Digitaler Wandel braucht Change-Management

Change Agents

von - 06.03.2020
Organizational-Dexterity-Modell
Organizational-Dexterity-Modell: Das Beratungsunternehmen Capgemini sieht bei einem Veränderungsprozess Handlungsbedarf in vielen Unternehmensbereichen.
(Quelle: Capgemini, „Auf dem Sprung - Wege zur Organizational Dexterity“, 2019)
Hilfreich sind in jedem Fall sogenannte Change Agents. Sie sind Förderer des Veränderungsprozesses und quasi Verbündete der Unternehmensführung. Die Aufgabe dieser Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen ist es, aufgrund ihrer Integrität, Glaubwürdigkeit oder Position im Unternehmen andere Mitarbeiter von den anstehenden Veränderungen zu überzeugen. Dazu tauschen sie sich regelmäßig mit den Kollegen aus und leiten entsprechende Workshops - oder hören einfach zu, wenn es irgendwo hakt. Die Change Agents sind also die Schnittstelle zwischen den Mitarbeitern und der Führungsetage. Dazu gehört auch, dass sie die Stimmung in den einzelnen Abteilungen aufgreifen, auf gut Deutsch: die Gerüchteküche ein wenig unter Kontrolle halten.
„Change Agents sind wichtige Multiplikatoren und Promotoren im Veränderungsprozess“, bestätigt Ursula Bohn von Capgemini. Häufig sei es logistisch einfach nicht machbar, die gesamte Organisation an einer Veränderung zu beteiligen. Über Change Agents habe man einen Skalierungseffekt, da diese Mitarbeiter die Brücke zwischen Veränderungsprojekt und restlicher Belegschaft schlagen könnten. Sie betont dabei, dass ein wichtiger Erfolgsfaktor das Prinzip Freiwilligkeit sei. Und: „Change Agents sind umso wirkungsvoller, wenn sie selbst bereits vom Erfolg und den Zielen der Veränderung überzeugt sind.“
Die Erfolg solcher Change Agents steht und fällt damit, dass sie von den Mitarbeitern akzeptiert werden. Wenn das nicht der Fall ist und sie beispielsweise als „Maulwürfe“ betrachtet werden, dann sollte man besser auf sie verzichten und ausschließlich direkt mit den betroffenen Mitarbeitern kommunizieren. „Wenn Sie es schaffen, einzelne Mitarbeiter als Fürsprecher für die Veränderung zu gewinnen, dann kämpfen Sie nicht allein auf breiter Front“, so Jörg Patrick von Cosmo Consult. Von der Veränderung überzeugte Mitarbeiter hätten großen Einfluss auf ihre Kollegen, da sie nicht aus Sicht des Managements kommunizieren und agieren.
Jörg Patrick
Jörg Patrick
Senior Consultant bei ­Cosmo Consult
https://
de.cosmoconsult.com
Foto: Cosmo Consult
„Es ist wichtig, den Menschen zu er­klären, warum Entscheidungen getroffen wurden und warum Projekte durchgeführt werden.“

Hilfe von außen

Doch trotz aller verfügbaren Instrumente - Jennifer Reckow vom BDU betont, dass es auch eine enorme Kompetenz brauche, um sie anzuwenden. Angesichts der Vielzahl an Veränderungen, die Unternehmen heute gleichzeitig zu bewältigen hätten, und der Höhe der Budgets, die in Veränderungsprojekte flössen, sei es umso erstaunlicher, dass 62 Prozent der Unternehmen keine ausgebildeten Change-Management-Teams einsetzen.
Zu diesem Ergebnis kommt die „Change-Fitness-Studie 2018/2019“, die das Beratungsunternehmen Mutaree in Zusammenarbeit mit dem Institut für Entwicklung zukunfts­fähiger Organisationen der Universität der Bundeswehr in München durchgeführt hat.
„Wenn die entsprechende Kompetenz im Unternehmen vorhanden ist, spricht nichts gegen die interne Begleitung der Veränderung“, so die Meinung von Jörg Patrick von Cosmo Consult. Allerdings sei Unvoreingenommenheit hier extrem wichtig. Vielfach seien interne Mitarbeiter jedoch durch ihre Unternehmenszugehörigkeit befangen und täten sich schwer, unabhängig zu agieren. „In so einem Fall empfiehlt es sich, einen externen professionellen Change-Manager hinzuzuziehen.“
Der Blick von außen unterstützt in jedem Fall dabei, eingefahrene Muster zu erkennen und sich nicht von der vorherrschenden Kultur vereinnahmen zu lassen. Den Status quo infrage zu stellen ist in vielen Fällen als Externer sicherlich leichter und wird eher akzeptiert. „Internes Change-Management kann jedoch genauso wirksam sein, wenn die Rolle des internen Change-Managers initial geklärt ist und intern die Erlaubnis gegeben wird, kritische Fragen zu stellen“, so Ursula Bohn. Interne Change-Manager müssten in der Lage sein, eine neutrale beziehungsweise „externe“ Perspek­tive einzunehmen, um unvoreingenommen eine Situation bewerten zu können.

Fazit & Ausblick

Digitale Gesamtstrategie
(Quelle: CGI Global Insights )
Die Herausforderungen für Unternehmen lassen sich prägnant so zusammenfassen: Stillstand bedeutet Rückschritt - oder im schlimmsten Fall ein Verschwinden von der Bildfläche. Wichtig ist also, dass Unternehmen rechtzeitig erkennen, wann der Moment für Veränderungen gekommen ist. Nicht weniger wichtig ist, dass man dann auch zeitnah handelt und den Wandlungsprozess in Angriff nimmt.
So wie es der Fotodienstleister CEWE getan hat. Dort war in den frühen 1990er-Jahren die Idee des Foto-Index der Anfang eines umfassenden Digitalisierungsprozesses: Kunden sollten nicht länger für eine Nachbestellung von Fotos umständlich die Negative ansehen müssen. Hier sollte der neue Foto-Index helfen - beim Entwickeln von Bildern wurden diese zusätzlich als kleine Vorschaubilder gedruckt.
Was sich wie eine kleine Neuerung anhört, war in der Umsetzung gar nicht so einfach. Denn seitens der Maschinenhersteller bekam CEWE keine Unterstützung - also implementierte der Fotodienstleister den Foto-Index in Eigenregie in die vorhandenen Maschinen. Dieses erste digitale Produkt schuf einen Wettbewerbsvorteil und zugleich wurde die Offenheit für Neues intern gefördert. Den großen Durchbruch brachte dann das eingangs erwähnte Fotobuch.
Laut Reiner Fageth, Vorstandsmitglied bei CEWE, haben die Mitarbeiter auf diesen damals recht mutigen Schritt übrigens durchaus positiv reagiert - nicht zuletzt deswegen, weil das Unternehmen die Kolleginnen und Kollegen im Fokus hatte. „Wir haben nach der Transformation eine gute Akzeptanz gehabt“, resümiert Fageth zufrieden.
Der Rest ist Geschichte: Die analoge Fotografie ist mehr oder weniger tot - und CEWE hat sich durch eine vorausschauende Unternehmensführung und eine konsequente Digitalisierung als führender Fotodienstleister in Europa etabliert.
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