ERP-Systeme lernen mit KI dazu

Chronischer Datenmangel

von - 24.09.2019
Künstliche Intelligenz benötigt möglichst viele Daten, um sinnvoll arbeiten zu können. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen stehen hier vor einem Problem. Zudem sind KI-Lösungen heute keine Out-of-the-Box-Lösungen und müssen individuell konzipiert und programmiert werden. Das ist kostspielig und lässt vor allem kleinere Unternehmen zögern. Dazu kommt: Nicht allein auf die Menge kommt es an. Schlechte Daten führen zu schlechten Ergebnissen.
„Die Größe spielt sicherlich eine Rolle, aber noch viel mehr die Typologie des Unter­nehmens“, betont ProAlpha-Geschäftsführer Michael Finkler. Ein Großserienfertiger habe eine völlig andere Datenbasis als ein Sondermaschinenhersteller. Der Großserienfertiger bearbeite, auch als kleines Unternehmen, meist eine sehr große Zahl von Aufträgen, während es beim Sondermaschinenfertiger vielleicht nur fünf Aufträge im Jahr seien. Das reiche nicht immer für eine sinnvoll nutzbare Datenbasis.
Godelef Kühl
Gründer und Vorstands­vorsitzender bei Godesys
www.godesys.de
Foto: Godesys
„In den allermeisten Anwendungsfällen reichen die Datenmengen des ERP für einen erfolgreichen Einsatz von KI-Technologien nicht aus.“
„Eine große Herausforderung für die Unternehmen besteht darin, genügend Daten in passender Qualität verfügbar zu machen“, so Finkler. Zum Beispiel nutzten viele Unternehmen bis heute Maschinen, die nicht mit ausreichender Sensorik ausgestattet sind. Dies sei jedoch notwendig, um die Daten in benötigter Menge erheben und auswerten zu können. „Für ERP-Anbieter gilt: Ihre Systeme müssen die KI-gestützten Prozesse integrieren und die geeigneten Algorithmen zur Verfügung stellen. Hier lohnt sich meist die Nutzung der cloudbasierten IoT-Plattformen, die sowohl verschiedene Algorithmen als auch große Rechenleistung für das Training der Modelle und für die Analyse der Daten mitbringen.“
Für Sage-Mann Oliver Henrich ist die Datenspeicherung ein zentrales Problem. „Die meisten KMUs verfügen in der Regel in Summe über ausreichend Datenmaterial, um damit auf Basis von KI und Machine Learning entsprechende Analysen durchführen zu können. Oft liegen diese Informationen aber nicht in einer einheitlichen Datenbank vor, da etwa für die Steuerung der Produktion, die Lagerverwaltung und den Einkauf Insellösungen, also eigenständige Systeme mit voneinander getrennten Datenbanken im Einsatz sind.“ Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von KI und Machine Learning ist also die Migration aller vorhandenen ERP-Daten in eine konsolidierte Datenbank.
„Es gibt keine größere Verschwendung als das Falsche richtig gut zu machen“, so Godelef Kühl. In den allermeisten Anwendungsfällen reichten die Datenmengen des ERP für einen erfolgreichen Einsatz intelligenter Technologien schlicht nicht aus und er kenne kaum Anwender, die bereit seien, ihre Daten zu teilen. „Vor allem fehlt ihnen noch die Einsicht, dass sie vom Teilen ihrer Daten selber profitieren.“ Hier werde die Zeit aber die richtige Antwort geben. „Schade ist nur, dass die meisten erst dann aufwachen, wenn sich Wettbewerber bereits signifikante Vorsprünge erarbeitet haben.“
Für Oracle-Manager Wagner stellt die Datenbasis kein nennenswertes Problem dar: „Aus der Praxis wissen wir, dass selbst ein kleines Start-up mit wenigen Mitarbeitern eine Datenmenge hervorbringen kann, die diejenige von mittelständischen Unternehmen weit übertrifft. Aber grundsätzlich ist auch eine kleine Datenbasis kein Kriterium, das die Nutzung von Machine Learning ausschließt. Fehlen wichtige Entscheidungsgrundlagen, bietet Oracle auch Data as a Service an, um eine ausreichend große Basis bereitzustellen.“
Bob de Caux
Vice President AI and RPA bei IFS
www.ifsworld.com/de
Foto: Kurt Rebry Photo

Interview

„Hocheffizient am Markt vorbei­produzieren“
Künstliche Intelligenz erobert das ERP-Umfeld. Bob de Caux,
Vice President AI and RPA beim Business-Software-Anbieter IFS, erklärt im Interview, was das für die Unternehmen bedeutet.
com! professional: Wie passen ERP und KI zusammen?
Bob de Caux: ERP-Systeme bieten strukturierte Datensätze, die sich hervorragend für Machine Learning eignen. Das gilt beispielsweise für Predictive Maintenance. So bietet sich die Möglichkeit, die Vergangenheitsdaten von Maschinen und Anlagen mit Daten von neuen Quellen wie IoT-Sensoren zu ergänzen, wodurch sich bessere Vorhersagen über die Performance der Maschinen und Anlagen treffen lassen.
com! professional: Welche Voraussetzungen müssen die Unternehmen schaffen?
De Caux: Die Unternehmen können zwar auch durch KI von der Stange wertvolle Einblicke gewinnen, den größten Nutzen ziehen sie aber aus Modellen, die auf ihr individuelles Geschäft und ihre individuellen Daten abgestimmt sind. Deshalb müssen sie gut funktionierende Verfahren für die Speicherung und Aufbereitung ihrer historischen Daten aufbauen – und sie müssen verstehen, wie die Ergebnisse dieser Modelle ihr Geschäft beeinflussen.
com! professional: Welche Gefahren drohen bei mangel­hafter Umsetzung?
De Caux: Ein Unternehmen kann die effizientesten Produktionsabläufe haben, wenn aber seine Bedarfsprognosen schlecht sind, nutzt ihm das wenig, weil es dann einfach nur hocheffizient am Markt vorbeiproduziert.
com! professional: Sind autonome ERP-Systeme, die Unternehmensprozesse selbstständig managen, Science-Fiction?
De Caux: Wir können schon jetzt Geschäftsprozesse sehen, die vollständig automatisiert sind. Grundsätzlich ist das aber nicht nur durch eine der modernen Technologien wie KI, IoT oder RPA möglich, sondern durch ihr Zusammenwirken. Manche Geschäftsprozesse sind dafür geeigneter als andere. Obwohl wir künftig deutlich mehr Automatisierung sehen werden, wird deshalb auch weiterhin noch an sehr vielen Stellen menschliches Eingreifen erforderlich bleiben.
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