Zäher Wandel der Verwaltung

Blockchains in der Verwaltung

von - 28.01.2024
Neben den im Trend liegenden Künstlichen Intelligenzen taucht auch immer wieder das Thema Blockchain auf, wenn es um die IT in der öffentlichen Verwaltung geht. So ist etwa die Bundesnetzagentur überzeugt, dass sich damit die IT-Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung dezentraler und föderaler organisieren lässt. Weil die Daten in Blockchains in der Regel nicht zentral an einem Ort gespeichert werden, würden sie nicht nur die Datensouveränität von Bürgern und Unternehmen erhöhen, sondern zugleich das Überwachungspotenzial des Staates gegenüber Bürgern und Unternehmen reduzieren. Ebenso könne die Technologie dazu beitragen, Datendiebstähle durch IT-Angriffe erheblich zu erschweren.
Wie Bürger mit Behörden kommunizieren wollen
(Quelle: Entrust )
Die Bundesnetzagentur verspricht sich viel von sogenannten Identity Wallets, mit denen die Bürger ihre Identitätsdaten selbst verwalten können. Man spricht dabei auch von „Selbstsouveränen Digitalen Identitäten“ (Self-Sovereign-Identities, kurz SSI). Sie sollen personenbezogene Daten aufnehmen und Dritten zugänglich machen können, sofern der Besitzer eine ausdrückliche Zustimmung erteilt hat. Beispiele für Daten, die in solchen Identity Wallets gespeichert werden können, sind Stammdaten der Bürger wie Name, Anschrift, Geburtsdatum und Steuernummer, aber auch zusätzliche Informationen und Berechtigungen wie E-Mail-Adressen, Parkausweise und ÖPNV-Tickets.
Die Blockchain könnte dabei als Verifikationsschicht dienen, etwa um Herkunft, Authentizität und Gültigkeit der Identitätsdaten zu überprüfen. Neben Privatpersonen sollen auch Unternehmen und sogar Maschinen solche selbstsouveränen digitalen Identitäten erhalten, erwartet die Bundesnetzagentur. Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern will man durch eine Nutzung offener Standards und interoperabler Protokolle vermeiden.
Erste Tests mit dem elektronischen Führerschein und der ID-Wallet-App verliefen im Jahr 2021 allerdings nicht besonders erfolgversprechend. Zum einen funktionierte die Technik nur holprig, zum anderen wurden schnell Sicherheitslücken gefunden. Hersteller und Bundesregierung entschieden sich daher kurzfristig, die App wieder zurückzuziehen. Beobachter kritisierten sie als „Schnellschuss knapp vor der Wahl“, den die beiden damaligen Minister Andreas Scheuer und Dorothee Bär durchgepeitscht hätten. Nicht nur seien dabei durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aufgedeckte Sicherheitslücken ignoriert worden, der Launch sei auch ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfolgt. Das liegt unter anderem daran, dass die wichtige eIDAS-Verordnung (Electronic Identification, Authentication and Trust Services) derzeit noch überarbeitet wird. Ende 2023 soll sie frühestens verfügbar sein.  

Koordination übergreifender Vorgänge

Einen weiteren potenziellen Anwendungsbereich der Blockchain-Technologie in der öffentlichen Verwaltung sieht die Bundesnetzagentur  in einer besseren Koordination übergreifender Verwaltungsvorgänge. Dank der Blockchain könnten etwa Informationen „manipulationssicher und zeitnah“ zwischen mehreren Behörden ausgetauscht werden. Zudem sei auch eine individuelle Vergabe von Zugangsberechtigungen möglich, so dass jede Stelle nur genau den Einblick in die Informationen erhalte, der zur Erledigung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderlich sei.
Durch die damit verbundene Automatisierung vieler Verwaltungsprozesse seien vielfältige Effizienzgewinne möglich, schreibt die Bundesnetzagentur in einer im Internet veröffentlichten Stellungnahme. So könnten etwa mit Smart Contracts automatisiert Zahlungen veranlasst oder Folgeprozesse bei anderen Behörden gestartet werden, die an einem Verwaltungsvorgang ebenfalls beteiligt sind. Dadurch würden Wartezeiten minimiert.

Asyl-Blockchain in Dresden

Viel Blockchain-Theorie, aber wo bleibt die Praxis? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat den Einsatz der Blockchain tatsächlich bereits zusammen mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) in einem Projekt in Dresden getestet. Ziel: die Asylprozesse und die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden zu vereinfachen, ohne dass der Datenschutz auf der Strecke bleibt. In einer Ende 2022 veröffentlichten Evaluation zeigten sich die Teilnehmer zufrieden mit dem FLORA genannten Projekt. Die Abkürzung steht für „Fundament für eine Föderale Blockchain-Infrastruktur Asyl“.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gehört zu den ersten Behörden in Deutschland, die ein Blockchain-Projekt gestartet haben.
(Quelle: BAMF )
Das FLORA-Assistenzsystem habe nicht nur zu einer Verbesserung der Arbeitsabläufe beigetragen, sondern auch die Anfälligkeit für Prozessfehler reduziert. Gleichzeitig seien die Bereiche Datenschutz und Manipulationssicherheit gestärkt sowie die Verfügbarkeit und Transparenz von verfahrensrelevanten Informationen bei der Erprobung in einer AnkER-Einrichtung (Ankunft, Entscheidung und Rückführung) in Dresden verbessert worden. In den AnkER-Zentren sollen alle zuständigen Behörden wie Arbeitsamt, Ausländerbehörde, BAMF und gegebenenfalls auch das Jugendamt zusammenarbeiten, um Asylverfahren und auch Abschiebungen zu beschleunigen.
Beim Test in Dresden habe man sowohl die manuelle Arbeitslast als auch den Kommunikationsaufwand der Beteiligten senken können. Derzeit soll das System fachlich weiterentwickelt und auf weitere Standorte in Sachsen sowie Brandenburg ausgeweitet werden. Außerdem bestünden bereits „konkrete Planungen für eine künftige Anbindung an FLORA mit den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen“ teilte das BAMF auf Anfrage von Netzpolitik.org mit. Das Bundesamt will das FLORA-Projekt zudem im Rahmen der European Blockchain Partnership in den Aufbau der European Blockchain Services Infrastructure (EBSI) einbringen.
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