Sharing Economy

Das steckt hinter dem Start-up-Boom Bike Sharing

von - 28.05.2018
Nextbike
Foto: Nextbike
Asiatische Bike-Sharing-Start-ups drängen auf den deutschen Markt. Trotz Schützenhilfe in Milliardenhöhe von Alibaba und Co. sind die Erfolgschancen ungewiss.
Und plötzlich war München gelb: ­Quasi über Nacht hatte der in Singapur ­beheimatete Bike-Sharing-Anbieter Obike im Sommer 2017 in der bayerischen Landeshauptstadt 7.000 in der Signalfarbe des Unternehmens gehaltene Fahrräder verteilt. Damit sorgte der asiatische Fahrradverleiher nicht nur bei Stadtverwaltung und Bürgern für Irritationen, sondern das Unternehmen stellte auch ein Geschäftsmodell in den Mittelpunkt, das sichtlich nach Erklärungsbedarf verlangte. "Zuvor gab es in München insgesamt nur 2.000 Mieträder", erklärt Florian Paul, Radverkehrsbeauftragter der Landeshauptstadt. "Von Obike wurde plötzlich ein riesiges Angebot ohne entsprechende Nachfrage geschaffen."
Möglich wurde die Expansion von Obike durch eine kurz zuvor abgeschlossene Series-B-Finanzierungsrunde mit ­einem für Südostasien rekordverdächtigen Volumen von 45 Millionen US-Dollar. Gleichzeitig setzte das Unternehmen auf sehr rudimentäre Fahrräder ohne Gangschaltung und mit Hartgummibereifung. "Man fragt sich, warum die asiatischen Anbieter bei so viel Investorenkapital nicht gescheite Fahrräder anbieten - offensichtlich geht es ihnen wohl nicht in erster Linie um den Komfort beim Radfahren", mutmaßt Mareike Rauchhaus, Sprecherin von Nextbike, dem 2004 gegründeten größten deutschen Fahrradverleihsystem.

Das Fahrrad im Mittelpunkt

Bei Nextbike und dem bereits 1998 gestarteten, seit 2001 von der Bahn-Tochter DBRent betriebenen deutschen Bike-Sharing-Pionier Call-a-Bike steht jedenfalls klar das Fahrrad im Mittelpunkt. Die ­Unternehmen setzen auf massiv gefertigte, möglichst unverwüstbare Räder mit Gangschaltung und Luftbereifung. Das Geschäft ist service-intensiv und kommt zum Teil bis heute nicht ohne öffentliche Subventionen aus.
Mit Obike und anderen neu in den deutschen Markt eingestiegenen asiatischen Anbietern wie Mobike und Ofo ist nun Bewegung in die Branche gekommen. "Wir empfinden es erst mal als Riesenkompliment, dass die neuen Konkurrenten unsere Idee des Bike Sharing aufgegriffen haben und diese weiter vorantreiben", erklärt Nextbike-Sprecherin Rauchhaus. Trotzdem hält sich der Verdacht, die Neueinsteiger setzten sich in ein gemachtes Nest und seien möglicherweise eine Art Trojanisches Pferd.

Chinesische Konzerne im Hintergrund

Denn hinter den asiatischen Bike-Sharing-Start-ups stehen große Konzerne: An dem 2016 in Peking gegründeten, mit einer Präsenz in über 200 Städten weltweit führenden Fahrradverleihsystem Mobike beteiligte sich Mitte 2017 der chinesische E-Commerce-Konzern Tencent mit 600 Millionen US-Dollar. Der ebenfalls in Peking ansässige, seit 2014 aktive Wettbewerber Ofo schaffte es sogar, innerhalb der letzten 12 Monate in zwei von Alibaba angeführten Finanzierungsrunden mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar einzustreichen. Und an der ­Series-B-Runde von Obike beteiligte sich eine namentlich nicht genannte "führende globale Transportplattform".
Anders als bei Nextbike und Call-a-Bike geht es diesen Investoren nur am Rande um den Aufbau eines alternativen, ökologisch nachhaltigen Mobilitätssystems. Auf dem chinesischen Markt haben Tencent und Alibaba die Bike-Sharing-Angebote mit ihren ­Mobile-Services wie Wechat und Alipay verknüpft und ihre Marktmacht damit weiter zementiert. Auch nutzen die Konzerne das Geschäftsfeld Fahrradverleih zur Ausspielung von Location Based ­Advertising. Wird das GPS-Signal eines Leihrads im Umfeld eines teilnehmenden Werbepartners erfasst, erhält der Fahrradnutzer über die Bike-Sharing-App zum Beispiel einen Rabattcode für einen auf dem Weg liegenden Coffee Shop.
Und schließlich greifen die Fahrradverleiher auch das von der chinesischen Führung ­propagierte Konzept der Social Credits auf: Die in den Apps von Obike und ­Mobike enthaltenen Punktesysteme für die Belohnung beziehungsweise Sanktionierung des Nutzerverhaltens gleichen den Mechanismen, mit denen neuerdings im Reich der Mitte staatsbürgerliche Linientreue gemessen wird. Indem die asiatischen Bike-Sharing-Anbieter nun in klassischer Start-up-­Manier nach größtmöglicher globaler Reichweite greifen, stellt sich die Frage, wie stark dieser in der Heimat verfolgte Ansatz künftig auch in die westlichen Märkte getragen werden soll.
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