Die USA beherrschen die ­digitale Wirtschaft

Top Ten ohne Deutschland

von - 14.08.2018
Vermindeeter Steuersatz für Apple-Gewinne in den USA
Quelle: Tagesschau.de
Europäische Unternehmen von Weltrang sucht man in diesem Konzert vergebens. Die VW Group mag zwar der größte ­Autohersteller der Welt sein, aber weder im Marken- noch im Unternehmenswert rangieren die Wolfsburger unter den Top Ten. Ein Blick auf die Tabelle (unten) zeigt, wie stark IT- und Online-Branche ­inzwischen die Welt dominieren: Apple, Google/Alphabet, Microsoft und Amazon führen die Rankings an – und bis auf den chinesischen Tencent-Konzern taucht überhaupt kein nicht amerikanischer ­Name auf. Stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass die USA einerseits die größten Konzerne der Welt hervorbringen und andererseits das höchste Handelsbilanzdefizit auf dem Globus aufweisen?
Experten melden Zweifel an, ob die übliche Berechnung der Außenhandelsaktivitäten eines Landes im Internetzeit­alter noch angemessen ist. Bereits seit Längerem geistert der Begriff des digitalen Handelsdefizits durch die Medien. So wies 2014 der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW), Marcel Fratzscher, darauf hin, dass bei digitalen Services ein US-Exportüberschuss gegenüber Europa von mindestens 68 Milliarden Dollar pro Jahr entstanden sei.
Friedbert Pflüger
Friedbert Pflüger
Vorsitzender der Internet Economy Foundation (IE.F)
www.ie.foundation
„Die amerikanische ­Dominanz in der Platt­formökonomie muss ­eingehegt werden.“
Der EU-Binnenmarkt mit seinen mehr als 400 Millionen Konsumenten steht Anbietern wie Facebook und Google völlig ohne Einschränkungen offen, moniert zum Beispiel Ex-Staatssekretär Friedbert Pflüger, heute Vorsitzender des Thinktanks Internet Economy Foundation in Berlin. In ­einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ empfahl Pflüger unlängst der deutschen Politik, diesen Umstand nicht aus den ­Augen zu verlieren, wenn das nächste Mal über US-Strafzölle verhandelt werde.   

Digitale Dienstleistung

Top-10-Marken nach Marktwert weltweit
Top 10 Marken weltweit: Neun der zehn wertvollsten Marken kommen aus den USA.
(Quelle: WTO / Statista)
Wie hoch der aktuelle Exportüberschuss der US-Digitalwirtschaft tatsächlich ist, lässt sich schwer beziffern, denn vielfach ist kaum festzustellen, wo genau eine bestimmte Leistung überhaupt erbracht wird. Nur ein Beispiel: Ein deutscher Nutzer besucht eine italienische Website, die bei Amazon gehostet wird. Die Seite ­benutzt Fotos von Shutterstock, bei ihrer Erstellung wurde die Adobe Creative Cloud eingesetzt, beim Marketing die ­Adobe Marketing Cloud. Der Nutzer ­bekommt Adsense-Anzeigen von Google eingeblendet, das Leaderboard am Seitenkopf wurde über die Group M vermarktet, welche sich auf Targeting-Infos von Criteo stützt. Schließlich bestellt der Nutzer – und bezahlt via Paypal …
Mit dieser Situation ist nicht nur das DIW überfordert, sondern auch unser Steuersystem. Das ist auf Unternehmen zugeschnitten, die ihren Sitz an einem ­bestimmten Ort haben, dort ihre ­Produkte herstellen – und dort dann auch Steuern bezahlen. Doch wo genau erbringt Google die Leistung, eine Adsense-Anzeige passend zu einem Website-Aufruf auszuliefern? In der Hamburger Deutschland­niederlassung, in der Europazentrale in Dublin, am Konzernsitz in Mountain View – oder in einem seiner zahllosen Rechenzentren in aller Welt?
Diese Situation nutzen Internetunternehmen für ausgefeilte Steuervermeidungsstrategien, in denen Erlöse so lange rund um den Globus verschoben werden, bis sie in einem Land ankommen, in dem die Steuerlast für sie fast bei null liegt.
Verwandte Themen