Kann Software den CEO ersetzen?

Netzwerke, Allianzen, Ökosysteme

von - 23.04.2020
In Zukunft gilt es vermehrt, Netzwerke gezielt zu nutzen und weiterzuentwickeln, Netzwerke im Unternehmen, Geschäftsnetzwerke wie Allianzen oder Markt-Communities, Innovationsökosysteme und Kommunikationsnetzwerke in den Social Networks. Es gibt sogar erste digitale Zwillinge von Netzwerkaktivitäten: teils sind Netzwerkbeziehungen mathematisch abbildbare mentale Modelle. Je nach Kontext dienen diese Netzwerke der Zusammenarbeit, dem Verbreiten von Meinungen oder dem Aufbau von Reputation. Der Physiker und Netzwerkforscher Albert-László Barabási formuliert das so: „Dort, wo Leistung nicht gemessen werden kann, bestimmt das Netzwerk über den Erfolg.“
Das alles ist nicht ganz neu. So, wie es seit Langem Maschinen und externe Mitarbeiter gibt, kann man schon lange Prozesse mit digitalen Zwillingen optimieren. Auch nutzen manche unternehmerisch geschickt ihre Netzwerke. Neu ist, dass fachliche Ausbildung und Kenntnis der Forschung eine zen­trale Rolle spielen. So wird aus dem „Einkauf“ ein fachlich fundiertes „Vendor Management“ und aus dem Nutzen der persönlichen Netzwerke ein digitales Analysieren der Kommunikationsstrukturen. Selbst kleine Unternehmen werden von den Forschungsresultaten der Netzwerkwissenschaft profitieren. Aufgabe der Geschäftsleitung ist es, diese Professionalisierung des Netzwerkmanagements strategisch zu führen.

Neues Wissen

Aufgrund der neuen Ressourcen und neuen Aufgaben brauchen CEOs auch neues Know-how. Kurz- bis mittelfristig wird vor allem Wissen in Bezug auf technische Möglichkeiten und Gefahren benötigt, langfristig auch in Bezug auf die Nutzung digitaler Methoden und Werkzeuge.
Alle Geschäftsleitungsmitglieder sollten daher die Einsatzmöglichkeiten der digitalen Technologien in den nächsten Jahren kennen sowie über jenen Teil der Netzwerkforschung Bescheid wissen, der heute bereits anwendungsrelevant ist. Zudem sollten Entscheiderinnen und Entscheider mit den wichtigsten Aspekten der Cybersecurity und IT-Forensik vertraut sein. Ist das Unternehmen international tätig, dann ist es weiter notwendig, mit dem Thema Digitaler Binnenmarkt, wie ihn die EU plant, und seiner Umsetzung gut vertraut zu sein. Erst in ein paar Jahren wird es dagegen wichtig werden, in der Chefetage die fortgeschrittenen digitalen Werkzeuge wie Machine Learning selber praktisch nutzen zu können.

Neue Unternehmenskultur

Die neuen Ressourcen, die neuen Aufgaben und das neue Wissen verändern zwangsläufig auch die Unternehmenskultur. Dabei gibt es eine Wechselwirkung zwischen Handeln und Haltung. Rückwärtsgewandte Einstellungen können die digitale Transformation blockieren, während zukunftsorientierte Praktiken effizienter als jedes Anreizsystem die Haltung ändern. Im digital transformierten Unternehmen sind Projekte, Teams und eine temporäre Rollenausübung wichtiger als Prozesse. Die Verantwortung für Compliance und Wertschöpfung werden eventuell sogar getrennt. Vertrauenswürdigkeit ist wichtiger als Wertschätzung, Interesse für den anderen wichtiger als Lob. Die Kultur wird durch Agilität bestimmt, die auf Flexibilität und Disziplin beruht. Aufgabe der CEOs wird es sein, das gute alte Change-Management, das niemand mochte, durch ein aus Projekten bestehendes Transformationsprogramm zu ersetzen und die dafür notwendige Projektdisziplin durchzusetzen.
Die digitale Unternehmenskultur verlangt gleichermaßen Wandelbereitschaft und situativ hohes Commitment. Das ist für viele Menschen schwer miteinander vereinbar. Flexibilität, Disziplin und Vertrauenswürdigkeit sind daher notwendige Anker. Man braucht sie, um die neuen Ressourcen effektiv zu nutzen und die neuen Aufgaben effizient auszuführen. Sie sind aber auch entscheidend dafür, dass Menschen sich im digital transformierten Unternehmen wohlfühlen. CEOs müssen diese neuen Kulturprinzipien für ihr Unternehmen adaptieren. Sie sollten dafür einen Bezug des Neuen zu traditionellen Qualitäten im Unternehmen her­stellen, weil die Zukunftsgestaltung am besten gelingt, wenn sie aus einer positiv interpretierten Vergangenheit heraus geschieht.
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