Rebellen haben bei Microsoft die Macht übernommen

Cortana soll das Gesicht zum Kunden werden

von - 04.04.2016
Das Gesicht zum Kunden soll statt Windows Cortana werden, die digitale Assistentin, auf die Nadella seine Zukunft verwettet. Losgelöst vom PC wird sie auf allen Plattformen präsent sein. Cortana wird auf Fragen antworten, beraten, suchen, finden, kaufen, bestellen, planen, Termine notieren. Überall, vom 14-Dollar-Handy in Indien über Tablets von Apple und Google bis hin zu Skype, Office im Büro oder im Luxus-BMW im Stau in Unterföhring.
Microsoft Chat-Bot Tay
Nachholbedarf: Microsofts Chat-Bot Tay wurde innerhalb weniger Stunden zum bösartigen Rassisten.
Cortana muss aber auch die größte gescheiterte Hoffnung von Microsoft ablösen: Windows Phone 10. Die Betriebssystem-Variante für Smartphones fand bei der Build keinerlei Erwähnung in den großen Strategiereden. Während sich das Surface-Tablet nach zähem Kampf doch noch zum Milliarden-Geschäft gemausert hat, sind Microsofts Smartphones nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und sie werden letztlich unnötig, wenn Cortana einmal auf allen Geräten laufen kann. Anders bei Apple: iPhones bringen rund zwei Drittel der Erlöse. Jedes Jahr muss jedes neue Modell ein Renner werden.

Nadella muss es noch gelingen, die Käufer zu überzeugen

Eines muss Nadella aber gelingen: So wie er die Softwareprofis von der neuen Offenheit überzeugen konnte, muss er auch die Käufer und die Unternehmen der Welt überzeugen, auf Cortana und ihre Fähigkeiten zu setzen. Die Vorteile und Vertrauenswürdigkeit eines digitalen und selbstlernenden Assistenten mit künstlicher Intelligenz müssen so überzeugend sein, dass niemand ihn missen will.
Wie schwierig diese Aufgabe ist, hat Microsoft allerdings auch jüngst erleben müssen. Der durch künstliche Intelligenz gesteuerte Chat-Bot Tay, mit dem Microsoft auf Twitter mehr über Gespräche zwischen Mensch und Maschine herausfinden wollte, verwandelte sich nach wenigen Stunden in einen "Hass-Bot", der antifeministische, rassistische und hetzerische Tweets von sich gab - weil Twitter-Nutzer das Projekt gekapert hatten.
Wenn das neue Microsoft-Konzept trotz solcher kleinen Rückschläge aber aufgeht, verfügt Nadella über eine Waffe, die kaum jemand schlagen kann. Nur Google und mit Abstrichen Apple können hier überhaupt mithalten. Doch Apple fehlt noch die gigantische Cloud-Intelligenz, die Microsoft, Google und teilweise Amazon bereits bieten.
Bill Gates träumte 1975 bei der Gründung von Microsoft von einem PC auf jedem Schreibtisch, in jedem Haushalt - Satya Nadella ist das nicht mehr genug. Er will Microsoft dort haben, wo immer sich der Mensch aufhält. Selbst wenn er das am Ende gar nicht mehr wahrnimmt.
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