Digitaler Wandel braucht Change-Management

Knackpunkt Mitarbeiter

von - 06.03.2020
Cewe-Digitalisierung
Von der Dunkelkammer zur Digitalisierung: Mit den Fotobüchern erfand sich CEWE neu – und überstand den Untergang der analogen Fotografie.
(Quelle: CEWE)
Auch wenn die Geschäftsführung beziehungsweise der Vorstand in vielen Fällen verstanden hat, dass sich das eigene Unternehmen wandeln muss, wenn es auch künftig erfolgreich sein will - die Mitarbeiter tun sich mit Veränderungsprozessen oft genug sehr schwer. Gerade wenn es darum geht, seit Jahren bestehende Routinen zu verändern, stehen vielen Mitarbeitern die lieb gewonnenen Gewohnheiten im Weg. Während es einigen leichtfällt, neue Dinge in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren, ist das für andere eine schwierige Aufgabe. Es ist ein bisschen wie im Sport: Sich eine falsch angewöhnte Bewegung abzutrainieren ist viel schwerer, als eine neue Bewegung zu erlernen.
Jörg Patrick von Cosmo Consult weist darauf hin, dass neben den Veränderungen durch neue Prozesse auch die Unternehmenskultur einem ständigen Wandel unterworfen ist. Während noch in den 80er-Jahren eine hierarchisch geprägte Kultur mit einer starken Führungspersönlichkeit gang und gäbe gewesen sei, seien heute immer mehr Unternehmen von einer starken Eigenverantwortung der Mitarbeiter geprägt. „In einem solchen Umfeld ist es extrem wichtig, den Menschen zu erklären, warum Entscheidungen getroffen wurden und warum Projekte durchgeführt werden.“ In einer hierarchischen Unternehmenskultur würden Entscheidungen durch die Macht der Führung durchgesetzt. In einem von Eigenverantwortung geprägten Umfeld müsse der Mitarbeiter hingegen die Beweggründe der Entscheidung verstehen.
Umso wichtiger ist es, dass die Unternehmensführung anstehende Veränderungen gegenüber ihren Mitarbeitern so gut wie möglich kommuniziert. Die wichtigste Maßnahme ist es laut Stefan Ebmeyer, dass man glaubwürdig Ängste nimmt: „Keiner wird abgehängt.“ Zudem solle man offen und ehrlich den Nutzen der Veränderung für das Unternehmen und für jeden Einzelnen kommunizieren. „Das kann auch bedeuten, die Gefahren zu kommunizieren, falls man die Veränderungen nicht durchführt.“
„Veränderungen sind immer dann schwerer zu akzeptieren, wenn sie einfach übergestülpt werden, ohne dass ich selbst einen Einfluss darauf hatte, wie die Veränderung konkret ausgestaltet ist“, erläutert dazu Ursula Bohn. Ihrer Ansicht nach sollten, wo es sinnvoll ist, die Mitarbeiter aktiv in den Veränderungsprozess miteinbezogen und an der Konkretisierung der Veränderung beteiligt werden. Zusätzlich sei eine klare Ausrichtung und die Klärung des „Warum“ sehr wichtig. „Wenn mir die Hintergründe und die Zielsetzung einer Veränderung klar sind, fällt es mir leichter, auch die Strapazen und Unsicherheiten im Veränderungsprozess auszuhalten.“ Außerdem helfe es, wenn Unternehmen insgesamt eine positive innere Einstellung zur Wendigkeit etablieren - „wir nennen diese Haltung ‚Dexterity‘“. Dahinter steckt laut Bohn eine Unternehmenskultur, in der Anpassungsfähigkeit einen hohen Stellenwert hat und permanenter Wandel gewünscht ist.
Aber nicht nur die Art und Weise der Kommunikation und Einbeziehung der Mitarbeiter spielt eine Rolle dabei, wie Veränderungen aufgenommen und ob sie akzeptiert werden. Auch der richtige Zeitpunkt ist wichtig. Wann die Belegschaft als Ganze eingebunden werden soll, hängt dabei stark vom eigentlichen Projekt ab. Bei einer Restrukturierung zum Beispiel oder einer Post-Merger-Integration, also einer Unternehmensintegration nach einer Fusion, gibt es bestimmte strategische und prozessuale Rahmenbedingungen, bei der eine breite Einbindung von Tag eins an nicht zielführend ist. Wenn es jedoch darum gehe, die Innovationskraft des Betriebs zu steigern oder neue Wachstumsfelder zu erschließen, „dann ist es unerlässlich, so früh wie möglich auf die Schwarmintelligenz der Belegschaft zurückzugreifen“, betont Ursula Bohn.
Stefan Ebmeyer von LH Industry Solutions ist ebenfalls der Meinung, dass man die Mitarbeiter zum frühestmöglichen Zeitpunkt über Veränderungen informieren sollte. Es sollte dann allerdings ein Gesamtbild der Veränderungen erstellt worden sein, das es der Unternehmensleitung ermöglicht, den Be­troffenen die persönlichen Auswirkungen zu erklären. „Was nicht sein darf: Das Auflösen einer Abteilung wird kommuniziert ohne eine Aussage, was mit den betroffenen Mitarbeitern geschieht.“
Generell sind laut Ursula Bohn Kommunikationsmethoden hilfreich, die einen Dialog und Austausch zulassen. Wie bei vielem sei bei Kommunikation Augenmaß gefragt: „Lieber wenige, gezielte Maßnahmen planen, die dann wirklich relevant für die jeweilige Zielgruppe sind, als eine Dauerbeschallung mit irrelevanten oder nicht zielgruppengerechten Informationen.“ Zusätzlich sei es wichtig, dass egal in welcher Form, Kommunikation authentisch bleibe. Sobald dies nicht mehr der Fall sei, könne das negative Auswirkungen auf das Betriebsklima haben.
Andrea Schmitz
Andrea Schmitz Director Consulting Services bei CGI
www.de.cgi.com/de
Foto: CGI
„Change-Management ist keine ‚Rocket Science‘. Die Grundzüge sind schnell erklärt und sehr eingängig. Die Krux liegt in der Umsetzung: zur richtigen Zeit das Richtige tun.“
Andrea Schmitz hält das Thema Kommunikation zwar ebenfalls für wichtig, stellt aber auch klar: „Change-Management ist keine ‚Rocket Science‘. Die Grundzüge sind schnell erklärt und sehr eingängig. Die Krux liegt in der Umsetzung: zur richtigen Zeit das Richtige tun.“ Hier seien Gespür und gutes Handwerkszeug nötig. Die Kommunikation sollte so früh wie möglich, das heißt, sobald es etwas zu kommunizieren gibt, stattfinden. Auch Fingerspitzengefühl sei gefragt. Unternehmen sollten die berühmte Gerüchteküche mit ihren unkalkulierbaren Einflüssen auf den komplexen Informationsfluss im Unternehmen am besten erst gar nicht zum Brodeln bringen - „Vertrauen ist hier das Zauberwort.“
Bei aller Notwendigkeit der Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern - besser als zu informieren ist es, wenn man die Belegschaft aktiv in den Veränderungsprozess miteinbezieht. Das kann beispielsweise mit Hilfe von Workshops erfolgen, in denen die Unternehmensleitung und die Mitarbeiter gemeinsam Lösungen für anstehende Veränderungen er­arbeiten.
Ursula Bohn hält das Vorgeben klarer Linien seitens der Unternehmensführung und derartige Workshops für gleich relevant, da sie jeweils unterschiedliche Ebenen der Veränderung adressieren. „Ohne eine klare Zielausrichtung und eine gemeinsame Vision sowie eine Führungsmannschaft, die top-down hinter der Veränderung steht, ist es sehr schwer, ein Veränderungsprojekt erfolgreich umzusetzen“, so ihr Resümee. Die Vision könne aber bereits in einem Beteiligungsprozess in einer größeren Runde erarbeitet werden. Dies stärke den Rückhalt für das Veränderungsprojekt. Sobald die Rahmenbedingungen feststünden, könne die Ausgestaltung der Veränderungen dann sehr wohl bottom-up gestaltet werden, wenn der Projektfokus dies zulasse. Zielgruppen und relevante Stakeholder würden dabei aktiv in die Erarbeitung von Lösungen eingebunden.
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