Scrum macht Spaß - Boris Gloger im Interview

Motivation für Scrum kommt ganz von selbst

von - 01.08.2014
com! professional: Müssen es unbedingt Schulungen sein oder reicht auch ein Buch zum Thema Scrum aus, um die Maßnahmen zu erlernen?
Boris Gloger: Ich habe mit Scrum angefangen, weil ich im Internet 2001 darüber gelesen habe, mir Bücher dazu gesucht habe – damals über Amazon.com auf Englisch – und mal ausprobiert habe, was das eigentlich sein soll.
4 und mehr Scrum-Sprints werden je Projekt meist absolviert.
Quelle: Scrum.org
Ich war dann so begeistert, dass ich zum damals einzigen Menschen gefahren bin, der Trainings gegeben hat: Ken Schwaber. Er gab ein Tutorial in Salt Lake City auf der 1. Agile Development Conference. Das Tutorial dauerte vier Stunden und in diesen war es Ken gelungen, die Essenz, also das Wesen von Scrum so zu erklären, dass ich nicht lernte, was Scrum als Methode ausmacht, sondern das Mindset von Scrum verstand: Ehrlichkeit, Professionalität. Er erklärte uns seinen Ethos - Scrum wurde von der Methode zu einem neuen Verständnis darüber, wie Projekte funktionieren sollten. 
Die Bücher, die Sie heute am Markt finden, meine eigenen, die von Kollegen wie Mike Cohn, und anderen, erklären heute die Methode und das „Wie“ von Scrum besser als das erste Buch, dass Ken und Jeff vor 14 Jahren geschrieben hatten. Die Erfahrung, die ich immer wieder mache: Die Seminarteilnehmer spüren den Geist in einem Training. Sie finden heraus, was es ausmacht und werden motiviert, es anzugehen. Das können Bücher oft nur bedingt leisten. Obwohl ich mir beim Schreiben viel Mühe gebe, das Gefühl für Agilität und Scrum durch die Zeilen mitzutragen.
com! professional:
59 Prozent der befragten Firmen machen täglich ein Scrum-Meeting.
Quelle: Scrum.org
Wie wichtig ist der individuelle Einsatz der Mitarbeiter, deren Motivation mitzuziehen, damit die Einführung von Scrum Erfolg haben kann?
Boris Gloger: Diese Frage impliziert die Annahme, dass von außen, vielleicht vom Management oder manchmal vom Kunden gefordert wird, dass “wir jetzt Scrum machen”. Das ist mittlerweile tatsächlich häufig so, dass man Scrum einführen will, ohne die Kollegen miteinzubeziehen, ohne sie zu fragen. Mein Rat an die Führungskräfte (Manager, Geschäftsführer, Unternehmer): Beginnen Sie bei sich selbst. Finden Sie für sich selbst heraus, was es bedeutet, ein Daily Scrum zu machen.
Einmal in der Woche zu planen, was Sie mit Ihrem Team vorhaben. Wenn Sie das selbst ein paar Monate gemacht haben, dann verstehen Sie, was Sie von Ihren Kollegen einfordern. Dann werden Sie merken, dass die Motivation für Scrum und agile Methoden ganz von selbst kommt. Sie werden verstehen, dass nach Scrum zu arbeiten Spaß macht, weil Sie als Teammitglied mitentscheiden dürfen, Sie werden gefragt, Sie spüren, dass Ihre Arbeit etwas zählt und Sinn hat.
com! professional: Klassische Führungsstrukturen müssen aufgebrochen werden. Für manche Mitarbeiter, die eventuell jahrelang auf eine bestimmte Position hingearbeitet haben, ist das vielleicht gar nicht so einfach.
Boris Gloger:
Methoden der agilen Entwicklung: Einer Umfrage der Scrum Alliance zufolge ist Scrum die weitaus beliebteste Methode agiler Software-Entwicklung.
Agile Entwicklung: Einer Umfrage der Scrum Alliance zufolge ist Scrum die beliebteste Methode agiler Software-Entwicklung.
Stimmt! Aber damit fängt man doch nicht an - im Grunde ist die Tatsache, dass wir nun wissen, was alles auf uns zukommt, wenn wir Scrum in einer Organisation machen wollen, hinderlich für die Einführung von Scrum.
Es ist so, als würden Sie jemandem, der das erste Mal mit Sport anfangen will – zum Beispiel möchte er erfolgreich Marathon laufen – erklären, dass er, wenn er das wirklich will, seine Ernährung umstellen muss, viel Freizeit für das Laufen aufwenden wird, und ihm von Anfang an sagen, dass das auch sehr qualvoll wird.
Dann fangen viele an zu überlegen, ob sie das wirklich wollen, bevor sie den Spaß am Laufen, die Lust an der Bewegung für sich entdecken konnten - und den Schmerz in Kauf nehmen. Genau so ist das mit der Einführung von Scrum - es wird auch mal weh tun, aber die Lust mit anderen Menschen gemeinsam wundervolle Projekte zu erzeugen, zu spüren, wie man Projekte in kurzer Zeit fertigstellt, jeden Tag zu sehen, dass man vorankommt, wiegt die Tatsache auf, dass ich vielleicht mein eigene Position im Unternehmen hinterfragen muss.
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