Digitalisierung des Staates

Zäher Wandel der Verwaltung

von - 28.01.2024
Foto: Shutterstock / Alexander Supertramp
Obwohl die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung bereits vor über drei Jahrzehnten begonnen hat, ist sie noch längst nicht abgeschlossen.
Auch nach Jahrzehnten der Digitalisierung geht in vielen öffentlichen Verwaltungen ohne Papier und Fax noch immer wenig bis nichts, bemängelt der Bitkom-Verband in einer Ende Oktober 2023 veröffentlichten Erklärung. Unternehmen in Deutschland müssten auch heute noch meist erst umständlich PDFs herunterladen, sie offline ausfüllen und dann ausdrucken, um sie zuletzt wieder zurück ans Amt zu schicken oder per analogem Fax einzureichen.
In einer vom Branchenverband durchgeführten repräsentativen Studie gab kein einziges der über 600 befragten Unternehmen an, „ausschließlich digital“ mit Behörden zu kommunizieren. Drei von zehn beziehungsweise 31 Prozent schaffen immerhin eine „überwiegend digitale Kommunikation“. Rund 60 Prozent der Unternehmen sehen sich jedoch gezwungen, ebenso häufig „analoge wie digitale Kommunikationswege“ zu wählen, während 7 Prozent sogar immer noch „überwiegend analog“ kommunizieren müssen.
Das eingangs genannte Beispiel mit dem Ausdrucken von online heruntergeladenen Dokumenten ist leider nicht weit hergeholt, sondern wird durch drei von vier der befragten Firmen (74 Prozent) bestätigt.

Setzen, Note vier!

Daher verwundert auch nicht, dass die Studienteilnehmer den öffentlichen Verwaltungen in puncto Digitalisierung im Durchschnitt gerade einmal die Schulnote „ausreichend“ (4,0) geben wollten. 23 Prozent stuften die IT in der öffentlichen Verwaltung als „mangelhaft“ (5,0) ein und 13 Prozent sogar als „ungenügend“ (6,0). Die Note „sehr gut“ (1,00) wollte kein einziger  vergeben. Insgesamt erleben vier von fünf Befragten die öffentliche Verwaltung auch heute noch als „zu träge“. Nur jeder fünfte bemerkte an dagegen, dass sie „hervorragend“ funktioniere. Es gibt also immer noch sehr viel Raum für Verbesserungen, auch wenn ein wenig Weiß zwischen all dem Schwarz zu entdecken ist.
„Verwaltungen, die mit den Methoden des letzten Jahrhunderts arbeiten, verschwenden nicht nur eigene Ressourcen, sie belasten auch die Unternehmen“, ärgert sich Ralf Wintergerst. Er ist Vorsitzender der Geschäftsführung des Münchner Banknotenherstellers Giesecke+Devrient (G+D) und seit Juni dieses Jahres zudem Bitkom-Präsident. Auch wenn manche Behörden in den letzten Jahren bei der Digitalisierung vorangekommen sind, treten dabei nach Ansicht von Wintergerst immer noch zu viele Systembrüche auf. Eine funktionierende digitale Verwaltung würde aber die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland erhöhen. Deshalb sollte ihr Ausbau „mit Nachdruck vorangetrieben“ werden, fordert Wintergerst.
Der Bitkom hat die Unternehmen zudem gefragt, welche Verwaltungsleistungen sie bislang bereits digital nutzen und welche sie künftig nutzen wollen. Ganz oben nannten die Teilnehmer die An-, Um- oder Abmeldung von Kfz, gefolgt von der steuerlichen An- beziehungsweise Abmeldung eines Unternehmens. Außerdem zählten sie die Bereiche Produktkennzeichnung und -zulassung, die Meldung von Erneuerbaren-Energie-Anlagen, Visa-Angelegenheiten, die Beschäftigung und Entsendung von Fachkräften, Bauanträge, die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, die Ermittlung einer Patentfähigkeit sowie die Erteilung von Patenten auf.

Smart City: München überholt Hamburg

Bereits zum fünften Mal hat der Bitkom-Verband außerdem seinen „Smart City Index“ vorgestellt. Er stellt ein digitales Ranking der größten deutschen Städte dar und gewährt einen Einblick, wie es mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen tatsächlich aussieht. Dazu hat der Verband 37 Indikatoren zusammengestellt, die aus jeweils 157 Parametern pro Stadt errechnet ­werden. Insgesamt bezieht der Digitalverband bei der ­Erstellung des Indizes nach eigenen Angaben rund 12.717 Datenpunkte mit ein.
Ralf Wintergerst
CEO Giesecke+Devrient, Bitkom-Präsident
Foto: Bitkom
„Verwaltungen, die mit den Methoden des letzten Jahrhunderts arbeiten, belasten auch die Unternehmen.“
Um die Ergebnisse richtig einordnen zu können, muss allerdings ein Aspekt beachtet werden: Die Stadt, die in einem Bereich den höchsten Wert erzielt, erhält im Index immer den Indikator 100. An einem Beispiel lässt sich das am besten verdeutlichen. So hat die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden laut amtlicher Zulassungs­statistik einen Anteil von 7,8 Prozent E-Fahrzeugen an allen zugelassenen Fahrzeugen. Da dies der höchste Wert unter allen untersuchten Städten ist, erhält Wiesbaden also im Indikator „Anteil E-Fahrzeuge“ den Maximalwert 100. Die anderen Städte werden dann abhängig davon niedriger eingestuft.
Im Smart City Index des Bitkom liegt München im Bereich Verwaltung vorn – wie auch im Gesamtranking.
(Quelle: Bitkom )
Auch im Sektor IT und Kommunikation des Smart City Index ist München in diesem Jahr Spitzenreiter.
(Quelle: Bitkom )
In diesem Jahr gab es beim Smart City Index eine Überraschung. Erstmals lag München vor dem Platzhirsch Hamburg. „Unter den Top 10 finden sich aber nicht nur Metropolen, sondern auch kleinere Städte wie Aachen, Osnabrück oder Ulm“, freut sich Wintergerst. Das zeige, dass „man nicht groß sein muss, um smart sein zu können“. Wichtig seien vielmehr ein professionelles Management der Digitalisierungsaktivitäten und das gemeinsame Engagement von Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft vor Ort.
Allerdings hapere es oft daran, erfolgreiche oder vielversprechende Einzelprojekte in die Fläche zu bringen, so Wintergerst. Er appelliert daher an Bund und Länder, nicht nur neue „Leuchtturmprojekte“ wie den Einsatz von Künstlichen Intelligenzen in der Verwaltung zu fördern. Stattdessen solle man lieber den Roll-Out von erprobten digitalen Lösungen stärker unterstützen.
Wenn man sich den aktuellen Smart City Index genauer anschaut, fällt zudem auf, dass Universitätsstädte im Durchschnitt besser als Städte ohne Hochschule abschneiden. Das liegt nach Angaben von Wintergerst daran, dass dort meist der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis leichter fällt. Diese Städte profitierten von lokalen Tech-Startups mit innovativen Technologien und frischen Herangehensweisen an verschiedenste Herausforderungen. „Wenn Startups die Möglichkeit bekommen, Smart-City-Anwendungen vor Ort in Kooperationen zu testen, ist das eine klassische Win-Win-Situation“, bemerkt Wintergerst. Wer sich das Smart-City-Ranking der 81 deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern im Detail ansehen will, findet weiterführende Informationen und eine interaktive Karte auf der Webseite www.smart-city-index.de.
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