Algorithmen im E-Commerce

Wie Dynamic Pricing für mehr Umsatz sorgt

von - 14.02.2019
Dynamic Pricing
Foto: Golden House Studio / Shutterstock.com
Dynamische Preisgestaltung ist im Handel mittlerweile gang und gäbe. Intelligente Algorithmen ermitteln dabei die idealen Preise für höhere Umsätze.
Die ständigen Preisschwankungen an Tankstellen sind das wohl augenfälligste Beispiel für eine dynamische Preisgestaltung. Doch auch in Webshops gehören sie zum Alltag. Einer Studie des IFH Köln zufolge verändern gut 43 Prozent der Online-Händler ihre Artikelpreise mindestens einmal im Monat, gut jeder zehnte um mehr als 10 Prozent.
Variable Preise
Variable Preise: Fast die Häl e der deutschen Online-Händler verändert jeden Monat die Produktpreise.
(Quelle: com! professional )
Ähnliche Ergebnisse hat eine Untersuchung der Marktwächter Digitale Welt bei der Verbraucherzentrale Brandenburg vom August vergangenen Jahres ergeben. Danach wurden 37 Prozent von 1133 beobachteten Produkt­preisen innerhalb von knapp fünf Wochen verändert, zum Teil viele Male.
„Dynamische Preissetzung ist ein fester Bestandteil im Online-Handel“, lautet daher das Fazit der Marktwächter-Teamleiterin Kirsti Dautzenberg. Sie betont, dass variierende Preise seit jeher zum Handel gehören, etwa bei Saisonware. Zu beobachten sei allerdings, dass die Intensität der Anpassungen im Online-Handel deutlich zunehme. „Durch die Automatisierung der Prozesse sind Preisveränderungen in hoher Frequenz möglich“, sagt sie, „gleichzeitig forcieren die Anbieter von Pricing-Lösungen die Professionalisierung der dynamischen Preissetzung.“ Eine große Rolle spielen dabei Machine Learning und Künstliche Intelligenz. Nahezu alle Lösungsanbieter wie Blue Yonder, Revionics oder Prudsys bauen auf die smarte Auswertung riesiger Datenmengen und leiten daraus Vorhersagen für die Zukunft ab.

Druck durch Schnelldreher

Dautzenberg nennt drei Gründe für den wachsenden Bedarf an einer optimalen Preisgestaltung. Als Erstes ist der Wettbewerbsdruck im Web in einigen Branchen, etwa bei Elektronikartikeln, extrem hoch. Zum Zweiten müssen Händler ihre Lagerhaltungskosten im Blick haben und unbedingt vermeiden, dass Ladenhüter den teuren Platz belegen. Zum Dritten gibt es immer mehr sogenannte Schnelldreher: „Früher verkauften Modehändler vielleicht zwei oder drei Kollektionen im Jahr, heute sind es bis zu 24. Die müssen schnell abverkauft werden, um Platz zu machen für die neue Ware.“
Vertrauensverlust
Unzufriedenheit: Unterschiedliche Preise sorgen bei Verbrauchern für einen Vertrauensverlust auf ganzer Linie.
(Quelle: com! professional)
Bei Ernsting’s Family ist genau dieser schnelle Abverkauf wichtig. Der Modehändler bietet im Online-Shop und seinen rund 1800 Filialen in Deutschland und Österreich alle zwei Tage neue Ware aus wechselnden Monatskollektionen an. Für die Preisgestaltung testete der Einzelhändler fünf Monate lang die Blue-Yonder-Lösung Price Optimization in 50 Filialen, wie aus einer Fallstudie von Blue Yonder hervorgeht. Ziel war es, bei neuen Kollektionen eine Abverkaufsquote von 90 Prozent innerhalb eines definierten Zeitraums sicherzustellen – bei gleichzeitiger Steigerung der Marge. Das Ergebnis hat Ernsting’s Family offenbar überzeugt: Im Mai 2018 startete der Händler Blue Yonder zufolge den offiziellen Roll-out in allen Filialen sowie im Online-Shop.
Kaum ein Unternehmen will sich allerdings bei der Preisgestaltung in die Karten schauen lassen. Weder Zalando noch die Versandapotheke Docmorris, der Autozubehör-Händler ATU oder der Reifen-Shop Tirendo möchten etwas zu ihrer Preisstrategie sagen – obwohl die Marktwächter-Studie die dynamische Preisgestaltung eindeutig belegt hat. Zalando beispielsweise änderte seine Preise von allen
16 beobachteten Händlern am häufigsten und am stärksten. Am billigsten war ein Testwarenkorb am Faschingsdienstag zu haben.
Kirsti Dautzenberg
Kirsti Dautzenberg
Teamleiterin Marktwächter Digitale Welt bei der ­Verbraucherzentrale ­Brandenburg
www.vzb.de
Foto: Verbraucherzentrale ­Brandenburg
„Durch die Automati­sierung der Prozesse sind Preisveränderungen in hoher Frequenz möglich.“
Die Verschwiegenheit der Händler ist außer durch den Wettbewerbsdruck auch durch die Sorge um die eigene Reputation begründet. Denn Verbraucher sind zwar einerseits oft selbst auf der Suche nach den lohnendsten Schnäppchen, fühlen sich andererseits aber unfair behandelt, wenn sie die Preisschwankungen bemerken. Die Folge: Sie halten den Händler nicht mehr für zuverlässig und vertrauen ihm nicht mehr. Das gilt übrigens selbst für die Online-Shopper, die von einem günstigeren Preis profitiert haben, wenn auch in geringerem Maße.
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