Gleichstrom erobert das Rechenzentrum

Open Source für Gleichstrom

von - 27.02.2020
Open 19 Foundation
Open 19 Foundation: Racks nach quelloffenen Standards setzen auf Niedrigspannungsgleichstrom und verbessern so die Energieffizienz.
(Quelle: Open 19 Foundation)
Für eine Versorgung mit Gleichstrom sind Rechenzentren wie geschaffen. Aufgrund der Homogenität der Anforderungen seitens der ITK-Anlagen kommen Data-Center im Vergleich zur sonstigen Industrie mit einer geringen Zahl an Spannungsniveaus  aus. Damit halten sich auch die erforderlichen Komponenten in Grenzen. Professor Rik W. De Doncker von der RWTH Aachen bringt die Vorteile von Gleichstrom auf den Punkt: „Mehr Silizium, weniger Kupfer und Stahl.“
„Eine konsequente Verwendung der Gleichstromtechnologie im Rechenzentrum ist wirtschaftlicher und effizienter als die konventionelle Wechselstromtechnologie“, urteilte bereits vor drei Jahren eine Studie von Amstein + Walthert im Auftrag des Schweizer Bundesamts für Energie BFE. Es fehlten zu jenem Zeitpunkt allerdings noch technische Standards der Komponenten und Schnittstellen. Inzwischen hat sich die Lage in diesem Punkt verbessert, nicht zuletzt dank Initiativen wie Open Compute Project (OCP) und Open19. Auch konkrete Produkte ließen lange auf sich warten. Doch mittlerweile boomt die Nachfrage.
OCP ist ein Projekt zur Entwicklung quelloffener Hardware-Standards, um reibungslose Interoperabilität und massive Skalierbarkeit zu gewährleisten. Zu den treibenden Kräften zählen - neben Gründungsmitglied Facebook - Intel, Nvidia, Rackspace und Goldman Sachs. Die Deutsche Telekom, Rittal und Schneider Electric sind als „Sponsoren“ an vorderster Front mit dabei. Im Vorstand sitzt der aus Deutschland stammende Visionär und Investor Andreas von Bechtolsheim, Gründer unter anderem von Sun Microsystems und Arista Networks.
Während OCP vorrangig die Bedürfnisse von Hyperscale-Data-Centern berücksichtigt, geht es der Open19 Founda­tion um Rechenzentren beliebiger Größe - von Rechenzentren mit mehreren Hunderttausend Servern bis hin zu Micro-Data-Centern an Edge-Standorten der Industrie 4.0.
Erklärtes Ziel der Open19 Foundation ist es, Ineffizienzen im Betrieb von Rechenzentren durch offene Spezifikationen und die Energieversorgung der Racks mit Gleichstrom auszumerzen. Zu den Mitgliedern zählen neben anderen Microsoft, HPE, Rittal und Schneider Electric.
Open19 definiert einen gemeinsamen Formfaktor sowie die Eckdaten der Stromversorgung und der Netzwerkkonnektivität für Server, Storage und andere IT-Komponenten. Anders als OCP legt die Open19-Spezifikation aber weder das Design von Mainboards noch die zulässigen Prozessortypen oder Netzwerkkarten fest.
Vorteil Gleichstrom-Rechenzentrum
Die Befürworter von Gleichstrom im RZ führen etliche Vorzüge der Gleichstrom-Technik gegenüber Wechselstrom ins Feld:
Wegfall komplexer Wechselrichter: Die Eigenstromerzeugung wird effizienter - Fotovoltaik-Anlagen konnten bislang nur über den Umweg eines Wechselrichters in die Infrastruktur des RZ integriert werden. Auch Batterien liefern von sich aus Gleichstrom.
Wegfall von Wandlungsverlusten: Jede Konvertierung von Wechsel- zu Gleichstrom und umgekehrt kostet Leistung.
Keine Notwendigkeit der Netzfrequenzregulierung: Bei Wechselstrom ist die Gewährleistung einer stabilen Netzfrequenz Pflicht, denn Schwankungen könnten den Totalausfall des Stromnetzes verursachen.
Einfachere Neutralisierung von Spannungsspitzen: Diese Problematik beim Ein- und Ausschalten von Geräten wird entschärft.
Höhere Leistung: Über dieselbe Verkabelung lässt sich mit Gleichstrom mehr Leistung als mit Wechselstrom übertragen.
Kein Blindwiderstand: Bei Gleichstrom gibt es keine Phasenverschiebung, daher entfallen auch sogenannte Blindwiderstände.
Bessere Temperatureigenschaften: Wechselstrom erzwingt die Anbringung der Netzteile möglichst direkt an den betreffenden Racks; die ungünstigen Temperatureigenschaften dieser Netzteile erschweren die Kühlung empfindlicher IT-Elektronik; der massive Formfaktor blockiert die Sperrluftströmung und schränkt die Kühl- leistung ein. Bei Gleichstrom ist im Gegensatz dazu keine Leis­tungsfaktorkorrektur (Power Factor Correction, PFC) erforderlich.
Höhere „Packungsdichte“: Mit Gleichstrom betriebene Elek­tronik erzeugt viel weniger Hitze und benötigt so weniger Platz. 
Einfacheres Abführen von Abwärme: Beim Einsatz von Gleichstrom lässt sich das zentrale Netzteil außerhalb des IT-Bereichs in einem separaten Raum unterbringen und die so entstehende Wärme deutlich leichter abführen.
Günstige Umrüstung: Die Kosten der Umstellung von Wechselstrom auf Gleichstrom fallen bei IT-Investitionen kaum ins Gewicht.
Höhere Ausfallsicherheit: Das beim Einsatz von Wechselstrom gegebene Risiko strombedingter Betriebsstörungen sinkt dank der Verfügbarkeit zusätzlicher Energiequellen und des Wegfalls der Netzfrequenzregulierung. Der Notfallbetrieb von Rechenzentrumsanlagen durch USVs aus Batterien in einem Gleichstrom-Rechenzentrum kommt ohne die sonst nötige umständliche Umwandlung von Gleichstrom zu Wechselstrom aus.
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