Gleichstrom erobert das Rechenzentrum

Neue Racks für Gleichstrom

von - 27.02.2020
Effizient Gleichstrom versus Wechselstrom in Rechenzentren
(Quelle: OCP )
Im Rahmen von OCP und Open19 entstehen quelloffene Standards auf der Basis interoperabler Hardware-Architekturen zum Aufbau homogener, skalierbarer und energieeffizienter Rechenzentren. Zur Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Energieversorgung kommen dabei als Rack-Systeme nur noch ein oder zwei sogenannte Power-Shelves mit (n+1)-Netzteilen pro Rack zum Einsatz; diese versorgen alle ITK-Komponenten im betreffenden Server-Schrank mit Gleichstrom. Dieses Design reduziert den Platzbedarf, erhöht die Systemdichte und erleichtert die Kühlung. Die hohe Standardisierung des Formfaktors und der übrigen technischen Eckdaten vereinfacht Ersatzteilmanagement, Inbetriebnahme und Wartung. OCP bevorzugt Schränke mit einer Breite von 21 Zoll, kann jedoch auch Standardkomponenten mit 19-Zoll-Formfaktor unterbringen. Open19 setzt auf eine einheitliche Rack-Größe von 19 Zoll.
Ein OCP-Schrank wird ausschließlich von der Vorderseite aus bedient. Die Energieverteilung erfolgt auf der Rückseite des Racks via 12- oder 48-Volt-Stromleiste, die beim Einschub einer IT-Komponente automatisch Kontakt mit dieser aufnimmt. Ein  Open19-Rack wiederum verfügt über einen speziellen Kabelbaum auf der Rückseite. Das Konzept von OCP erlaubt eine schnelle Montage und einen zügigen Austausch von Modulen. Allerdings lässt sich der Strombedarf einzelner Verbraucher so nicht messen. Der Open19-Kabelbaum hat dieses Problem nicht. In beiden Fällen kann jedes Rack über eine optionale unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) verfügen. Zur Gewährleistung von Redundanz können OCP- und Open19-basierte Rechenzentren die Gleichrichter aus getrennten Stromnetzen versorgen.

Beispiel Bachmann

Die Stromversorgung von ITK-Komponenten mit Gleichspannung (DC) anstelle von Wechselspannung (AC) ist durchaus bereits gelebte Praxis. Ein Gleichstrom-Rechenzentrum betreibt etwa seit mehreren Jahren Bachmann Systems in Stuttgart. Zur Realisierung des Projekts hat das Unternehmen ein Micro-Grid konzipiert. Klimaanlagen, Beleuchtung sowie sämtliche Server und Geräte im Rechenzen­trum beziehen Energie aus diesem mit 380-Volt-Gleichstrom betriebenen Micro-Grid. Als umweltfreundliche Stromquelle fungieren Fotovoltaik­module auf dem Dach.
Konfigurationen der Leistungsverteilung mit höherer Gleichspannung (HVdc für Higher Voltage direct current) wie bei Bachmann Systems hätten das Zeug dazu, den Energieverbrauch zu senken und die Effizienz im Rechenzentrum zu steigern, glauben Forscher von The Green Grid, einem gemeinnützigen Industriekonsortiums, das sich mit internationaler Reichweite für eine höhere Energieeffizienz einsetzt. Rechenzentrumsbetreiber, Hardware-Hersteller und andere Beteiligte müssten sich vorab aber auf globale HVdc-Standards einigen, appelliert The Green Grid. Dadurch ließen sich unnötige Kosten vermeiden und Ineffizienzen beheben - Hindernisse, die die Branche im Zusammenhang mit der Entstehung unterschiedlicher Wechselstromsysteme aus Sicht des Konsortiums immer noch plagen.

Fazit & Ausblick

Durch Umstellung auf Gleichstrom-Technik wollen RZ-Betreiber steigenden Energiekosten Einhalt gebieten. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Zwar ist die erstmalige Umrüstung eines Rechenzentrums auf HVdc mangels etablierter Standards mit einem erheblichen Aufwand verbunden, doch kommen die Effizienzgewinne durch Wegfall der Wandlungsverluste dem Betreiber danach kontinuierlich zugute.
„Ein erhebliches Effizienzpotenzial“ bestätigt der Gleichstrom-Technik eine Studie der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom April 2019. OCP hat hierzu bereits konkrete Zahlen: Ein typisches mit Wechselstrom betriebenes Rechenzentrum erreicht danach eine Systemeffizienz von 77 Prozent. Ein HVdc-RZ mit 400 Volt Gleichstrom nach OCP-Vorgaben würde die 90-Prozent-Marke durchbrechen und damit 16,8 Prozent Systemeffizienz gewinnen. Auf solche Rechenzentren setzt zum Beispiel schon Nokia in Finnland.
Gleichstrom-Rechenzentren und -Racks halten nicht nur bei Hyperscalern, sondern auch in kleineren Rechenzentren Einzug, nicht zuletzt in der TK-Industrie. Das schlägt sich auch in Umsatzzahlen nieder. Laut dem Marktforschungsunternehmen IHS Markit haben Mitglieder der OCP-Foundation 2018 mit quelloffener Rechenzentrumsausrüstung 2,5 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaftet - hinzu kommen noch die Verkäufe an Hyperscaler wie Facebook, Microsoft oder Rackspace.
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