Ein Rechen­zentrum als Untermieter

Im Gespräch mit Dr. Béla Waldhauser

von - 06.11.2019
Dr. Béla Waldhauser
Dr. Béla Waldhauser: Leiter Data Center Expert Group im eco-Verband
(Quelle: eco )
Co-Location hat sich zu einem Trend im Rechenzentrum entwickelt. Béla Waldhauser, Leiter
der Data Center Expert Group im eco-Verband, erklärt im Gespräch mit com! professional, wie das kommt und welche Rolle Co-Location-Dienstleistungen im Mix der Rechenzentrumstypen spielen.
com! professional: Was spricht für Co-Location im Vergleich zu einem eigenen Data-Center?
Béla Waldhauser: Co-Location-Rechenzentren erfüllen hohe Ansprüche an Redundanz und Verfügbarkeit. In der Regel sind 24/7-Facility-Techniker und -Security-Mitarbeiter vor Ort. Es gibt eine professionelle Zugangskontrolle und vieles mehr, das Unternehmen im eigenen Rechenzentrum nicht umsetzen können, weil es zu teuer ist. Die Nutzer haben zudem die Wahl aus mehreren Carriern für den Internet-Access über Glasfaser. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Zertifizierungen, die Co-Location-Rechenzentren schon mitbringen. Eigene Rechenzentren hingegen sind kapitalintensiv, insbesondere wenn nach den neuesten Standards gebaut werden soll. Viele Unternehmen investieren das Geld lieber in ihr Kerngeschäft.
com! professional: Was beobachten Sie auf dem Markt? Werden eigene Data-Center aussterben?
Waldhauser: In den nächsten Jahren sicherlich nicht, es wird vielmehr einen Mix unterschiedlicher Modelle geben. Mehr als fünf Jahre in die Zukunft zu blicken, halte ich in der IT generell für sehr schwierig. Aber aus meinen Gesprächen mit Unternehmen, die Rechenzentren planen, weiß ich: Auch viele Geschäftskunden investieren noch in eigene Rechenzentren und die werden diese sicherlich länger als ein paar Jahre nutzen.
com! professional: Welche Vorteile bietet Co-Location in Deutschland für deutsche Unternehmen?
Waldhauser: Ein Riesenvorteil gegenüber dem kompletten Outsourcing: Im Co-Location-Rechenzentrum betreiben Unternehmen ihre eigene Hard- und Software. Co-Location-Anbieter kümmern sich um die Räumlichkeiten, unterbrechungsfreien Strom und Kühlung und um die physische Sicherheit. Aber kaum ein Unternehmen hat seine gesamte IT im Co-Location-Rechenzentrum gehostet, die meisten entscheiden sich für einen Mix: Ein Teil der IT bleibt im eigenen Rechenzentrum, viele Anwendungen werden über Co-Location betrieben und andere Anwendungen werden in die Cloud ausgelagert.
Der Vorteil an Deutschland: Hier kann man sich auf viele Dinge verlassen, es gilt die deutsche Rechtsprechung und die deutsche Exekutive. Nicht zuletzt, und für manche ist das wichtig, gibt es keine Sprachbarrieren für deutsche Unternehmen.
com! professional: Stellen Angebote aus dem Ausland eine ernsthafte Konkurrenz dar?
Waldhauser: Natürlich, viele Angebote aus dem Ausland, insbesondere aus Skandinavien, sind eine spürbare Konkurrenz. In Nordeuropa kostet der Strom nur ein Bruchteil dessen, was er in Deutschland kostet. Die Stromkosten machen mindestens 50 Prozent der Kosten für die Kunden aus. Amerikanische IT- und Internetkonzerne sind daher in skandinavischen Rechenzentren stark vertreten. Aber auch die größten deutschen Unternehmen fragen verstärkt Rechenleistung aus anderen EU-Ländern an. Die Standards sind schließlich vergleichbar und in der ganzen EU gilt die DSGVO. Ressourcen in anderen EU-Ländern buchen sie aus Kostengründen dazu und nutzen sie neben ihrer Co-Location-Rechenzen­trumsfläche in Deutschland.
com! professional: Worauf sollten Unternehmen bei der Anbieter­suche achten?
Waldhauser: Die großen renommierten Anbieter erfüllen praktisch alle sehr hohe Standards. Ich würde als Kunde Wert darauf legen, eines der neueren Gebäude nutzen zu können. Die sind besser
in Sachen Redundanz und Verfügbarkeit, die Infrastruktur für Strom und Kühlung ist moderner. Neuere Rechenzentren sind insgesamt energieeffizienter und können das mit Zertifikaten auch nachweisen.
com! professional: Welche Probleme hat die Co-Location-Branche in Deutschland?
Waldhauser: Der Strompreis ist hierzulande ein Riesenthema für die ganze Branche. Des Weiteren bereiten die langen Wartezeiten für Baugenehmigungen Kopfzerbrechen. Die Nachfrage ist sehr groß, man würde gerne weitere Rechenzentren bauen. Das ist wichtig, damit der deutsche Mittelstand mit der digitalen Transformation der Weltmärkte schritthalten kann. Hier wünschen wir uns mehr Engagement von Kommunen und Ländern. Probleme bereitet auch der Fachkräftemangel.
com! professional: Was muss geschehen, damit Co-Location in Deutschland (noch) interessanter wird?
Waldhauser: Co-Location aus Deutschland ist sehr interessant, das zeigt die nach wie vor große Nachfrage. Dennoch würde ich mir attraktivere Strompreise wünschen. In anderen Ländern ist das Wachstum noch deutlich größer als bei uns. Länder, Kommunen und die Bundesregierung müssen gemeinsam daran arbeiten, Flächen und Stromversorgung für weiteres Wachstum zur Verfügung zu stellen.
com! professional: Sehen Sie gute Chancen, dass das tatsächlich auch passiert?
Waldhauser: Meine letzten Gespräche im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie haben mir Hoffnung gemacht. Die Notwendigkeiten sind erkannt. Ein Preisniveau wie in Skandinavien werden wir in Deutschland aber auch mit leicht sinkenden Strompreisen nicht erreichen können. Doch davon unabhängig werden Co-Location-Rechenzentren attraktiv bleiben. Die Zukunft gehört einem Nebeneinander unterschiedlicher Rechenzentrumstypen - von riesigen Hyperscaler-Rechenzentren über die Co-Location-Rechenzentren bis zu kleinen Edge-Rechenzentren. Die Digitalisierung ist im vollen Gang und der Bedarf an digitalen Infrastrukturen, zu denen ich die Co-Location-Rechenzentren zähle, ist ungebrochen hoch.
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