Der industrielle 3D-Druck wird erwachsen

Personalisierte Produkte

von - 12.04.2018
Der 3D-Druck bietet sich aber nicht nur im Hightech-Bereich an. Auch bei Produkten, die im Alltag benötigt werden, ermöglicht die additive Fertigung ganze neue Angebote. So arbeitet beispielsweise der Hörgerätehersteller Phonak bereits seit 2000 mit Materialise zusammen. Die beiden Unternehmen stellen individuell an den jeweiligen Hörkanal angepasste Hilfen her, die von außen kaum mehr zu entdecken sind und die eingehenden Geräusche ver­stärken.
Auf ähnliche Weise sollen künftig auch personalisierte Brillengestelle hergestellt werden, bei denen die eingesetzten optischen Gläser optimal an den Bedürfnissen des Trägers ausgerichtet werden können.
Materialise arbeitet zudem mit weiteren Herstellern wie dem Sportartikelspezialisten Adidas zusammen, um künftig sogar personalisierte Schuhe produzieren zu können. Eric Liedtke, Mitglied des Aufsichtsrats von Adidas, erklärt es so: „Dank unserer mit 3D-Druck gefertigten Mittelsohle können wir den Anforderungen jedes einzelnen Sportlers gerecht werden.“
Eric Liedtke
Eric Liedtke
Mitglied des Aufsichtsrats
von Adidas
www.adidas.de
„Dank unserer mit 3D-Druck gefertigten Mittelsohle können wir den Anforderungen jedes einzelnen Sportlers gerecht werden“.
Aber auch in ganz anderen Bereichen zeigen sich die Vorteile der additiven Fertigung. So stellt die 1zu1 Prototypen GmbH aus dem österreichischen Dornbirn im 3D-Drucker Teile für künstliche Augen her, mit denen Mediziner Operationen üben können. Bislang verwendet man hierfür meist noch Augen von Schweinen.

Fazit

2002 gründete der US-Physiker Neil Gershenfeld das erste „Fablab“, das auch Privatpersonen einen Zugang zur 3D-Produktion ermöglichen sollte. Seine Vision gipfelte in der These, ein „Personal Fabricator“ könne „alles durch die Kombination von Atomen herstellen inklusive sich selbst“. So weit ist die Technik der additiven Fertigung natürlich noch nicht, auch wenn sie große Fortschritte gemacht hat. So ist der industrielle 3D-Druck auf dem besten Weg, seine Nische zu verlassen. Verbesserte und teils deutlich beschleunigte Verfahren sorgen dafür, dass sich die Technik nicht nur in einigen Hightech-Branchen zunehmend durchsetzt.
3D-Drucker werden immer mehr selbst zu kleinen Fabriken, die sich dezentral aufstellen und nutzen lassen. Damit können nicht nur neue Produkte entwickelt und hergestellt, es können auch Kosten für Logistik und Transport eingespart werden.
Fünf Irrtümer über 3D-Druck
Wolfgang Grassl, Partner, Operations Consulting bei KPMG Deutschland, stellt die Frage, ob die additive Fertigung überschätzt wird oder ob die neue 3D-Technologie tatsächlich die Produktion drastisch verändern kann. Dazu hat er fünf Irr­tümer über das Drucken in 3D zusammengetragen.
1. Der 3D-Druck wird wichtig, aber die Welt nicht revolutionieren: Nach Ansicht von Wolfgang Grassl trifft diese Aussage nicht zu, weil die „dahinter liegenden Prozesse alles auf den Kopf stellen, was wir bisher genutzt haben“. Ob es aber bereits in zwei oder erst in fünf Jahren so weit sein wird, „darüber können wir streiten.“
2. Es reicht völlig aus, sich einen 3D-Drucker zu kaufen und damit Produkte zu drucken: Auch dieser Aussage mag Grassl nicht zustimmen. Wenn man den „wahren Wert der Technologie in Gänze nutzen“ wolle, sei mehr Aufwand nötig. Der 3D-Druck führe von einer verrichtungsorientierten zu einer kundenorientierten Arbeit.
3. Die Technik ist noch nicht so weit: Die Drucker bringen es noch nicht auf höhere Stückzahlen. Fakt sei, dass die Geschwindigkeit und die Genauigkeit der Drucker stetig zunehme. Man dürfe „nicht mehr nur in herkömmlichen Weiterentwicklungs­zyklen denken“. Es gebe völlig neue Möglichkeiten, die Entwicklung schneller zu machen.
4. Es genügt, die Prozesse im Unternehmen für Additive Manu­facturing zu vernetzen: Wolfgang Grassl ist überzeugt, dass die Veränderungen „viel umfassender“ sein werden. Es werde neue Geschäftsmodelle geben, andere würden verschwinden oder müssten sich verändern.
5. Die Veränderungen machen vielen Angst, sie wollen deswegen nicht mitmachen: Grassl sieht den anstehenden Wandel als Chance. Bei aller Veränderung bleibe der „Mensch im Mittelpunkt“. Manche Geschäftsmodelle würden vielleicht verschwinden, doch andere würden bleiben und gut ausgebildete Spezialisten würden in der Fertigung weiterhin benötigt.
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