KI verändert das Payment-Management

KI hilft beim Inkasso

von - 28.02.2020
Merkmale von Schuldnergruppen
(Quelle: Internet World Business )
Ähnlich verhält es sich beim Inkasso: Auch hier hilft KI auf Basis von Datenanalysen, mehr Schuldner zum Bezahlen zu bewegen. Bis zu 80 Merkmale fließen in die Definition von Schuldnergruppen und Mahntypen ein - von der E-Mail-­Adresse und der Telefonnummer über den Wohnort und das Xing-Profil bis hin zu Handy-Nutzungsgewohnheiten und Einträgen in Auskunfteien. Mithilfe selbstlernender Algorithmen entwickeln Inkassodienstleister daraus Strategien, wie die Schuldner angesprochen werden.
„Wir bewegen uns bei säumigen Zahlern zwischen den Parametern können/nicht ­können und wollen/nicht wollen. Der ­Algorithmus erkennt, an welcher Stelle ­innerhalb dieser Vier-Felder-Matrix ein Schuldner steht, und präsentiert einen
auf ihn zugeschnittenen Lösungsansatz“, erläutert ­Stephan Stricker, CEO des Inkassodienstleisters Pairfinance. Wer die Zahlung vermutlich einfach nur vergessen hat, wird freundlich daran erinnert. Wer zahlungsunwillig zu sein scheint, wird nachdrücklicher auf die Konsequenzen seines Verhaltens hingewiesen. Gleichzeitig erhalten die Kunden individuelle Angebote, sei es eine Zahlungspause oder einen an die persönlichen Umstände angepassten Ratenzahlungsplan. Pairfinance bietet in Kooperation mit dem Recommerce-­Anbieter Clevertronic sogar die Inzahlungnahme hochwertiger elektronischer Geräte an, um die Schuld zu begleichen. 
Die Technologie hilft den Dienstleistern bei der Entscheidung für die richtige Form der Ansprache: „Die KI unterstützt beispielsweise die Wahl des optimalen Kommunikationskanals und den Zeitpunkt der Kundenansprache“, hebt Sebastian Hoop, Geschäftsführer des Fintechs und Lösungsanbieters Col­lect AI hervor. Dadurch lassen sich Kosten senken und die Erfolgsquote sowie die Kundenbindung verbessern. Als Beispiel führt Hoop Acer an: Der Elektronik-Anbieter setzt in sechs Ländern auf die Lösung von Col­lect AI. Das Tool steuert die Kommunikation mit dem Kunden nach der Rechnungsstellung. Dabei passt die Technologie das Zeitfenster der Kontaktaufnahme an. Der säumige Kunde erhält per Post, Mail oder SMS eine Nachricht samt Link zur Bezahlseite im Markenauftritt von Acer. Die Sprache auf der Website richtet sich nach den Browser-Einstellungen des Kunden. Er kann wählen, mit welchem Bezahlverfahren er seine Rechnung begleichen möchte. Will der Kunde nicht bezahlen, wird ihm noch auf der Bezahlseite ermöglicht, mit Acer in den Dialog zu treten. Acer konnte dadurch die Realisierungsquote, also den Anteil der im Mahnverfahren bezahlten Rechnungen, auf 95 Prozent steigern.
Sri Shivananda
Sri Shivananda
CTO bei Paypal
www.paypal.de
Foto: Paypal
„Wir haben eine der besten Conversion Rates im Check-out und eine der niedrigsten Betrugsraten - weil wir Künstliche Intelligenz einsetzen.“

Loslösen des Bezahlens

Neben Inkasso und Betrugsprävention beeinflusst KI derzeit vor allem die Aussteuerung der Bezahlverfahren, die angeboten werden. Zum einen schließen die Systeme nach der Betrugsprävention für bestimmte Kunden risikobehaftete Zahlarten wie Rechnungskauf aus. Zum anderen erkennen die Systeme, welche Verfahren ein Käufer favorisiert, und können ihm diese im Rahmen eines personalisierten Kauferlebnisses gezielt offerieren. In anderen Bereichen wird KI das Payment nur bedingt verändern. Von Bedeutung könnte die Technologie beim Thema Conversational Commerce werden, also dem Verkauf aus Gesprächssituationen ­heraus, etwa über einen Chatbot. „Das wird nur dann Erfolg haben, wenn der künstliche Gesprächspartner überzeugend auf den Kunden eingehen kann“, meint Ralf Gladis von Computop. Und dabei helfe KI sehr. Das sieht Christian Bock, Geschäftsführer des Zahlungsdienstleisters CRIF Bürgel, ähnlich. Er verweist darauf, dass Bezahlprozesse immer einfacher werden und etwa künftig allein durch die Stimme ausgelöst werden könnten. Zudem hält er das Thema Identitätsprüfung für ­interessant: „Früher sind wir in einen ­Tante-Emma-Laden gegangen und wurden dort von der Verkäuferin erkannt. Heute sorgen Computersysteme für bessere Identifikationsverfahren, etwa mit Gesichts- oder Spracherkennung“, so Bock. Heidelpay-Gründer Hüllemann sieht im Maschine-zu-Maschine-Kontakt interessante Entwicklungschancen. „Wenn ein Auto an eine Tankstelle fährt und der Bezahlprozess autonom zwischen zwei Systemen stattfindet, die vorher nicht darauf konfiguriert wurden, dann ist die Einsatzmöglichkeit von KI gegeben und würde definitiv einen Mehrwert bieten“, meint er.
Deutlichster Trend derzeit ist ein Loslösen des Bezahlprozesses vom Kaufvorgang. „Payment wird zukünftig mehr und mehr im Hintergrund stattfinden, ohne die Kunden­erfahrung bei einem Kaufprozess negativ zu beeinflussen“, ist Thomas Wernet sicher, Senior Vice President Sales & Account Management beim Dienstleister Arvato Financial Solutions. Beim Fahrdienst Uber zum Beispiel werde die Fahrt automatisch über die in der App hinterlegten Zahlungsmittel abgewickelt.
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