Hotspot für Quantenrechner

Supraleiter und noch viel Mehr

von - 16.01.2023
Die meisten heute verfügbaren Quantenprozessoren basieren auf supraleitenden Schaltkreisen. Dazu wird ein Transistor auf wenige Zehntel Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt, sodass die Qubits ihren Grundzustand einnehmen. Die Entwicklung supraleitender Qubits ist relativ weit fortgeschritten, allerdings macht die Skalierung Schwierigkeiten. Die Bauteile lassen sich nicht beliebig miniaturisieren und die Anforderungen an die Kühlung nehmen mit steigender Qubit-Zahl deutlich zu.
Anja Karliczek
Bundesministerin für Bildung und Forschung (2018–2021)
Foto: Laurence Chaperon
„Das internationale Wettrennen im Bereich der Quantentechno­logien ist in vollem Gange.“
In Deutschland forschen unter anderem das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), das Forschungszentrum Jülich (FZJ) und das Walther-Meissner-Institut im Verbundprojekt „GeQCoS“ (German Quantum Computer based on Superconducting Qubits) an skalierbaren Quantenprozessoren auf Supraleiterbasis. Mit im Boot sind auch der Halbleiterhersteller Infineon, der skalierbare Fabrikationsprozesse entwickeln soll, und das Freiburger Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF, das optimierte Chipgehäuse beisteuern wird.
Auch im Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching soll ein Quantencomputer auf Supraleiterbasis entstehen. Das mit rund 40 Millionen Euro geförderte Projekt „Q-Exa“ (Quantencomputer-Erweiterung durch Exascale) soll einen Quantenrechner mit 20 Qubits aufbauen, der in das geplante Exascale-High-Performance-Computing-System des LRZ integriert wird. „Das internationale Wettrennen im Bereich der Quantentechnologien ist in vollem Gange. Deutschland und die EU müssen hier zur Sicherstellung unserer technologischen Souveränität mit ganzer Kraft mithalten“, erklärte die damalige Bundesforschungs­ministerin Anja Karliczek anlässlich des Projektstarts im November 2021.
Im Forschungszentrum Jülich soll der erste Quantencomputer „made in Germany“ entstehen.
(Quelle: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau)
Supraleitende Systeme sind jedoch bei Weitem nicht die einzige Technologie, mit der sich Qubits generieren lassen. Die folgenden Ansätze sind ebenfalls vielver­sprechend:
Ionen: In Ionenfallen können Ionen durch Laserbeschuss in einen Überlagerungszustand überführt werden, der sich als Qubit nutzen lässt. Die bereits entwickelten Systeme sind ähnlich leistungsfähig wie die Supraleiter, lassen sich aber wohl leichter skalieren. Die Firma IonQ, ein Spin-off der University of Maryland, stellte beispielsweise Anfang Oktober 2020 einen Quantencomputer auf Ionenfallenbasis vor, der nach eigenen Angaben 32 perfekte Qubits mit geringen Gatterfehlern bot, was einem Quantenvolumen von mehr als vier Millionen entspräche. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Qubits jedes Jahr zu verdoppeln. Das Quantensystem IonQ Aria mit 23 Qubits ist über die Cloud-Plattformen Amazon Braket, Microsoft Azure und Google Cloud verfügbar (siehe Tabelle).
Im kommenden Jahr soll der Quantencomputer IonQ Forte auf den Markt kommen, dessen 32 Qubits vollständig softwarebasiert gesteuert und programmiert werden können.
Neutralatome: Atombasierte Quantencomputer speichern Information in einzelnen Atomen, die in einem Kristallgitter gefangen sind. In Deutschland wird beispielsweise im Munich Quantum Valley an solchen Quantensystemen geforscht. In dem Verbundprojekt MUNIQC-Atoms soll bis 2026 ein auf Neutralatomen basierender Quantenprozessor mit bis zu 400 Qubits realisiert werden. Die Forscher wollen einzelne Strontium-Atome, in denen die Qubits kodiert sind, in speziellen optischen Fallen­potenzialen fangen und kühlen. Mittels fokussierter Laserstrahlen können diese Qubits so manipuliert werden, dass sich elementare Ein- und Zwei-Qubit-Gatter realisieren lassen.
Das Spin-off planqc, das im April 2022 gegründet wurde, will die Technologie industriefähig machen und einen Quantencomputer mit mehreren Tausend Qubits entwickeln.
Photonen: Photonische Quantencomputer nutzen die Quantenzustände von Licht, um Qubits zu erzeugen. Dabei kommen vor allem zwei Ansätze zum Einsatz, das KLM-Protokoll, nach seinen Entwicklern Emanuel Knill, Raymond Laflamme und Gerald J. Milburn benannt, und das (nicht universelle) Boson Sampling. Im Jahr 2020 konnten chinesische Forscher für einen auf Boson Samp­ling basierenden Quantencomputer einen Quantenvorteil von 1014 gegenüber einem klassischen Supercomputer darstellen.
In Deutschland arbeiten mehrere Projektgruppen an der Entwicklung photonischer Quantencomputer. Im Forschungsprojekt „PhoQuant“ will beispielsweise ein Konsortium unter der Leitung des Start-ups Q.ANT in den kommenden fünf Jahren eine Demonstrations- und Testanlage für photonische Quantencomputer-Chips und andere Quantencomputer-Komponenten aufbauen. An dem Projekt, das mit 50 Millionen Euro gefördert wird, sind unter anderem auch das Institut für photonische Quantensysteme (PhoQS) der Universität Paderborn und das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF beteiligt. „Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Forschung auf diesem Gebiet weltweit führende Pionierarbeit in der Grundlagenwissenschaft geleistet. Das Projekt gibt uns erstmals die Möglichkeit, diese mit Demonstrationsaufbauten in die Anwendung zu bringen“, erklärt Professor Christine Silberhorn von der Universität Paderborn.
Spin-Qubits: Auch der Eigendrehimpuls (Spin) von Elementarteilchen kann als Qubit genutzt werden. Zum Einsatz kommen dabei Halbleiter oder Diamanten, in deren Kristallgitter Fehlstellen erzeugt werden. Aktuell haben Spin-Systeme nur wenige Qubits, zeichnen sich aber durch kleine Fehlerraten und einen geringen Kühlbedarf aus. In Deutschland beschäftigt sich beispielsweise das Projekt „SPINNING“ mit dieser Technologie. Ziel ist die Erforschung und Demonstration eines Quantencomputers auf Basis von Spin-Qubits in Diamanten sowie dessen Anbindung an herkömmliche Computersysteme. Das Projekt wird vom Fraunhofer IAF koordiniert und hat ein Budget von 16,1 Millionen Euro.
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