Zeitenwende für Rechenzentren

Cloud versus Co-Location

von - 10.06.2020
Rechenzentrumsfläche in Deutschland
Entwicklung der Rechenzentrumsflächen: Der Platz für Server wuchs in Deutschland zwischen 2010 und 2020 (Prognose) stetig.
(Quelle: Borderstep Institut)
Co-Location, oft auch als Server-Housing bezeichnet, war viele Jahre eine Alternative zum eigenen Rechenzentrum: Man bringt die eigene Unternehmens-Hardware im Rechenzen­trum eines Anbieters unter. Mit einer solchen Lösung bekommt man nicht nur ein Dach für die eigenen Server, sondern kann auch die Vorteile eines großen Rechenzentrums nutzen, etwa schnelle Netzwerkanbindungen, professionelle Gebäudeinfrastrukturen wie Klimaanlagen sowie eine umfangreiche physische Sicherheit wie Zutrittskontrollen oder Brandschutz. Das alles sind Dinge, die ein Unternehmen natürlich auch in den eigenen vier Wänden umsetzen kann, die aber in der Summe ziemlich kostspielig sind.
ISG zählte 2019 in seiner Untersuchung „Private/Hybrid Cloud - Data Center Services & Solutions“ allein im Raum Frankfurt 35 Co-Location-Anbieter, die rund 600.000 Qua­dratmeter Server-Fläche in rund 65 Rechenzentren betrieben. Hinzu kamen weitere rund 125 Co-Location-Standorte in Deutschland, verteilt auf Ballungszentren oder großen Wirtschaftsräume, „die von mittelständischen Unternehmen bevorzugt werden, um ihre IT-Infrastruktur in ihrer Nähe betreiben zu können. Davon profitieren jedoch auch Großkunden, denn Nähe ist noch immer ein Faktor bei der Rechenzentrumsauswahl“.
Doch spielt das Thema Co-Location im Zeitalter der Cloud überhaupt noch eine bedeutende Rolle? „Diese Frage würde ich mit einem Jein beantworten“, erklärt Markus Angermüller von Centron. Natürlich gebe es aktuell sehr viele Unternehmen, die ihre Daten in die Cloud legen wollten. Doch müsse man hier zwischen Public und Private Cloud unterscheiden: „Wer viel Wert auf Datenschutz und Datensicherheit legt, wird immer in der Private Cloud und somit auf eigenen Servern laden.“ Ein weiterer Punkt, der laut Angermüller für Co-Location spricht, sei die Auslagerung der IT-Infrastruktur eines Unternehmens. Viele Firmen möchten seiner Erfahrung nach weiterhin Herr über ihre Server bleiben. Diese sollten an einem Standort betrieben werden, wo sich andere um Strom, Klima und die Netzwerkanbindung kümmern. Der Betrieb der eigentlichen IT werde nach wie vor selbst betreut.
Stromverbrauch von Rechenzentren und Servern 2017
(Quelle: Borderstep Institut )
Ähnlich sieht es Falko Timme: Ein Wechsel in eine Cloud-Infrastruktur bedeute vor allem die Übertragung von Aufgaben wie die Wartung oder die Sicherstellung der Betriebs- und Ausfallsicherheit der Hardware an den Rechenzen­trumsbetreiber. „Co-Location bietet sich weiterhin für spezielle Anforderungen an den Server an, die ein Cloud-Anbieter aufgrund seiner zwangsläufig homogenen Infrastruktur nicht ohne Weiteres leisten kann.“
Alles in allem verlieren laut Jens-Peter Feidner von Equinix unternehmenseigene On-Premise-Kapazitäten immer stärker an Relevanz, „da sie in Aufbau, Wartung und Betrieb vergleichsweise teuer sind, dabei aber wenig Flexibilität und Skalierbarkeit mit sich bringen“. Diese Kapazitäten wandern - trotz Cloud-Boom - weiterhin oft in Co-Location-Rechenzentren.
Zudem müsse man, so Feidner, auch den Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigen. Erhebungen der Internationalen Energieagentur (Internatinal Energy Agency, IEA) zeigten, dass kleinere On-Premise-Lösungen deutlich ineffizienter seien als die größeren Co-Location-Rechenzentren. „Außerdem eröffnet die Co-Location in den meisten Fällen den kosteneffizienten Zugang zu umfassenden digitalen Ökosystemen, über die der direkte Datenaustausch mit Partnern möglich ist.“ Da diese Verbindungen das öffentliche Internet umgehen, böten sie darüber hinaus eine überlegene Übertragungsgeschwindigkeit und höchste Datenschutzstandards.
In einigen Branchen, etwa in der Industrie, wird man nach Feidners Einschätzung zudem eine Art Arbeitsteilung in der IT beobachten können: „In der Smart Factory ist zum Beispiel ein gewisses Level an eigenen IT-Kapazitäten nötig, um vor Ort zeitkritische Echtzeitauswertungen von Sensordaten vorzunehmen. Das externe Rechenzentrum wird so entlastet und kann sich auf die Analyse großer Datenmengen zur langfristigen Verbesserung von Algorithmen konzentrieren - zum Beispiel für Predictive Maintenance.“

Fazit & Ausblick

„Angesichts des Booms im IT-Bereich, speziell beim Rechenzentrumsmarkt, ist es sehr erstaunlich, dass der Markt bei uns in Deutschland deutlich langsamer wächst als anderswo auf der Welt. Dabei gibt es bei uns hervorragende Standards, viel Know-how und eine ausgezeichnete Infrastruktur“, so die Bilanz von Sebastian von Bomhard von SpaceNet. Dass diese nicht flächendeckend sei, tue dem Rechenzentrum keinen Abbruch. „Also, woran wird es wohl liegen? Es ist der Preis.“ Regulatorische Kosten, allen voran der hohe Strompreis, sorgten dafür, dass viele Anbieter von draußen heimische Anbieter zwingen, sich Nischen zu suchen, in denen sie erfolgreich sein können.
Doch trotz der Vorteile eines lokalen Diensteanbieters und Rechenzentrumsbetreibers „ums Eck“ dürfte die Nachfrage nach Cloud-Services, sowohl von der Industrie als auch von Endverbrauchern, in den kommenden Jahren weiter steigen. Gerade im Mittelstand ließen Vorbehalte gegenüber der Cloud weiter nach, „sodass Unternehmen immer stärker auf externe Anbieter setzen, die mehr Flexibilität bieten und kosteneffizienter sind als der Aufbau eigener Kapazitäten“, erklärt Jens-Peter Feidner von Equinix. Dies bedeute, dass die Branche sich noch weiter in eine Richtung bewege, die auf die Vielfalt von Kunden und Partnern im Rechenzentrum setze, dadurch digitale Ökosysteme schaffe und kleinere, eigenständige Installationen ablöse. „Die ‚All in One‘-Anbieter werden hier sicher Vorteile haben“, resümiert Feidner. Aber auch wenn die Branche wachse, gibt es dem Equinix-Geschäftsführer zufolge in Deutschland einige Herausforderungen. Diese liegen auch seiner Meinung nach in den vergleichsweise hohen Strompreisen, aber auch in der geringen Verfügbarkeit geeigneter Grundstücke für neue Rechenzentrumskapazitäten. Die Suche nach qualifizierten Fachkräften werde uns in den nächsten Jahren ebenfalls beschäftigen. „Hier sind auch Bund, Länder und Städte gefragt, die neue Konzepte entwickeln müssen, um besser mit der Digitalisierung und der steigenden Nachfrage nach Rechenzentren umzugehen.“
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