Ausweg aus dem Fachkräftemangel

Neue Fachkräfte durch Upskilling

von - 02.03.2023
Eine Möglichkeit, neue Fachkräfte im eigenen Unternehmen ausfindig zu machen, besteht im sogenannten Up­skilling, im Höherqualifizieren. Von Upskilling spricht man, wenn etwa ein Mitarbeiter in seinem aktuellen Arbeitsumfeld neue Fähigkeiten erwerben soll oder will.
Im Unterschied dazu ist gelegentlich auch von Reskilling die Rede. Ein Beispiel dafür: Ein Mitarbeiter soll in eine andere Abteilung wechseln und benötigt dafür neue Kenntnisse und Fertigkeiten. Zum Reskilling kommt es etwa, wenn eine bestimmte Tätigkeit eines Mitarbeiters nicht mehr gebraucht wird, er aber trotzdem im Unternehmen gehalten werden soll.
Markus Skergeth
Geschäftsführer von Skilltree
Foto: Blueroots Technology GmbH
„Der Bestandsmitarbeitende ist ein eher unbekanntes Wesen.“
Neuorientierungen und Umschulungen sind überhaupt ein Thema, das nach Überzeugung des Beratungsunternehmens McKinsey weit mehr Menschen betreffen wird als es ahnen. Die Experten gehen davon aus, dass viele Arbeitskräfte in Deutschland vor turbulenten Zeiten stehen. In der Studie „The Future of Work after Covid-19“ nennen sie die immense Zahl von 10,5 Millionen Beschäftigten, die bis 2030 mit Veränderungen ihrer Arbeitswelt rechnen müssen. 6,5 Millionen von ihnen werden sich nach Erkenntnissen von McKinsey neue Fähigkeiten und Qualifikationen aneignen müssen, den restlichen 4 Millionen steht ein Wechsel in andere Berufe bevor.
Daraus ergibt sich ein enormer Umschulungsbedarf in den kommenden Jahren. Die McKinsey-Berater schätzen, dass allein in den nächsten beiden Jahren rund jeder zweite Beschäftigte eine solche Umschulung benötigt.
40 Prozent der Kernkompetenzen der Angestellten müssen sich laut McKinsey in den kommenden fünf Jahren ändern. Das Beratungsunternehmen rät Firmen daher, ihre derzeitigen Lernbudgets zu verdoppeln und sich stärker für Umschulungen innerhalb der eigenen Belegschaft einzusetzen. Das werde sie auch besser auf künftige Disruptionen vorbereiten.
Die Beschäftigten in Deutschland müssen sich in diesem Jahrzehnt auf massive Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt einstellen.
(Quelle: McKinsey )

Kosten sparen mit Umschulungen

Außerdem lassen sich auf diese Weise auch Kosten einsparen. Das Marktforschungsunternehmen Galupp hat errechnet, dass ein Unternehmen im Schnitt die eineinhalb- bis zweifache Summe aufwenden muss, um einen bisherigen Mitarbeiter durch eine neue, vermeintlich besser geeignete Fachkraft zu ersetzen. Es ist also oft kostengünstiger, die vorhandenen Mitarbeiter umzuschulen und sie neu zu qualifizieren. Dafür eignen sich Seminare, Webinare oder E-Learning-Plattformen.
Ein Beispiel für eine solche Plattform ist die Anfang Dezember vergangenen Jahres gestartete freie Programmierschule 42 Berlin. Das vielversprechende Projekt wurde unter anderem von Bayer, Capgemini, der Deutschen Telekom, Microsoft, SAP und Volkswagen mit Millionenbeträgen gefördert, die sich davon neue beziehungsweise besser ausgebildete Fachkräfte erhoffen.
Enzo Weber
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Foto: IAB/Michael Bode
„Ohne einen massiven Ausbau der Qualifizierung werden wir die Zukunft nicht meistern.“
42 Berlin wird von einem gemeinnützigen Träger­verein organisiert, der interessierten und motivierten Studie renden den gebührenfreien Zugang zu einer modernen IT-Schule bietet.

Sorgen der Belegschaft

Engagement beim Upskilling ist eine Möglichkeit, den eigenen Job und damit das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Die Sorge um den Arbeitsplatz beschäftigt immer mehr Menschen. Laut einer von der Marktforschungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers weltweit durchgeführten Umfrage unter 32.500 Angestellten befürchten mittlerweile rund 60 Prozent, dass die zunehmende Automatisierung ihre Arbeitsplätze gefährdet. 48 Prozent glauben sogar nicht mehr, dass es in Zukunft noch traditionelle Arbeitsplätze geben wird. Stattdessen werde man seine Fähigkeiten kurzfristig an diejenigen Firmen verkaufen müssen, die sie gerade benötigen. 39 Prozent sind überzeugt, dass ihr jetziger Arbeitsplatz in fünf Jahren überflüssig geworden sein wird.
Viele Angestellte wollen sich daher selbst weiterqualifizieren und sind offen für Upskilling-Angebote durch ihre Arbeitgeber oder sie sind bereit, sich in eigener Initiative an Schulen wie 42 Berlin zu bewerben. 40 Prozent der von Pricewaterhouse Coopers befragten Teilnehmer gaben an, ihre digitalen Skills während der Corona-Pandemie bereits verbessert zu haben. 77 Prozent wollen weiter neue Fähigkeiten erwerben oder sich sogar beruflich komplett neu orientieren. Den Unternehmen kommt zudem zugute, dass drei von vier Befragten angaben, das Training selbst in die Hand nehmen zu wollen – und das auch als Teil ihrer persönlichen Verantwortung einschätzen.
Michael Theurer
Staatssekretär im Bundes­ministerium für Digitales
und Verkehr
Foto: Bundesregierung / Steffen Kugler
„Es braucht eine Bereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, diese Aufgaben gemeinsam zu meistern.“
„Ohne einen massiven Ausbau der Qualifizierung werden wir die Zukunft nicht meistern“, erklärte Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vergangenen Oktober auf der von der Personalberatung PEAG organisierten Veranstaltung „Personal­debatte zum Frühstück“. Immerhin habe sich in diesem Bereich aber schon einiges getan. Trotzdem müsse man „noch proaktiver werden, kontinuierlicher qualifizieren und nicht erst dann, wenn sich Defizite zeigen“. Entscheidend sei, in Zukunft die traditionelle Erstausbildung mit einer fortlaufenden Weiterbildung zu verbinden. „Zweitausbildungsförderung muss ein normaler Teil des Bildungssystems werden“, so Weber.
Auf derselben Veranstaltung betonte Michael Theurer (FDP), Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, dass Unternehmen sich dafür nicht nur auf den Staat verlassen dürften. „Es braucht eine Bereitschaft von Arbeitgebern und auch Arbeitnehmern, dass wir diese Aufgaben gemeinsam meistern.“ Er bemühte dafür sogar den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, der sinngemäß gesagt hat: „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann – frag, was du für dein Land tun kannst.“
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