Digitaler Wandel braucht Change-Management

Notwendige Veränderungen

von - 06.03.2020
Verantwortlichkeit für das Change-Management
Zuständig für den Wandel: In den meisten Fällen ist eine eigene Digitalisierungseinheit beziehungsweise die Unternehmensführung verantwortlich.
(Quelle: Tata Colsultancy Services (TCS)/Bitkom Research, "Gelassen zur Digitalisierung: Wie sich deutsche Unternehmen in der neuen Zeit oirientieren", 2019 (n = 953))
Ohne Veränderungen geht es also nicht. Da wundert es nicht, dass „Change-Management“ zur Zeit zu den besonders beliebten Schlagwörtern gehört. Und das zu Recht: „Momentan gibt es kein wichtigeres Thema“, konstatiert Andrea Schmitz, Director Consulting Services beim IT-Beratungsunternehmen CGI. Für die digitale Transformation sei gutes Change-Management unverzichtbar. Einer Kundenumfrage von CGI zufolge haben zwar bereits 57 Prozent der Führungskräfte weltweit eine digitale Gesamtstrategie für ihr Unternehmen - doch lediglich in 10 Prozent der Unternehmen war diese bisher auch erfolgreich.
Die Bedeutung des Veränderungsmanagements betont auch Stefan Ebmeyer, Leiter Project Management Excellence beim IT-Dienstleister Lufthansa Industry Solutions: „Der digitale Wandel geht in der Regel mit umfangreichen Organisations- und Prozessänderungen einher. Um diese erfolgreich und mitarbeiterverträglich durchzuführen, ist ein professionelles und frühzeitiges Change-Management erforderlich.“ Auch jede andere Art von Organisations- und Prozessänderungen erfordere ein solches Management. Als Beispiel nennt Ebmeyer Fusionen.
Doch was genau hat man nun unter Change-Management, dem Managen von Veränderungen, zu verstehen? Eine allgemein gültige Begriffsbestimmung gibt es nicht. Die Fachliteratur liefert zwar zahlreiche Definitionen, diese beleuchten aber oft einen ganz bestimmten Aspekt. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei Change-Management um einen Prozess, in dem die Unternehmensführung und die Mitarbeiter sich sowohl auf absehbare als auch auf unvorhergesehene Änderungen einstellen. Das bedeutet, Strukturen, Prozesse und Verhaltensweisen eines Unternehmens zu überdenken und bei Bedarf tief greifend zu verändern. Ursula Bohn, Leiterin des Bereichs Organizational Dexterity bei Capgemini, formuliert es so: „Change-Management ist ein zentrales Element bei der Bewältigung des digitalen Wandels. Der Erfolg einer digitalen Transformation hängt maßgeblich davon ab, wie die Menschen diese Transformation erleben und mitgestalten können.“
Ursula Bohn
Ursula Bohn
Leiterin des Bereichs Organizational Dexterity bei Capgemini Invent in Deutschland
www.capgemini.com/de-de/new-change-deal
Foto: Capgemini
„Change-Management ­unterstützt dabei, eine Einstellungsänderung herbeizuführen, indem auch die zuweilen ­anstrengenden oder schmerzhaften Schritte auf dem Weg zum ­Veränderungsziel als wertvolle Lernchance ­gesehen werden.“
Wenn von Change-Management die Rede ist, meine dies „die Planung und Durchführung aller Aktivitäten, die die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter auf die zukünftige Situation vorbereiten und ihnen die möglichst optimale Umsetzung der veränderten Anforderungen ermöglichen“, ergänzt Sonja Audorf, IT-Business-Architektin beim IT-Systemhaus Bechtle Hannover. „Change-Management bedeutet, Veränderungsprozesse auf Unternehmens- und persönlicher Ebene zu planen, zu initiieren, zu realisieren, zu reflektieren und zu stabilisieren.“ Das Spektrum der Veränderungsinhalte reiche dabei von der strategischen Ausrichtung bis zur Durchführung von Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung der Mit­arbeiter.
Change-Management ist nicht nur ein geeignetes Instrument, um den vielfältigen Anforderungen der Digitalisierung zu begegnen, sondern es leistet noch viel mehr, wie Ursula Bohn erklärt. Veränderung sei immer die Möglichkeit, zu lernen - als Organisation, als Team oder als Individuum. „Change-Management unterstützt dabei, eine Einstellungsänderung herbeizuführen, indem die zuweilen anstrengenden oder schmerzhaften Schritte auf dem Weg zum Veränderungsziel als wertvolle Lernchance gesehen werden“, so Bohn weiter.
Auch Stefan Ebmeyer von LH Industry Solutions ist davon überzeugt, dass so gut wie kein Unternehmen am Change-Management vorbeikommt: „Erfolgreiche Unternehmen ohne ein starkes Change-Management kann man sich nur in aktuell gering volatilen Branchen wie Kunst und Kultur vorstellen.“ Change-Management habe heute eine extrem hohe Bedeutung, weil die Veränderungen im Rahmen des digitalen Wandels nicht einfach nur Prozesse ändern, sondern diese zum Teil ganz wegfallen lassen und neue Geschäftsmodelle und Prozesse entstehen lassen. „Komplette Abteilungen und Mitarbeiter-Profile können überflüssig werden.“
Ein klassisches Veränderungsprojekt ist etwa die Einführung agiler Strukturen und eines agilen Mindsets. „Gemeint ist damit die strikte Ausrichtung auf den Kundennutzen sowie eine transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit“, so Andrea Schmitz von CGI. Das möge auf den ersten Blick einfach klingen, sei aber mit einem kompletten Umdenken und der Überwindung vieler Ängste und alter hierarchischer Denkansätze verbunden.
Auch die Einführung von cloudbasierter Technologie und die damit verbundenen Veränderungen in der Verantwortung, die sich durch das gesamte Unternehmen ziehen, können ein Fall für Change-Management sein. Hier entstehe, so Schmitz, ein vollständig neues Ökosystem mit neuer Partnerlandschaft und neuen Aufgabenbereichen, in das die klassischen Silos in der IT nicht mehr passen.

Die Zeit läuft …

Lange hatten Unternehmen jede Menge Zeit, um sich auf Veränderungen einzustellen -  wenn es überhaupt Veränderungen gab. Ein gutes Beispiel ist der Bankensektor: Während bis in die 2000er-Jahre hinein das Geschäft für Kreditinstitute praktisch über Jahrzehnte hinweg eher unspektakulär und ohne große Überraschungen verlief, tauchten Anfang der 2010er-Jahre die ersten Fintechs wie N26 auf dem Markt auf. Diese mischen seither die Finanzbranche gewaltig auf. Wenn dann noch - so wie jetzt - eine lang andauernde Niedrig­zinsphase hinzukommt, dann bringen die Marktgegebenheiten so manche traditionelle Bank mächtig in Schwitzen.
„Gerade weil permanente Anpassungsfähigkeit heute eine Grundvoraussetzung in der digitalen Welt ist, rückt Change-Management in den Fokus“, bekräftigt Ursula Bohn. Denn damit könne ein Wandel im Mindset und der Unternehmenskultur erreicht werden. Diese angestrebte Haltung erlaube es Unternehmen durch fortlaufende Reflexion ihrer Arbeitsweisen innovativ zu sein und schnellstmöglich auf sich ändernde Kundenerwartungen zu reagieren.
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