So tief greifend verändert das IoT die Industrie

Im Gespräch mit Prof. Dr. Frank T. Piller

von - 06.04.2018
Prof. Dr. Frank T. Piller
Prof. Dr. Frank T. Piller: Ordinarius für Technologie und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen
(Quelle: Marcus Gerads )
Höhere Produktivität, geringere Kosten und weniger Ausfallzeiten sind häufig Ziele von IIoT-Projekten. Wer das Industrial Internet of Things darauf reduziert, verpasst allerdings eine wichtige Chance, warnt Frank T. Piller, Ordinarius für Technologie- und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen.
com! professional: Herr Professor Piller, wo­rin sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Einführung und Nutzung von IIoT?
Frank T. Piller: Wir besitzen in Deutschland ein tiefes Wissen über Maschinenbau und Elektrotechnik. Um IIoT richtig einsetzen zu können, benötigen die Ingenieure aber auch Expertenwissen im Bereich der Sensoren. Wenn ich den falschen Sensor verwende oder einen Sensor falsch einstelle, nützt die ganze Datenerhebung nichts.
com! professional: Die richtigen Daten richtig zu erfassen, ist das eine, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, das andere. Sehen Sie auch hier Defizite bei den Unternehmen?
Piller: Klassischerweise werden sehr viele Daten erhoben, aber mit einer geringen Tiefe. Unternehmen haben viele Messpunkte, aber die Messfrequenz ist niedrig, weil sich die Datenmassen nicht mehr verarbeiten lassen. Hier sehe ich eine Trendwende hin zu einer Konzentration auf wenige Messpunkte, die in sehr hoher Frequenz und möglichst in Echtzeit ausgelesen werden.
com! professional: Was bringt es, wenn man die relevanten Sensoren nahezu in Echtzeit ausliest?
Piller: Das erlaubt es dem Unternehmen, in die Zukunft zu schauen – vielleicht nicht Monate oder Jahre, aber das ist oft auch gar nicht nötig. Es genügt häufig, Vorhersagen für ein, zwei Minuten treffen zu können. Heute sitzt ein Operator in so einem Stahlwerk vor 12.000 Lämpchen, die die 12.000 Sensoren repräsentieren. Wenn eines der Lämpchen leuchtet, ist ein Problem aufgetreten und er muss schnell reagieren. In Zukunft wird er ein bis zwei Minuten früher alarmiert, bevor eine Störung aufgetreten ist. Dieser Vorsprung genügt meist, um gegenzusteuern.
com! professional: Wie bewerten Sie den technologischen Stand in den Unternehmen?
Piller: Die Möglichkeiten, eine bestehende In­frastruktur zu vernetzen, haben in den vergangen zwei, drei Jahren enorm zugenommen, die Kosten dafür sind stark gesunken. Es gibt Beispiele, in denen ein Unternehmen seine ganze Fabrik für wenige Zehntausend Euro smart gemacht hat. Datenbrillen für Augmented oder Virtual Reality, die noch vor Jahren 25.000 Euro gekostet haben, sind heute für unter 1000 Euro erhältlich. Da hat sich extrem viel getan.
com! professional: Wird dieses Angebot von Unternehmen auch wirklich genutzt?
Piller: In vielen Köpfen ist sicher noch verankert, dass die digitale Transformation enorme Summen verschlingt – woran die Beratungshäuser auch nicht ganz unschuldig sind, weil sie gerne Maximallösungen vorschlagen und alles neu machen wollen. In der Folge kommen sieben- oder achtstellige Projektsummen heraus. Dabei ließe sich durch Ausprobieren auf pragmatische Art und Weise mit sehr viel weniger Geld durchaus sehr viel erzielen.
com! professional: Verfügen die Unternehmen überhaupt über das richtige Personal, um solche Szenarien umzusetzen?
Piller: Über Fachkräftemangel wird heute ja viel geredet und geschrieben. Viele Menschen haben sich aber privat schon sehr viel Wissen über die Digitalisierung angeeignet, sie nutzen die verschiedensten Endgeräte, vernetzen sie und konfigurieren ihr Smarthome. Dieses Wissen für die Unternehmen nutzbar zu machen, ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern bringt auch den Mitarbeitern mehr Zufriedenheit und Spaß im Job.
com! professional: Wie könnte das aussehen?
Piller: Ich war erst vor Kurzem in einem Unternehmen, in dem sich die Prüfingenieure eigenständig in Additive Manufacturing eingearbeitet haben. Statt wie bisher Prüfwerkzeuge teuer und umständlich fräsen zu lassen, beauftragen sie heute einen 3D-Druck-Dienstleister. Die Beauftragung dauert keine zwei Minuten, das Teil wird innerhalb von zwei Tagen geliefert und das Ganze kostet ein Zwanzigstel der ursprünglichen Beschaffungsmethode.
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