Darum muss jede Führungskraft Digital Leader werden

Übergang in die virtualisierte Zukunft

von - 02.09.2020
com! professional: Können CIOs das Geschäft so gut unterstützen, dass der Übergang in die virtualisierte Zukunft gelingt?
Naef: Leider gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort. Nur zu gerne würde ich sagen: Ja, alle CIOs können das Geschäft adäquat bei der digitalen Transformation unterstützen! Tatsächlich sind sehr viele meiner (früheren) Kollegen eifrig dabei, ihre Unternehmen für die Zukunft aufzustellen.
Andere CIOs wähnen sich auf verlorenem Posten, weil sie nur als Kostenfaktor betrachtet werden und sich vom Business nicht ernst genommen fühlen. Wenn die Prioritäten für 2020 sind: stabiler Betrieb und Kostendämpfung, ERP-Upgrade und Cybersicherheit, dann muss sich kein IT-Leiter wundern, dass er weiterhin an den Finanzchef berichtet und die IT als nicht strategisch betrachtet wird.
Sie kann ich aber ermutigen, da ich bei Emirates in der gleichen Situation war. Mein Chef war der CFO. Als ich aber die IT aufgeräumt und das Business in die Governance involviert habe, hat der Präsident mich schnell in die Geschäftsleitung geholt. Ich befürchte jedoch, einigen CIOs fehlt der Mut zum Wandel oder das Vertrauen in ihre Fähigkeiten.
com! professional: Wie lockt man traditionelle CIOs aus der Reserve?
Naef: Meine Strategie ist, Veränderungen mit den eigenen Leuten zu schaffen. Berater gehen ebenfalls so vor. Sie sprechen zuerst mit der Belegschaft und sammeln dort die besten Ideen ein. Dann gießen sie die Erkenntnisse in schicke Power­Point-Folien und präsentieren sie so, als wären es ihre eigenen Ideen. Wenn das Management an die Berater glaubt und dann die Veränderungen diktiert, können sich beide dem Widerstand der Mitarbeiter gewiss sein. Denn nun will jemand anderes die Lorbeeren einheimsen für ihre Ideen. Die Krux bei Transformationsprojekten liegt ja bei der Umsetzung. Es geht vor allem darum, dass die Veränderungen der Kultur, der Werte, der Prozesse und Arbeitsweisen in der Belegschaft angenommen werden. Da helfen schöne PowerPoint-Folien herzlich wenig. Es geht darum, die Belegschaft, das heißt die Menschen zu mobilisieren und den Veränderungsprozess nicht in einem Push-Model Top-down aufzuzwingen, sondern in ein Pull-Model Bottom-up von der Belegschaft herbeizuführen. Wer direkt auf die Belegschaft hört, kann sich einer breiten Unterstützung sicher sein. Allerdings muss ich auch die Frage in den Raum stellen, ob ein „traditioneller“ CIO fähig ist für einen solchen Wandel. Jemand, der sich jahrelang nur mit Infrastruktur und Kostenoptimierung beschäftigt hat, wird sich vermutlich sehr schwertun damit, seine Abteilung neu zu posi­tionieren. Aber genau das müssen CIOs jetzt tun. Weil IT dermaßen strategisch geworden ist, kann sie nicht mehr nur in Eigenregie betrieben werden.
com! professional: Muss IT überall zum Kern des Geschäfts werden?
Naef: Genau. Die IT wird zum Business. Für den CIO bedeutet das, dass er seine mühsam aufgebaute Herrschaft über die Informatik nun abtreten muss an die Fachbereiche. Seine neue Rolle ist die des Enablers, eines Coaches. Auf den ersten Blick verliert er seine Macht, wenn der Erfolg im Unter­nehmen weiter nur über die Mitarbeiterzahl und Budget­größe definiert wird. Auf den zweiten Blick hat er anschließend einen viel größeren Einfluss, da die IT ja nun das Business selbst ist.
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