Zukunftstechnologie

Hotspot für Quantenrechner

von - 16.01.2023
Foto: IBM
Wie die Politik die Quantenforschung in Deutschland fördert und was Unternehmen davon haben. com! professional führt aus.
Ein System, das instabiler ist als ein geschältes rohes Ei, dessen theoretische Grundlage nach Ansicht des Physikers Richard Feynman niemand versteht und dessen Wirkungsweise Albert Einstein als „spukhaft“ bezeichnet hat – die Forschung mit und an Quanten scheint auf den ersten Blick eine äußerst esoterische Wissenschaft zu sein.
Dabei spielen die Phänomene der Quantenmechanik schon heute in praktischen Anwendungen eine Rolle, etwa bei der Magnetresonanztomografie (MRT), in Lasersystemen und Atomuhren. Auch die Funktionsweise von Halbleitern – Grundlage aller Computer – basiert zum Teil auf quantenphysikalischen Prinzipien. Schon seit den 1980er- Jahren wollen Wissenschaftler und Industrie aber mehr. Sie hoffen, Quanten für die Berechnung mathematischer Probleme nutzen zu können, die sich mit klassischen Computern nicht oder nur mit extremem Aufwand lösen lassen. Diese „zweite Revolution der Quantenforschung“ soll in völlig neue Dimensionen der wissenschaftlichen und industriellen Anwendung von Computern vorstoßen.

Vorsprung durch Förderung

Wie häufig in der Informationstechnologie geben auch bei der Quantenforschung die USA den Ton an. Laut dem „Quantum Technology Monitor“ des Beratungsunternehmens McKinsey konzentrieren sich 40 Prozent der Marktteilnehmer und 60 Prozent der Start-up-Förderung auf Nordamerika. Auch zehn der zwölf größten Hardware-Anbieter sind dort zu finden.
Christian Schweizer
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am WMI und der TU München
Foto: Walther-Meissner-Institut
„Eine kleine Forschungsgruppe wird es allein niemals schaffen, Quantencomputing in größerem Maßstab umzusetzen.“
Europa will sich aber nicht ein weiteres Mal von den USA bei der Entwicklung bahnbrechender Technologien abhängen lassen und setzt auf massive Förderung. In der gesamten EU sollen McKinsey zufolge rund 7,3 Milliarden Euro für die Quantenforschung ausgegeben werden. Damit liegt Europa auf Platz zwei hinter China. „Europa will sich ganz klar als Leader in der Quantentechnologie positionieren“, berichtet Max Werninghaus, der am Walther-Meissner-Institut für Tieftemperaturforschung (WMI) in Garching an seiner Doktorarbeit über „Quantum Computing and Information Processing“ arbeitet.
Globaler Investitionswettlauf
(Quelle: McKinsey Quantum Technology Monitor )
Zu den EU-Initiativen gehört das Quantum-Technologies-Flagship-Programm, das seit 2018 läuft und über zehn Jahre mit einer Milliarde Euro gefördert werden soll. Ziel ist es, Europa in den Bereichen Quantencomputing, Quantensimulation, Quantenkommunikation sowie Quan­tensensorik und -metrologie an die Spitze zu bringen. Alle Förderprogramme legen Wert darauf, universitäre Forschung und industrielle Anwender zusammenzubringen. „Die Beteiligung von Unternehmen ist ein wesentlicher Baustein der Förderung“, erklärt Christian Schweizer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walther-Meissner-Institut, das unter anderem Teil des 2021 gestarteten Projekts „Munich Quantum Valley“ ist. Das sei auch sinnvoll, so Schweizer weiter. Denn: „Eine kleine Forschungsgruppe wird es allein niemals schaffen, Quantencomputing in größerem Maßstab umzusetzen.“
Auch die Fördertöpfe in Deutschland sind prall gefüllt. Insgesamt will die Bundesregierung rund zwei Milliarden Euro für die Erforschung und Entwicklung von Quantencomputern ausgeben. „Die Förderlandschaft in Deutschland ist riesig“, beobachtet Schweizer. Die Ziele der deutschen Quantenforschung hat ein Expertenrat im vergangenen Jahr in der „Roadmap Quantencomputing“ zusammengefasst. So soll bis zum Jahr 2024 ein umfassendes Ökosystem für die Entwicklung von Quantenrechnern aufgebaut und ein international wettbewerbsfähiger Quantencomputer mit 100 Qubits verfügbar sein, der sich auf 500 Qubits skalieren lässt. In fünf bis zehn Jahren wollen die Experten den Quantenvorteil für praxisrelevante Anwendungen demonstrieren und in zehn bis fünfzehn Jahren einen fehlerkorrigierten universellen Quantencomputer realisieren können.
Quantencomputing und das Thema IT-Sicherheit
Schon seit Jahren wird davor gewarnt, dass Quantencomputer bislang als sicher geltende Verschlüsselungsverfahren in kürzester Zeit knacken könnten. Tatsächlich besteht diese Gefahr aber auf absehbare Zeit nicht. Ein Forscherteam der Universität Sussex hat berechnet, dass zur Entschlüsselung der auf elliptischen Kurven basierenden 256-Bit-Verschlüsselung in der Bitcoin-Blockchain mehrere Millionen Qubits nötig wären. Aktuelle Systeme verfügen über wenige Dutzend bis einige Hundert Qubits.
Dennoch benötigen Wissenschaft und Industrie langfristig quantensichere Verschlüsselungsalgorithmen. Das National Institute of Standards and Technology (NIST) hat deshalb bereits im Jahr 2016 einen Wettbewerb für die Entwicklung von Post-Quantum Kryptografiestandards ins Leben gerufen. Im Juli dieses Jahres wurden die ersten vier Algorithmen prämiert, die einem Quantenangriff standhalten sollen. Weitere Informationen dazu unter www.nist.gov/news-events/news/2022/07/nist-announces-first-four-quantum-resistant-cryptographic-algorithms.
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