Wie Dynamic Pricing für mehr Umsatz sorgt

Wettbewerbshüter gegen KI

von - 14.02.2019
Zudem ruft der vermehrte Einsatz von Pricing-Lösungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz die Wettbewerbshüter auf den Plan. Die Monopolkommission, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, warnt vor abgesprochenen Preisanpassungen durch IT-Lösungen. Im Webhandel erfolge die Preissetzung zunehmend über Algorithmen, heißt es im Hauptgutachten der Kommission vom Juli letzten Jahres. Diese Preisalgorithmen könnten jedoch die koordinierte Anpassung von Preisen automatisieren, indem sie ihre Preise selbstlernend an die von Wettbewerbern anglichen. Preisabsprachen seien daher einfacher und unauffälliger möglich als zuvor. Die Kommission empfiehlt, Verbraucherschutzverbänden das Recht einzuräumen, künftig eine kartellrechtliche Untersuchung bestimmter Sektoren initiieren zu können. Außerdem sollten ihrer Meinung nach IT-Dienstleister, die solche Algorithmen entwickeln, einer weitreichenden Haftung unterliegen.
Auch die Justizminister der Länder wollen Online-Händler per Gesetz zu mehr Transparenz beim Einsatz von Tools zur Preisgestaltung verpflichten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hingegen fordert, auf weitere Informationspflichten zu verzichten, die in der Praxis schwer umsetzbar seien und die Freiheit zur Preisgestaltung untergraben könnten.

Selbstlernende Algorithmen

Was auch immer die Politik künftig beschließen könnte – abschaffen lassen sich dynamisch generierte Preise wohl nicht mehr. Gleichzeitig steht die Entwicklung erst am Anfang, die Systeme werden immer leistungsfähiger und ausgeklügelter. Die erste Stufe der automatisierten Preisgestaltung waren sogenannte Repricing-Tools, die bis heute vor allem auf Marktplätzen wie Amazon und Ebay zum Einsatz kommen. Sie haben in erster Linie zum Ziel, die Preise der Wettbewerber im Auge zu behalten und den eigenen Preis entsprechend anzupassen.
Dynamische-Preise
Fast jeder macht’s: Online-Händler änderten ihre Preise im Sommer 2018 häufig. Vor allem Sanicare zeigte sich sehr dynamisch.
(Quelle: com! professional)
Die zweite Stufe umfasst regelbasierte Lösungen, die in der Lage sind, eine Vielzahl vorab festgelegter unternehmenseigener Pricing-Regeln automatisiert umzusetzen. Dabei werden teilweise aus vorliegenden Kundendaten Vorhersagen über das Kaufverhalten in der Zukunft abgeleitet.
Die dritte Stufe beinhaltet den Einsatz von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz. Hierbei liegen Leistungskennzahlen des Unternehmens zugrunde, nach denen die Preisgestaltung optimiert werden soll. Das kann eine Gewinn- oder Umsatzmaximierung, eine Frequenz- oder eine Warenbestandsoptimierung sein. Der Preisalgorithmus lernt dann nach und nach für jeden Artikel, welcher Preis zu erzielen ist. Dabei fließen auch Daten wie Wetter, Feiertage oder Tageszeiten mit ein. Werden diese Preise mit den verfügbaren Daten eines einzelnen Online-Shoppers wie etwa Daten zu seinem Standort oder dem verwendeten Gerät verknüpft, bekommt er seinen persönlich errechneten Preis angezeigt.
Diese dritte Stufe ist allerdings noch nicht so weit verbreitet. Am häufigsten sind derzeit Preisveränderungen nach Tageszeit und Wochentagen zu beobachten. So senkten zum Beispiel die Autozubehör-Shops Tirendo.de und ATU.de der Marktwächter-Studie zufolge während einer Aktionswoche regelmäßig am Nachmittag die Preise, um sie am folgenden Vormittag wieder anzuheben.
Auffällig ist auch die Strategie der Online-Apotheken Docmorris und Sanicare. Sie senkten den Preis für einige Produkte, erhöhten ihn aber gleichzeitig für eine größere Zahl anderer Produkte. Prinzipiell lassen sich auf diese Weise leicht höhere Preise erzielen: Wenn etwa zwei häufig nachgefragte Produkte wie Erkältungsmittel billiger werden, können Artikel, die erfahrungsgemäß oft zeitgleich bestellt werden, teurer werden. Der Kunde wird noch immer das Gefühl haben, er habe insgesamt günstig bestellt, da er selten die Preise für alle Produkte vergleicht.
Die stationären Händler rüsten sich ebenfalls für die Zukunft: So setzt etwa die Parfümeriekette Douglas seit letztem Herbst eine Pricing-Lösung des Software-Herstellers Re­vionics ein.
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