Zäher Wandel der Verwaltung

Noch besteht Anpassungsbedarf

von - 28.01.2024
Aber es gibt auch Kritik am FLORA-Projekt. In einem auf Anfrage der Webseite FragDenStaat freigegebenen Gutachten gehen die Rechtswissenschaftler Professor Thomas Hoeren und Johannes Baur auf die „Datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Übermittlung von Informationen über Immigranten zwischen öffentlichen Stellen mittels einer Permissioned-Blockchain“ ein. Prinzipiell sei der Einsatz einer solchen Blockchain zum Austausch von Daten zwar datenschutzrechtlich zulässig. Ein zwingender Anpassungsbedarf bestehe aber noch bei der Frage, wie mit der Berichtigung falscher oder der Löschung nicht mehr benötigter, aber bereits in der Blockchain gespeicherter personenbezogener Daten umgegangen werde. Auch die Programmierung des Rechte- und Rollensystems für die Zugriffe auf die Daten stelle noch eine Herausforderung dar.
Nach Informationen von Netzpolitik.org hat das Projekt bisher 18 Millionen Euro gekostet. Seit April 2021 soll es in etwa 16.000 Verfahren eingesetzt worden sein. Das entspricht einem Anteil von acht Prozent an den deutschlandweiten Asylverfahren. Wenn Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dazukommen, soll sich die Quote auf 26 Prozent erhöhen.

Zusammenarbeit mit Dienstleistern

Öffentliche Verwaltungen haben schon alleine aufgrund des Fachkräftemangels meist nicht die Kapazitäten und Kenntnisse, um ihre Digitalisierung mit eigenen Kräften voranzutreiben. So waren sowohl in der gescheiterten ID Wallet als auch am FLORA-Projekt externe Dienstleister beteiligt. Aus Sicht der Verwaltungen ergeben sich daraus einige Vorteile. So verfügen viele Dienstleister über spezialisiertes Fachwissen und umfangreiche Erfahrungen in der Entwicklung, Implementierung und Verwaltung von IT-Systemen und -Lösungen.
Das ist von unschätzbarem Wert, insbesondere wenn es um komplexe technologische Anforderungen geht. So ist auch Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst überzeugt, dass man „bei der Digitalisierung der Verwaltung rasche Fortschritte erzielen kann, wenn man viel stärker als bisher erfolgreiche Modell- und Pilotprojekte in die Fläche bringt, anstatt das Rad überall immer wieder neu erfinden zu wollen“.
Anders als viele IT-Abteilungen der öffentlichen Hand haben die Dienstleister in der Regel zudem einen besseren Zugang zu notwendigen Ressourcen wie Personal, Hardware, Software und Infrastruktur, um die ihnen anvertrauten Digitalisierungsprojekte effizient durchzuführen. Außerdem lassen sich bei der Entwicklung und Wartung von IT-Systemen so meist Zeit und Kosten sparen.
Die Einsparungspotenziale fangen nach Aussage von Joachim Astel, Executive Board, Chief Regulatory Officer (CRO) beim Dienstleister Noris Network, bereits bei den Rechenzentren an. Im Gespräch mit der Webseite Egovernment sagte er, dass die Räumlichkeiten in vielen Behörden noch für „Rechenzentren aus den 90er Jahren“ ausgerichtet sein. Oft seien für sie einfach ehemals ungenutzte Lagerräume umgewidmet worden. Rechenzentren selbst zu bauen und zu betreiben, sei aber aus verschiedenen Gründen immer aufwändiger geworden. Aus Kosten-Nutzen-Sicht spreche daher vieles für externe Rechenzentren, so Astel.
Als Dienstleister betreibt Noris Network daher sieben eigene Datacenter an fünf Standorten in Deutschland, von denen aus das Nürnberger Unternehmen unter anderem IT-Outsourcing sowie Managed Services für die öffentliche Verwaltung anbietet. Eine Auswahl weiterer Dienstleister für öffentliche Verwaltungen finden Sie in nebenstehender Tabelle.

Bürgerfrust über Behördengänge

Entrust, ein Anbieter im Bereich vertrauenswürdige Identitäten, hat die Interaktion zwischen Regierungen und ihren Bürgern untersucht und dazu mehr als 3500 Menschen in sechs Ländern (Deutschland, USA, Australien, Kanada, Frankreich und Großbritannien) befragt. Das traurige Ergebnis: 74 Prozent aller behördlichen Angelegenheiten werden in Deutschland noch vor Ort, über das Telefon oder auf dem Postweg geklärt.
Digitale Verwaltung in der Praxis
(Quelle: Bitkom )
Und: Die Nutzung digitaler Behördendienste ist weltweit nur für 52 Prozent mit positiven Erfahrungen verbunden. Noch viel weniger gilt das hierzulande: Nur knapp 21 Prozent der befragten Deutschen berichten über positive Erfahrungen mit digitalen Behördendiensten, nahezu 30 Prozent bewerten sie sogar als ausgesprochen negativ. 67 Prozent können auch seit der Pandemie keine Verbesserung feststellen. Die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) erledigt daher aktuell weniger als ein Viertel ihrer behördlichen Angelegenheiten auf dem digitalen Weg.
Webportale, Telefon und mobile Apps rangieren weltweit ganz vorne auf der Wunschliste der bevorzugten Kontaktwege mit Behörden. Die Realität sieht in Deutschland jedoch bisher komplett anders aus: Ein Viertel aller Befragten (24 Prozent) war hierzulande im letzten Jahr selbst bei Ämtern vorstellig, um behördliche Angelegenheiten zu klären. Nur 13 Prozent gaben an, mehr als die Hälfte ihrer Interaktionen über Webportale oder mobile Apps zu erledigen.  
Maria Shevchuk
CEO IT Ukraine
Foto: IT Ukraine
„Das Ministerium für digitale Transformation startet fast jede Woche neue Online-Dienste, obwohl es ständig von Russland aus angegriffen wird.“
„Behörden bleiben aufgrund von veralteten Systemen, Budgetbeschränkungen, der Vielzahl unterschiedlicher Lösungsanbieter und stetig zunehmender Cybergefahren oft hinter den Angeboten des privaten Sektors zurück“, kritisiert Jenn Markey, Vice President of Product Marketing, Payments & Identity bei Entrust. „Während der Pandemie haben wir auch in diesem Bereich eine beschleunigte Digitalisierung erlebt, aber es gibt noch viel zu tun. Insbesondere geht es jetzt darum, digitale Interaktionen einfacher nutzbar und sicherer zu machen.“

Fazit & Ausblick

Die Ampel-Koalition ist nicht die erste Regierung, die der Digitalisierung von Behörden und Ämtern auf dem Papier eine sehr hohe Priorität zuspricht. Nur müssten diesen hehren Absichtserklärungen endlich auch energisch Taten folgen. Bislang scheint die Politik die Defintion eines Ziels viel zu oft mit seiner Erreichung zu verwechseln.
Vielleicht hilft es ja, sich von einem Blick über die Grenzen in ein vom Krieg gebeuteltes Land beschämen zu lassen und daraus einen Ansporn für mehr eigenen Einsatz zu gewinnen. „Die ukrainische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, 100 Prozent der wichtigsten öffentlichen Dienste zu digitalisieren. Und selbst jetzt, wo der Krieg in vollem Gange ist, arbeitet die Ukraine weiter am Aufbau eines digitalen Staates“, erklärte Anfang November Maria Shevchuk, CEO IT Ukraine, im Vorfeld  der vom Bitkom organisierten „Smart Country Convention“ in Berlin . „Das Ministerium für digitale Transformation startet fast jede Woche neue Online-Dienste, obwohl es ständig von Rus

Dienstleister und Verbände (Auswahl)

Anbieter

Webseite

Besonderheiten

Adesso

www.adesso.de

Digitalisierung, IT-Modernisierung

Conet ISB

www.conet-isb.de

IT-Beratung und Softwareentwicklung

Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund)

www.itzbund.de

unterstützt als zentraler IT-Dienstleister die deutsche Bundesverwaltung

IT-Dienstleistungszentrum des Freistaats Bayern (IT-DLZ)

www.ldbv.bayern.de/digitalisierung/itdlz.html

zentraler IT-Dienstleister für Verwaltung und Gerichte in Bayern

IT-Dienstleistungszentrum Berlin

www.itdz-berlin.de

IT-Dienstleister des Landes Berlin

KDN

www.kdn.de

Dachverband kommunaler IT-Dienstleister in Nordrhein-Westfalen

Noris Network

www.noris.de

IT-Outsourcing, Managed Services, betreibt eigene Rechenzentren in Deutschland

SVA

www.sva.de

Managed Services, Operational Services, SOC, Softwareentwicklung

Vitako

www.vitako.de

Netzwerk der öffentlichen IT-Dienstleister in Deutschland

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