Politik und Unternehmen im Umbruch

Auf dem Weg zur richtigen Blockchain-Strategie

von - 17.08.2020
Blockchain
Foto: Bild: Shutterstock / Rost 9
Die Blockchain-Technologie soll Geschäftsprozesse revolutionieren. Experten attestieren ihr ein großes Potenzial. Auch die Politik ist hellhörig geworden. Zurecht?
Im Jahr 2008 schlug der mysteriöse Satoshi Nakamoto, dessen wahre Identität bis heute ungeklärt ist, ein System vor, das Finanztransaktionen zwischen zwei Parteien ohne Umweg über eine Bank oder einen Dienstleister wie Paypal möglich machen sollte. Für Sicherheit und Vertrauen sollte ein Peer-to-Peer-Netzwerk sorgen, das fälschungssichere Transaktionen erlaubt, indem es eine fortlaufende Kette von Hash-basierten Arbeitsnachweisen (Proof of Work) erzeugt, die aus dem rechenaufwendigen Lösen kryptografischer Rätsel bestehen. Eine mit einem Zeitstempel versehene und in die Kette eingebettete Transaktion ließe sich nicht ändern, ohne den kompletten Proof of Work zu wiederholen. Der Name dieses digitalen Bargelds: Bitcoin.
Über ein Jahrzehnt und mehrere Skandale später beträgt das Marktvolumen von Bitcoin rund 150 Milliarden Euro. Bitcoin ist damit nicht nur die erste, sondern auch die mit Abstand erfolgreichste Kryptowährung.
Die Popularität von Bitcoin ist jedoch Fluch und Segen zugleich für die zugrundeliegende Blockchain-Technologie. Der Handel mit Bitcoin gilt als unseriös und ist hoch spekulativ, die Volatilität des Wechselkurses übertrifft die von „echten“ Währungen um Größenordnungen. Kostete ein Bitcoin beispielsweise 2013 rund 60 Euro, so stieg sein Wert bis 2017 auf fast 18.000 Euro, um dann wieder auf etwas mehr als 3000 Euro abzustürzen.
Das digitale Bargeld hat sich außerdem als Lieblingszahlungsmittel für Cyberkriminelle, Drogendealer und andere finstere Gestalten etabliert. Laut dem Blockchain-Spezialisten Chainalysis standen im vergangenen Jahr Transaktionen mit Kryptowährungen im Wert von insgesamt 11,5 Milliarden Dollar im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten. Auch Terroristen nutzen zunehmend Bitcoin & Co., um Waffen und Anschläge zu finanzieren. Die im Mai 2020 kursierenden Gerüchte, die Terrororganisation ISIS verfüge über eine Bitcoin-Kriegskasse von rund 300 Millionen Dollar, hält Chainalysis allerdings für falsch.

Mehr als ein Zahlungsmittel

Bitcoin ist schon lange nicht mehr die einzige Kryptowährung. CoinMarketCap, ein Tochterunternehmen der Krypto­währungsbörse Binance, listet inzwischen 200 aktive Systeme auf. Die Zahlungsmittel mit der größten Marktkapitalisierung sind laut CoinMarketCap Bitcoin, Ethereum, Tether und XRP.
Schlagzeilen machte im vergangenen Jahr der Vorschlag von Facebook, eine Kryptowährung namens Libra einzuführen, die als sogenannte Stable Coin an Sachwerte gebunden werden sollte, um extreme Kursschwankungen zu verhindern. Die Finanzminister der Welt lehnten diese Idee nahezu einhellig ab.
Verteilte Transaktionsdatenbanken bieten allerdings weit mehr Anwendungsmöglichkeiten, als nur einen vermittler­losen Geldtransfer zu ermöglichen. Und die bei Bitcoin zur Anwendung kommende Verkettung von Transaktionsblöcken in einer Blockchain ist auch nur eine Variante der Distributed-Ledger-Technologie (DLT). Ein dezentral geführtes Kassenbuch (englisch: Ledger) lässt sich auch über andere Mechanismen, etwa verteilte azyklische Graphen (Distributed Acyc­lic Graphs, DAG) realisieren. Da Blockchain allerdings die am weitesten verbreitete und gebräuchlichste DLT-Methode ist, werden beide Begriffe hier synonym verwendet.
In einem verteilten Ledger lassen sich beispielsweise alle möglichen Arten von Vermögenswerten wie Autos, Immobilien, Container oder Paletten als Token repräsentieren. Deren Nutzung oder Verkauf kann dann über Smart Contracts automatisiert werden, die so programmiert sind, dass bei einem bestimmten Ereignis automatisch eine Bezahlung ausgelöst wird. So könnte etwa die Vermietung einer Ferienwohnung oder eines Fahrzeugs ohne Vermittler und ohne Schlüsselübergabe erfolgen. Bei Start der Nutzung, die über Sensoren registriert wird, beginnt automatisch der Smart Contract zu laufen und löst beispielsweise die Hinterlegung einer Kau­tion aus. Mit der ebenfalls über Sensoren erfassten ordnungsgemäßen Rückgabe werden Rechnungsstellung und Bezahlung angestoßen. Die Automatisierung kann sogar so weit führen, dass sich Gegenstände als Dezentrale Autonome Organisation (DAO) selbst verwalten.
Da Token beliebig gestückelt werden können und die Transaktionskosten sehr gering sind, eignen sie sich außerdem sehr gut für Micropayment-Anwendungen. Der JavaScript-Erfinder und frühere Mozilla-CEO Brendan Eich hat beispielsweise in seinen Browser Brave das auf dem Blockchain-Netzwerk Ethereum basierende Basic Attention Token (BAT) integriert. Nutzer können sich BATs verdienen, indem sie sich im Browser Werbung ansehen. Mit den erwirtschafteten BATs lassen sich wiederum Autoren, Nachrichten-Websites und andere Content-Anbieter für ihre Dienste bezahlen. Eine Personalisierung des BAT-Kontos ist nur dann notwendig, wenn man sich sein Guthaben auszahlen oder zusätzliche BATs erwerben möchte.
Der Peer-to-Peer-Marktplatz Golem setzt ebenfalls auf der Ethereum-Plattform auf. Er vermittelt zwischen Anwendern, die Rechenleistung der Haupt- und Grafikprozessoren (CPU/GPU) ihrer PCs dem Netzwerk zur Verfügung stellen, und den Nutzern dieser Ressourcen. So entsteht ein verteilter „Supercomputer“, der praktisch unbegrenzt skalierbar ist und viel eher einer Cloud ähnelt, als die zentralisierten Rechenzentren der Cloud-Provider. Bezahlt wird mit der Währung Golem Network Token (GNT).
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