Hotspot für Quantenrechner

Die wichtigsten Einsatzgebiete

von - 16.01.2023
Wissenschaft und Industrie setzen vor allem in folgenden Bereichen große Hoffnungen auf die Überlegenheit von Quantentechnologie:
Sensorik: Quantensensoren ermöglichen eine wesentlich genauere Messung von Temperatur, Geschwindigkeit, Position und anderen physikalischen Größen als herkömmliche Systeme. So lassen sich bessere und/oder kleinere Systeme realisieren als dies bislang möglich war. Das Start-up Q.ANT, eine hundertprozentige Tochter des Maschinenbauers Trumpf, hat beispielsweise im Mai 2022 auf der Hannover Messe einen industriereifen Partikelsensor für die Analyse von Gasen, Flüssigkeiten und Pulvern vorgestellt. Die Auswertung der großen Datenmenge erfolgt KI-gestützt, das System lässt sich per API ansprechen oder per MQTT (Message Queuing Telemetry Transport) in eine automatisierte Messkette einbinden. Erste auf der Hannover Messe präsentierte Anwendungen waren die Qualitätsprüfung von Kaffee und die Biomassemessung in einem Algenreaktor.
Optimierung: Verkehrsplaner, Produktionsleiter und Fonds-Manager stehen alle vor demselben Problem: Sie müssen aus einer riesigen Menge möglicher Szenarien und Kombinationen eine optimale Lösung herausfiltern. Spezielle Quantencomputer, sogenannte Quanten-Annealer, können diese Probleme unter Umständen schneller lösen als klassische Rechner, zumindest wenn es um heuristische Ansätze geht, in denen die Lösung per Trial and Error gesucht wird. Prominentester Anbieter bereits industriell verfügbarer Quanten-Annealer ist das kanadische Unternehmen D-Wave, dessen Maschinen zum Beispiel bei Volkswagen in einem Pilotprojekt für die Verkehrsflussoptimierung eingesetzt werden.
Allerdings wird die Quantenüberlegenheit bei Annealern auch immer wieder infrage gestellt. So kamen Wissenschaftler um den Kölner Forscher Michael Jünger in einem 2021 erschienenen Beitrag im „ACM Journal of Experimental Algorithmics“ zu dem Schluss, dass klassische Algorithmen einem Quantencomputer wie dem D-Wave 2000Q mit 2000 Qubits überlegen sind.
Max Werninghaus
Doktorand am WMI und der TU München
Foto: Walther-Meissner-Institut
„Europa will sich ganz klar als Leader in der Quantentechnologie positionieren“
Man sollte sich jedoch nicht zu sehr auf den reinen Leistungsvergleich fokussieren, gibt Christian Schweizer zu bedenken: „Die Zahl der Lösungsmöglichkeiten für ein Optimierungsproblem ist riesig und jeder Algorithmus bringt einen gewissen Bias mit“, erklärt der Wissenschaftler. „Mit einem Quantencomputer könnte man deswegen ganz andere Lösungen finden als mit einem klassischen Ansatz.“
Lösung quantenphysikalischer Probleme: In der Entwicklung von Halbleitern und Batterien sowie bei der Suche nach neuen Legierungen, Wirkstoffen und Medikamenten spielen quantenmechanische Phänomene eine große Rolle. „Mit einem Quantencomputer oder Quantensimulationen wäre man den tatsächlichen physikalischen Problemen deutlich näher als mit klassischen Systemen“, erklärt Schweizer. „Das könnte die Lösung solcher Aufgaben erleichtern.“
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht beispielsweise in dem Projekt „QuESt“ (Quantencomputer Materialdesign für elektrochemische Energiespeicher und -wandler mit innovativen Simulationstechniken) gemeinsam mit der Universität Ulm und dem Karlsruher KIT an neuen Materialien für Batterien und Brennstoffzellen. „Mit einem Quantencomputer können wir die quantenchemischen Vorgänge an den Elektroden von Batterien und Brennstoffzellen ideal abbilden. Wir forschen daran, wie sich der Quantencomputer hierfür am besten programmieren lässt“, erläutert Sabine Wölk vom DLR-Institut für Quantentechnologien.
Quanten-Maschinelles Lernen (QML): Das Training großer neuronaler Netze ließe sich durch Quantencomputing deutlich beschleunigen. Im Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies entwickelt etwa Professor Christian Bauckhage vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS mit seinem Team Quantenalgorithmen für grundlegende Optimierungsprobleme beim maschinellen Lernen und in der KI. „Das erklärte Ziel ist, bei der bevorstehenden Quantencomputing-Revolution vorne dabei zu sein und schnell industrierelevante Lösungen liefern zu können“, erklärt Bauckhage.
Im Projekt „PlanQK“ arbeitet das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS mit Partnern an einer Plattform für quantenunterstützte Künstliche Intelligenz (QKI). Hiermit soll in erster Linie kleine­ren und mittelständischen Unternehmen die Möglich­-keitgegeben werden, von den neuen Technologien zu profitieren.
Quantencomputing – die wichtigsten Begriffe
  • NISQ (Noisy Intermediate-scale Quantum): Das Akronym NISQ wurde von dem amerikanischen Physiker John Preskill 2018 in dem Aufsatz „Quantum Computing in the NISQ era and beyond“ geprägt. Es bezeichnet Quantenprozessoren mit 50 bis 100 Qubits, die bereits einen nützlichen Beitrag zur Berechnung komplexer Probleme leisten können, für den großen Durchbruch aber noch zu unzuverlässig (noisy) sind. NISQ-Algorithmen kombinieren Quantenchips mit klassischen Prozessoren und nutzen so die Vorteile beider Systeme. Superposition: Überlagerung aller möglichen Einzelzustände eines Qubits, die den Gesamtzustand definieren; kann auch als (nicht reale) Wellenfunktion beschrieben werden.
  • Qubit: Kleinste Recheneinheit eines Quantencomputers. Im Unterschied zu einem klassischen Bit kann ein Quantenbit (Qubit) nicht nur den Status 0 und 1 annehmen, sondern auch Zustände dazwischen. Bei einer Messung wird allerdings nur der Wert 0 oder 1 erfasst. Welcher Wert gemessen wird, hängt von der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zustände ab. Da die Messung selbst den Zustand verändert, ist sie nicht reproduzierbar.
  • Quantengatter: Rechenoperationen, die auf einem Quantencomputer ausgeführt werden. Zu den bekanntesten universellen Quantengattern gehören das Hadamard-Gatter und das Controlled-NOT-Gatter (CNOT).
  • Quantenüberlegenheit (Quantum Supremacy): Quantenüberlegenheit liegt vor, wenn ein komplexes Problem durch einen Quantencomputer Größenordnungen schneller gelöst werden kann als mit einem klassischen System. Bisherige Behauptungen, etwa von Google, Quantenüberlegenheit erreicht zu haben, sind umstritten.
  • Quantenverschränkung: Mehrere Qubits bilden gemeinsam ein System, das sich nicht aus den Zuständen der Teilsysteme erklären lässt. Die Verschränkung ist weder durch den Ort der Qubits noch durch die Entfernung zwischen den Teilsystemen definiert (nicht-lokal-realistisch). Messungen an einem Teilsystem beeinflussen die Messung an anderen. Diese Beeinflussung ist das, was Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet hat.
  • Quantenvolumen: Nicht standardisiertes Maß für die Rechenleistung eines Quantencomputers. In die Berechnung des Quantenvolumens gehen neben der Menge an erzeugten Qubits deren Stabilität, die Anzahl der Fehler und der Korrektur sowie die Effizienz des Compilers und des gesamten Software-Stacks ein. So lässt sich abschätzen, wie viele Operationen gleichzeitig auf dem Quantencomputer durchgeführt werden können.
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