Mobile Endgeräte richtig verwalten

„Es mangelt an einer echten mobilen Strategie“

von - 23.03.2016
Wolfgang Schwab
Wolfgang Schwab
Lead Advisor Platforms
www.experton-group.de

Interview

Wolfgang Schwab, Lead Advisor Platforms & Infrastructure bei Experton, befasst sich mit der Zukunft des Arbeitsplatzes. Im Interview erklärt er, welche Rolle mobile Endgeräte dabei spielen und welche Fehler Unternehmen beim Management der Geräte machen.
com! professional: Herr Schwab, Sie arbeiten gerade am Digital Workspace Vendor Benchmark 2016, dem thematisch erweiterten Nachfolger des Mobile Enterprise Vendor Benchmark 2015. Wie hat sich der Markt seit der Untersuchung im vergangenen Jahr verändert?
Wolfgang Schwab: Das können wir noch nicht abschließend sagen. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass sich die Ausrichtung der Unternehmen verändert. Sie betrachten Mobility nicht mehr isoliert, sondern als Teil einer ganzheitlichen Arbeitsplatzstrategie. Das ist ein relativ neuer Ansatz, der wahrscheinlich auch zielführender ist, als Desktop-Clients und mobile Endgeräte getrennt zu behandeln.
com! professional: Heißt das, Unternehmen setzen auf eine virtuelle Desktop-Infrastruktur, auf die mit mobilen und stationären Endgeräten gleichermaßen zugegriffen werden kann?
Schwab: Nein, das funktioniert noch nicht. Wonach Unternehmen zunächst suchen, ist eine einheitliche Management-Plattform, mit der man alle Endgeräte aus einer Oberfläche heraus verwalten, Apps zur Verfügung stellen und Rechte rollenbasiert vergeben kann. Wichtig ist auch ein ordentlicher Workflow für Bestellung, Freigabe und Provisionierung von Tools und Funktionen.
com! professional: Gibt es diese Lösungen schon?
Schwab: Das Angebot ist derzeit noch sehr überschaubar. Matrix42 wäre hier zu nennen, AirWatch ist auf dem besten Weg dorthin und auch MobileIron bietet solche Funktionen in gewissem Umfang.
com! professional: Ist diese ganzheitliche Strategie nicht etwas überambitioniert? Viele Unternehmen im Mittelstand haben ja noch nicht einmal ein vernünftiges Enterprise Mobi­lity Management implementiert.
Schwab: Nicht nur im Mittelstand, auch bei den großen Konzernen gibt es immer noch viele, die ihre mobile Infrastruktur gar nicht oder nur halbherzig managen. Das ist brandgefährlich. Ich habe letztlich keine Kontrolle über die Endgeräte und weiß nicht, was darauf passiert.
com! professional: Warum ignorieren Unternehmen diese offensichtlichen Gefahren?
Schwab: Weil es nach wie vor an einer echten mobilen Strategie mangelt. Es ist außerdem bisher relativ wenig passiert, sodass sich die Unternehmen in falscher Sicherheit wiegen.
com! professional: Spielt es auch eine Rolle, dass der Markt recht unübersichtlich ist?
Schwab: Ich weiß nicht, ob der Markt so unübersichtlich ist. Es gibt vielleicht 30 ernst zu nehmende Firmen, der Rest sind Nischenanbieter mit einem sehr eingeschränkten Portfolio, die im einen oder anderen Fall vielleicht die richtige Lösung haben.
com! professional: Nach welchen Kriterien sollte man eine EMM-Plattform auswählen?
Schwab: Man kann natürlich einen Feature- und Kostenvergleich (Software- und Integrationskosten) durchführen – falls man eine mobile Strategie hat, sollte man dies auch tun. Für alle anderen, und das sind die meisten, gilt, dass man mit den großen Anbietern nicht viel falsch macht. Unterm Strich sind die Kleineren mit wenigen Ausnahmen auch nicht wesentlich güns­tiger. Bei den Marktführern kann ich mir außerdem relativ sicher sein, dass sie auch in zwei oder drei Jahren noch existieren. Ein EMM-Tool einzuführen ist zwar nicht der Riesenaufwand, aber wenn man den Anbieter wechseln muss, weil dieser den Markt verlässt, sind die Kosten nicht unerheblich.
com! professional: Im EMM-Markt gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Übernahmen. So hat etwa VMware AirWatch gekauft und Blackberry Good Technologies. Gehen Sie davon aus, dass die Konsolidierung weitergehen wird?
Schwab: Auf jeden Fall. Es gibt definitiv zu viele Player, als dass alle überleben könnten. Dazu kommt, dass vor allem im Bereich Mobile Device Management die wenigsten Anbieter Gewinne machen. Sie müssen alle mehr oder weniger schnell ihr Portfolio auf Enterprise Mobility Management erweitern, aber ob das ausreichend ist, das wage ich zu bezweifeln.
com! professional: EMM-Lösungen werden gern unterteilt in MDM, MAM, MCM oder MIM. Ist diese Kategorisierung noch zeitgemäß?
Schwab: Letztlich nicht, das werden wir in diesem Jahr auch nicht mehr so machen. EMM insgesamt beziehungsweise die Teilsegmente MDM und MIM kann man betrachten. Alles andere macht keinen Sinn, zumal es ohnehin immer die gleichen Lösungen sind, nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln gesehen.
com! professional: Im Vendor Benchmark 2015 haben Sie bemängelt, dass viele Unternehmen keine klare Entscheidung treffen zwischen Bring Your Own Device (BYOD) und der Beschränkung auf unternehmenseigene Geräte. Hat sich das verändert?
Schwab: Von BYOD haben sich die meisten verabschiedet, weil das steuertechnisch schwierig ist und Haftungsfragen nach wie vor ungeklärt sind. Der Trend geht eher in Richtung Choose Your Own Device, zumindest was rein mobile Endgeräte wie Smart­phones und Tablets betrifft. Es wird in den meisten Unternehmen allerdings stillschweigend geduldet, dass Mitarbeiter ihre eigenen Geräte mitbringen. Mit der richtigen Management-Software, die den privaten vom geschäftlichen Bereich trennt, ist das auch kein Problem.
com! professional: Sie hatten auch vorhergesagt, dass 2015 das Jahr werde, in dem Unternehmen ein ganzheitliches Rollenkonzept für mobiles Arbeiten einführen werden. Ist das eingetreten?
Schwab: Von der Unternehmens-IT haben wir wenig Aktivität in diesem Bereich gesehen. Aus den Fachabteilungen kamen dagegen viele Impulse, allerdings weniger mit einer strategischen Ausrichtung, sondern eher mit dem pragmatischen Ziel, vernünftig arbeiten zu können.
com! professional: Sie prognostizieren für 2016, dass die Digitalisierungswelle auch einen massiven Einfluss auf die mobile Strategie eines Unternehmens haben wird. Wie meinen Sie das?
Schwab: Am herkömmlichen Arbeitsplatz wird sich wenig ändern, aber in Bereichen, in denen Mobilität ein entscheidendes Kriterium ist, wird sich einiges tun, etwa im Vertrieb, im Service oder in der Lagerlogistik. Wer hier mithalten will, wird um eine mobile Strategie zumindest in Teilbereichen nicht herumkommen.
com! professional: Wer treibt diesen Strategiewechsel voran?
Schwab: Nicht unbedingt die IT-Mitarbeiter. Wir sehen es relativ häufig, dass es neben der klassischen IT einen eigenständigen Bereich mit einem Chief Digital Officer gibt, der für die Digitalisierung zuständig ist. Diese CDOs haben oft weitreichende Befugnisse, in die IT-Strategie einzugreifen.
com! professional: Heißt das, die klassische IT wird entmachtet?
Schwab: Es ist sogar noch schlimmer. Die klassische IT darf die „langweiligen“ Altsysteme betreiben, und alles was innovativ und spannend ist, machen die neuen ITler. Wenn man sich ansieht, wie passiv sich die klassischen IT-Abteilungen in den vergangenen fünf bis sechs Jahren im Mobile-, aber auch im Cloud-Umfeld verhalten haben, ist das auch kein Wunder.
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