Machine Learning hat wenig mit Lernen zu tun

Die Grenzen von KI und ML

von - 23.08.2018
com! professional: Welche Grenzen sehen Sie für Künstliche Intelligenz und Machine Learning?
Goodnight: Maschinen „lernen“ streng genommen natürlich nicht, denn sie können gar nicht lernen. Beim Machine Learning wird vielmehr immer nur ein Modell trainiert. Mit jedem neuen Datensatz, den die Maschine zu verarbeiten hat, wird dann idealerweise das Modell immer besser. Wenn schließlich das bestmögliche Ergebnis erzielt ist, dann ist das Modell optimal. Das hat aber wenig mit echtem Lernen zu tun.
com! professional: SAS folgt IBM mit einer Analytics-Lösung für die Medizin. Ist das eine Koope­ration oder Ihre eigene Lösung?
Goodnight: Health Analytics ist unsere eigene Lösung. IBMs Watson war zunächst einmal eine Suchmaschine. Sie wurde mit allen relevanten Informationen beispielsweise zu Krebs gefüttert. Wenn dann nach einem spezifischen Krebssymptom gesucht wurde, lieferte die Maschine alle Antworten aus dem Pool, gepaart mit einem Relevanz-Score. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Technologie nicht besser war als ein Dutzend Mediziner. Nur kosten die Ärzte nicht 60 Millionen Dollar pro Jahr nur für die Wartung.
Wir dagegen trainieren neuronale Netze zum Beispiel mit Computertomografie-Scans von Krebspatienten. Die Maschine soll anhand der Bilder und des Urteils der Ärzte lernen, Krebszellen in einem frühen Stadium zu erkennen. Oder wir lassen den Computer ermitteln, ob eine Chemotherapie das Wachstum der Krebszellen hemmt oder nicht. Bei diesen Bildvergleichen ist die Maschine weit besser als der Mensch.
com! professional: SAS ist einer der wenigen Großkonzerne in privater Hand. Wie konnten Sie Investoren fernhalten?
Goodnight: Wir wollten schlicht nie verkaufen oder an die Börse. Vielmehr lag unser größter Fokus immer auf Entwicklung und Forschung. Hier investieren wir noch heute rund 25 Prozent unseres Umsatzes. Diese Eigenart und die starke Einbindung der Kunden in die Entwicklung macht SAS zu einem speziellen Unternehmen.
com! professional: Eine andere Besonderheit von SAS ist der große Anteil lokaler Installationen. Ist der Betrieb im eigenen Rechenzentrum nicht ein Auslaufmodell?
Goodnight: Wir wollen den Kunden die Wahl lassen. Einige Unternehmen haben bereits entschieden, ihre Infrastruktur in die Amazon-Cloud auszulagern. Auch dort können sie unsere Algorithmen einsetzen. Wenn der Kunde am nächsten Tag in die Google-Cloud wechseln möchte, können wir ihn ebenfalls bedienen. Aktuell investieren wir viel Arbeit und Geld in Container-Technologie, um den Kunden auch in Zukunft die Wahl zwischen Cloud und On-Premise zu lassen.
com! professional: Wäre es Ihr Wunsch, dass im Idealfall sämtliche Kunden ihre Systeme in die Cloud migrieren?
Goodnight: Alle Software-Unternehmungen wünschen sich, dass alle Kunden exakt die gleiche Systemumgebung verwenden. Denn dann müssten sie nur eine einzige und nicht Hunderte verschiedene Versionen unterstützen. Zum Beispiel setzen einige unserer Kunden Red Hat ein, andere bevorzugen Varianten wie Fedora oder Mandriva. Wieder andere nutzen Cloudera, die anderen Hadoop. SAS lässt sich überall einsetzen, auch wenn der Aufwand natürlich größer ist als für eine einzige Umgebung.
com! professional: Das Internet of Things gilt als großes Wachstumsfeld. Welche Herausforderung sehen Sie auf diesem Gebiet auf die Analytics zukommen?
Goodnight: Die riesigen Datenmengen, die durch Anwendungen des Internet of Things entstehen, werden definitiv zu einer Herausforderung. Hinzu kommt die Geschwindigkeit, mit der die Datenmassen verarbeitet werden müssen. Wir haben Anwendungen gesehen, bei denen bis zu 400.000 Signale pro Sekunde analysiert werden müssen. Hier ist es sinnvoll, ein statistisches Modell zu ent­wickeln, das direkt auf den Geräten arbeiten kann, anstatt die Daten erst zu übermitteln. Wenn es zum Beispiel um die Entscheidung geht, ob eine Windkraft­anlage intakt ist, können in der Anlage zuerst die Messwerte analysiert werden, bevor die Maschine sich abschaltet oder Alarm schlägt.
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