Kann Software den CEO ersetzen?

Unterschiedliche IT-Kulturen

von - 23.04.2020
Das alles ist schwierig, weil es das Business verändert. Und es ist doppelt schwierig, weil es eine fitte IT-Abteilung benötigt, die Innovationen umsetzen will und selber Ideen einbringt. Es ist deshalb wichtig, dass die Geschäftsleitung sich nicht nur für die neuen technischen Möglichkeiten, sondern auch für die IT-Kultur interessiert. Das Problem ist, dass Commitment und Unfug schwer zu unterscheiden sind.
Dazu drei verbreitete IT-Kultur-Prototypen, die alle idealistisch und wertorientiert daherkommen, sich aber fundamental unterscheiden. Zwecks besserer Verständlichkeit werden sie etwas überzeichnet:
Moderne Informatiker: Sie sind am Ball des technischen Wandels und gesellschaftlich interessiert. Sie spielen gern mit IT, erfinden neue technische IT-Artefakte, setzen diese aber auch gern praktisch ein, weil sie Innovationen im wirklichen Leben mögen. Dabei arbeiten sie in Kundenprojekten diszi­pliniert agil, sind geschickt im Hineindenken in andere (Kunden wie Coder) und gehen mit IT-Herausforderungen (wie technischen Schulden) ökonomisch um. Zudem engagieren sie sich für Gemeinwohlinitiativen, reflektieren eigenes Handeln und versuchen, IT-Nutzer zu befähigen, IT vernünftig und verantwortungsbewusst einzusetzen. Erlebt man sie, fragt man sich, warum es in diesem tollen Beruf in der Schweiz nur 15 Prozent Frauen gibt.
Traditionelle Helden: Wer je Informatiker über KI spotten gehört hat, begreift, dass es vor allem unter ihnen großen Widerstand gegen die digitale Transformation gibt. Sie lehnen systematisches Problemlösen, Teamarbeit und moderne Strategieentwicklung ebenso ab wie Frauen in wichtigen IT-Rollen und Nicht-Informatiker als Vorreiter der Datenwissenschaft. Dafür schätzen sie männliche Aggression und schlaue Argumente. Sie bewundern jene, die sich durchsetzen. Für externe Beobachter erscheinen sie oft als Idealisten, die in vielem recht haben. Gewieft sind sie auch darin, Opfer unfähiger Vorgesetzter zu sein. Erlebt man sie näher, versteht man sofort, warum es nur 15 Prozent Frauen in diesem Beruf gibt.
Out of space and time: Es gibt in der Informatik auch einen typischen dritten Weg in Form eines starken Teamgeists und eines konstruktiven Gemeinschaftsdenkens. In diesem Setting nimmt die Führungsperson eine zentrale Rolle ein und schützt Mitarbeiter vor dem Business. Häufig ist das teils mit Agilität vereinbar, selten aber uneingeschränkt. Denn starke persönliche Beziehungen behindern dies.
Allen drei prototypischen IT-Kulturen ist gemeinsam, dass es oft um Werte, Ethik und Moral geht. Alle passen sehr gut zu einem bestimmten Typ von Unternehmenskultur. Viele verkörpern fast idealtypisch eine Zeitgeistströmung. Einzige Ausnahme: die IT-Abteilung, die vom Rest des Unternehmens vergessen wurde, weil sie vor Jahren gute Arbeit gemacht hat. Aus CEO-Sicht gilt es, genau zu verstehen, wie die eigene IT-Abteilung tickt. Denn moralische Werte können zu vielem genutzt werden - auch dazu, andere zu diskriminieren oder zu terrorisieren. Zudem sind Werte oft negativ korreliert mit Leistungsfähigkeit. Mit Agilität voll kompatibel ist nur die erste beschriebene IT-Kultur, während die zweite anti­agil ist und von Führungskräften ein Grund-Nichtvertrauen verlangt, das nicht mehr in die heutige Zeit passt.
Agilität, genau betrachtet
  • Zweck: Förderung kreativer Projekte und Umsetzung von Innovationen
  • Kernidee: Durch die Reduktion der Reibungsverluste im Unternehmen gewinnen alle
  • Eigenschaften: Flexibilität und Disziplin
  • Kernstruktur: Arbeit in Zyklen
  • Unterstützungsmethoden: Dutzende verschiedene Praktiken
  • Entscheidend: Auftraggeber und Auftragnehmer halten Termine ein
  • Überflüssig: Einsatz agiler Praktiken bei Standardaufgaben und unkreativen Projekten
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