die damit verbundenen neuen Märkte und Umsatzquellen zu eröffnen. 
Nebenbei dürfen IT-Verantwortliche den Lebenszyklus der IT-Lösungen, die Technologietrends und auch den Wissens- und Talenteaufbau sowie das Lieferanten- und Cloud-Management nicht vergessen. Übergreifend sollten die IT-Lösungen in eine ganzheitliche Enterprise-Architektur eingebettet sein, die einen nahtlosen Informationsaustausch und die Zusammenarbeit aller Stakeholder innerhalb und außerhalb der Firma ermöglicht.
Schließlich muss auch noch der Wertbeitrag der IT nachgewiesen werden, und das nicht nur durch Budget- und Kostendisziplin, sondern auch in Form von Mehrwerten wie Umsatzsteigerung, Profitabilitätsbeiträgen sowie Stakeholder-Zufriedenheit.
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