Zeitenwende für Rechenzentren

Angriff der Hyperscaler

von - 10.06.2020
Private/Hybrid Cloud - Data Center Services& Solutions
Hart umkämpfter Markt: Das zeigt die ISG-Studie „Private/Hybrid Cloud - Data Center Services & Solutions“, die unter anderem die Co-Location-Anbieter in Deutschland unter die Lupe nahm.
(Quelle: ISG, Juni 2019  )
Das Wachstum im Rechenzentrumsbereich wird in erster Linie vom Cloud-Markt getrieben. Laut „Global Cloud Index (GCI)“ des Netzwerkausrüsters Cisco sollen im kommenden Jahr bereits 95 Prozent des Datenverkehrs in Rechenzentren aus der Cloud kommen. Die Cloud-Anbieter bauen daher ihre Ressourcen weiter aus - vor allem in Europa. Das liegt nicht zuletzt auch an den Anforderungen durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie veranlasst viele Unternehmen dazu, Daten nur noch in Deutschland beziehungsweise innerhalb der Europäischen Union abzulegen. Dementsprechend stocken vor allem die großen Anbieter wie Amazon, Goo­gle oder Microsoft ihre Ressourcen hierzulande deutlich auf.
Die Hyperscaler betreiben ihre Angebote über zentrale Rechenzentren mit Zehntausenden Servern. Was sie gut können, ist das Skalieren ihrer zahlreichen Dienste. Dagegen bleibe bei den Großen, so Sebastian von Bomhard, das Eingehen auf Kundenbedürfnisse und -wünsche auf der Strecke. „Das bedeutet für mittelständische Service-Provider, dass sie mit Nähe zum Kunden und flexiblem Angebot stark punkten“, so der Vorstand von SpaceNet. Zudem erfordere der Betrieb der IT-Umgebung bei einem Hyperscaler einiges an Wissen, und das solle man nicht unterschätzen. „Prinzipiell brauchen viele Unternehmen nicht nur Rechenleistung und Speicherkapazität, sondern auch fachliche Unterstützung beim Betrieb der Applikationen oder es müssen zum Beispiel Standorte vernetzt werden.“
Datenverkehr aus der Cloud
(Quelle: Cisco )
„Cloud und Hosting stehen teilweise im Wettbewerb und die Grenzen sind fließend“, ergänzt Volker Ludwig von NTT. Für die aktuell sehr gefragten Hybrid-IT-Szenarien spielten beide Modelle eine wichtige Rolle, „insbesondere auch im Hinblick auf die Anforderungen, die durch die zunehmende Digitalisierung des privaten wie auch des geschäftlichen Lebens an leistungsfähige IT-Infrastrukturen gestellt werden“. Deshalb profitieren nach Ansicht Ludwigs Rechenzentrumsbetreiber und Service-Provider vom Wachstum beider Bereiche.

Die Cloud als Chance

Hosting-Unternehmen müssen sich, so die Überzeugung von Falko Timme, Geschäftsführers von Timme Hosting, jedoch rechtzeitig mit den nötigen Technologien für Cloud-Lösungen vertraut machen, neue Produkte entwickeln und diese umsetzen. Wer hier rechtzeitig die Weichen stelle, könne Unternehmen von der Konzepterstellung bis zur kompletten Cloud-Infrastruktur begleiten und erreiche dadurch eine höhere Kundenbindung.
Falko Timme
Falko Timme
Geschäftsführer bei Timme Hosting
https://timmehosting.de
Foto: Timme Hosting
„Co-Location bietet sich für spezielle Anfor­derungen an den Server an, die ein Cloud-Anbieter aufgrund seiner zwangs­läufig homogenen Infrastruktur nicht ohne Weiteres leisten kann.“
Als Beispiel für neue Spielräume und Ideen nennt Timme das Marketing: „Unternehmen mieten mit der Cloud High-Performance-Ressourcen, für die sie sonst eigene und teure Hardware benötigen würden. Das eingesparte Geld lässt sich beispielsweise in Marketing­aktionen investieren.“ Denn eine skalierbare Cloud habe eine viel höhere Rechenleistung, die individuell an die Bedürfnisse angepasst werden könne. So ließen sich mit wenigen Klicks große Marketingmaßnahmen mit wechselnden Besucherströmen wesentlich performanter umsetzen.
Auch Markus Angermüller von Centron sieht im Cloud-Boom eher eine Chance für Rechenzentrumsbetreiber. Die Anbieter könnten sich durch selbst entwickelte Innovationen vom Wettbewerb absetzen. Wer allerdings die vorhandenen Potenziale nicht nutze, werde früher oder später ins Hintertreffen geraten. „Das Thema Cloud ist noch lange nicht am Höhepunkt angelegt und den Chancen, hier voranzugehen, sind eigentlich keine Grenzen gesetzt.“ Der Rechenzentrumsmarkt sei durch das Aufkommen der Hyperscaler für angestammte Rechenzentrumsbetreiber nicht unbedingt härter geworden. „Ich würde es anders nennen“, so Angermüller. „Klar verlagert sich einiges zu den Hyperscalern, da diese einfach durch ihre Größe ganz andere Möglichkeiten haben als ein mittelständischer Rechenzen­trumsbetreiber. Hier gilt es, die eigenen Stärken wie Support, Kommunikation und Kundenorientierung klar herauszustellen, um so zu punkten und das Geschäft in die eigene Richtung zu lenken.“
Sebastian von Bomhard von SpaceNet nennt als Chancen für eigene Angebote den häufigen Wunsch nach geografischer Nähe zu den Unternehmensdaten, Datenschutz konform zu deutschem Recht und dass ausländische Behörden nicht berechtigt sind, auf die Daten zuzugreifen. So könnten regionale Anbieter flexibler und individueller auf die Wünsche der Kunden eingehen und darauf zugeschnittene Dienstleistungen bereitstellen -  „und wenn sie möchten, auch in Verbindung mit Angeboten der großen Hyperscaler“. Eine Möglichkeit sei etwa das Erweitern eigener IT-Dienstleistungen um die Amazon Web Services (AWS) unter einem einheitlichen Management. Kunden profitierten hierbei von den Vorteilen des Cloud-Marktführers, aber gleichzeitig auch von der technischen und individuellen Betreuung durch ihren lokalen Dienstleister.
Tipps zur Auswahl eines Rechenzentrumsbetreibers
Unternehmen sollten der Suche nach einem externen Rechenzentrum ausreichend Zeit und Priorität einräumen. Schließlich geht es um den Betrieb des Unternehmens und somit auch um den Geschäftserfolg, den man in die Hände des Betreibers eines Rechenzentrums legt. Im ersten Schritt sollte man mit den entsprechenden Fachabteilungen und Mitarbeitern überlegen, welche Aufgaben der Rechenzentrumsbetreiber übernehmen und welche Anforderungen er erfüllen sollte und was man als Kunde an Service und Performance erwartet. Dabei sind die folgenden Punkte besonders wichtig:
  • Der Rechenzentrumsbetreiber hat bereits Erfahrung im Einsatzbereich des Unternehmens und ist schon länger auf dem Markt tätig
  • Der Anbieter stellt genau die Leistungen bereit, die das Unternehmen benötigt - auch für zukünftige Anforderungen
  • Vereinbarkeit mit der vorhandenen Unternehmens-IT
  • Die Internetanbindung des Rechenzentrums ist für die geplanten Einsatzbereiche ausreichend dimensioniert
  • Die Internetverbindung ist mit den geplanten Einsatzbereichen kompatibel, ideal ist hier Carrier-Neutralität
  • Physische Sicherheit und redundante Rechenzentren, Verfügbarkeit/Ausfallsicherheit (SLAs prüfen)
  • Technischer Stand der Infrastruktur und Innovationsbereitschaft des Providers, vor allem im Hinblick auf eine länger­fristige Zusammenarbeit
  • Zertifizierungen, zum Beispiel nach Sicherheitsstandard ISO 27001 und EN 50600
  • Wie geht der Anbieter mit dem Thema Sicherheit um?
  • Kompetenter Support und persönliche Beratung
  • Wenn der Aspekt Umwelt wichtig ist: Ökostrom und klima­neutrale Services
  • Datenschutz und Rechtssicherheit: Standort des Rechenzen­trums in Deutschland
  • Notfall- und Krisenpläne sind vorhanden
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